Peter Sloterdijk und die ausgebeuteten "Eliten"

Begonnen von Kater, 10:01:23 Mo. 26.Oktober 2009

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kater

ZitatWo bleibt der Bürgerkrieg?
Mehr als eine Professorenschlacht: Im Streit um Peter Sloterdijks Steuerthesen geht es um die Zukunft der Demokratie
Dirk Pilz

Das ist nicht nur ein Streit unter einigen älteren Philosophieprofessoren über fachinterne Angelegenheiten. Es geht vielmehr um Grundfragen der Gerechtigkeit und Solidarität, um die Umverteilung von Reichtum und also die Berechtigung des Steuernehmens durch den Staat. Verhandelt werden sie zwar im eingehegten Bezirk der Theorie, doch spätestens seit Karl Marx weiß man, dass Theoreme handfeste politische Folgen haben können. Denn Theorien zur Gesellschaft sind immer auch Phantasien über die Welt als eine veränderbare. Die Frage ist freilich, in welche Richtung sie geändert werden soll.

Genau das ist der neuralgische Punkt jener heftigen Auseinandersetzung, die durch einen in der FAZ erschienenen Text des Karlsruher Philosophen Peter Sloterdijk eingeläutet wurde. Sloterdijk erzählt hier eine Geschichte über die Entwicklung des demokratischen Steuerstaates hin zum "geldsaugenden und geldspeienden Ungeheuer". Voll ausgebaute Steuerstaaten reklamieren, so Sloterdijk, "jedes Jahr die Hälfte aller Wirtschaftserfolge ihrer produktiven Schichten für den Fiskus, ohne dass die Betroffenen zu der plausibelsten Reaktion darauf, dem antifiskalischen Bürgerkrieg, ihre Zuflucht nehmen". Für Sloterdijk ist dies ein "politisches Dressurereignis, das jeden Finanzminister des Absolutismus vor Neid hätte erblassen lassen". Zu "Steuerduldsamkeit" erzogen, werde damit jenes auf Gier und Neid fußende Ressentiment der Armen gegenüber den Reichen kultiviert. Fast ungehindert habe so eine "Staats-Kleptokratie" entstehen können, die auf Kosten künftiger Generationen wirtschafte. Sein Pamphlet mündet daher in einen Gegenvorschlag: An die Stelle des durch Steuern finanzierten Sozialstaates solle die freiwillige Mildtätigkeit der Wohltätigen treten. Diese "Revolution der gebenden Hand" will die "Zwangssteuern" in freiwillige "Geschenke an die Allgemeinheit" umwandeln. Nichts sagt Sloterdijk darüber, wie diese Freiwilligkeit institutionell abgesichert werden könnte, nichts darüber, dass Schenkungen dieser Art auf quasi-feudalistische Verhältnisse hinauslaufen.

Der Frankfurter Philosoph Axel Honneth hat Sloterdijk in der Zeit deshalb vorgeworfen, er arbeite am "Umsturz all unserer herkömmlichen Werte und Gepflogenheiten". Leider ließ sich Honneth dabei auch zu einer Generalabrechnung mit dem philosophischen Hochstapler Sloterdijk hinreißen - lange schon muss ihm dessen "methodologischer Leichtsinn", seine "kleingeistige" Philosophie als "intuitive Wesensschau" missfallen haben. Und wer immer sich die Mühe gemacht hat, Sloterdijks Bücher wirklich zu lesen, wird Honneths Unmut verstehen - Sloterdijk bläht sich immerfort zum "Seher in dürftiger Zeit" (Honneth) auf, scheut aber jede ernsthafte Debatte. Er sucht nicht den Austausch der Argumente, sondern mediale Aufmerksamkeit. Seine Waffen sind Häme und Herablassung, auf Einwände geht er so gut wie nie ein; im Zweifelsfalle polemisiert er plump, zunehmend auch aggressiv. Indem Honneth sich durch diese Masche aber zu einer Gegenpolemik verleiten lässt, nimmt er seinem Hauptgegenargument das Gewicht: Er hat das Denken des Karlsruher Revolutionspredigers als erlösungsselige Ideologie entlarvt, die von einem Staat der Starken auf Kosten der Schwachen schwärmt. In seinem jüngsten Buch "Du musst dein Leben ändern" ist davon auch schon zu lesen, allerdings in typisch verklausuliertem Sloterdijk-Sprech - hier predigt er einen athletischen Atheismus, der Anerkennung und damit Überlebenschancen allein den "Übenden" zugesteht. Auch deshalb haben die ausgebeuteten Eliten das Recht, sich gegen einen angeblich auf Neid gegründeten Sozialstaat mittels "Steuerstreik" zu wehren. Honneth nennt das "Klassenkampf von oben".

Sloterdijk konterte diese Kritik auffallend gereizt: Statt einer Erwiderung lieferte er, wiederum in der FAZ, eine dumpfe Beschimpfung. Er glaubt Honneths Kritik einzig - wie er jetzt in einem Interview mit dem heute erscheinenden Spiegel wiederholt - als Ausdruck einer in die Krise geratenen Kritischen Theorie deuten zu können - ein Ausweichmanöver. Zudem wirft er Honneth just das vor, was er selbst zur Meisterschaft geformt hat: das "zufällige Zitieren", das Erfinden "abstruser Thesen", das Verächtlichmachen jeder Kritik an seinen Ideen. Nebenbei versucht er, seine Aufforderung zum fiskalischen Bürgerkrieg als "Denkspiel" kleinzureden. Christoph Menke, ebenfalls Frankfurter Philosoph, hat sich in seiner wohltuend nüchternen Antwort auf Sloterdijk davon nicht blenden lassen und dessen Begehren auf den Punkt gebracht: Sloterdijk will die Idee der Gleichheit als solche zu Fall bringen, er will tatsächlich den Sozialstaat kippen. Das kann er auch nicht dadurch kaschieren, indem man er - wie im Spiegel-Interview - von bloßer "psychologischer Umstimmung" spricht.

Es geht folglich in diesem Streit nicht um begriffliche Feinheiten, sondern um die Zukunft eines demokratisch begründeten Steuerstaates - daher auch die Schärfe dieser Debatte. Karl Heinz Bohrer etwa wirft Menke und Honneth in seiner verschwurbelten Wortmeldung vor, sie übten sich in bloßer "plebsfreundlicher Entrüstung". Dabei spricht er selbst frappierend offenherzig aus, wogegen sich die beiden Frankfurter Philosophen wehren: gegen eine Philosophie, die auf die Abschaffung jenes Sozialstaates zielt, "der mich und viele andere um die Pfründe wohlverdienten finanziellen Zugewinns bringt". Schöner könnte kein Manager das Boni-System verteidigen, treffender vermögen es auch die Lobbyisten der nackten Leistungsethik nicht zu formulieren. Sloterdijks Revolution der nehmenden Hand imaginiert tatsächlich eine Gesellschaft, in der die Leistungswilligen und -fähigen die Solidarität mit den Armen und Abgehängten aufkündigen. Seine Utopie gilt folglich einer Zukunft, in der die Schere zwischen Arm und Reich nicht als gesellschaftlicher Miss-, sondern als wünschenswerter Normalzustand gilt. Im Mantel philosophischer Theorie tritt uns hier eine Ideologie entgegen, die mehr ist als ein Denkspiel: Sie ist letztlich eine Aufforderung zum politischen Umsturz. Wehe uns, wenn sie gehört wird.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/1026/feuilleton/0007/index.html

besorgter bürger

ZitatAn die Stelle des durch Steuern finanzierten Sozialstaates solle die freiwillige Mildtätigkeit der Wohltätigen treten.

Prima! Da bin ich Dafür.

Die Reichen könnten für den Anfang schon mal ihre Bundesschatzbriefe freiwillig an den Staat zurückgeben oder zumindest auf die Zinsen darauf verzichten.
Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

BakuRock

Zitat von: besorgter bürger am 12:40:56 Mo. 26.Oktober 2009
ZitatAn die Stelle des durch Steuern finanzierten Sozialstaates solle die freiwillige Mildtätigkeit der Wohltätigen treten.
Prima! Da bin ich Dafür.
Die Reichen könnten für den Anfang schon mal ihre Bundesschatzbriefe freiwillig an den Staat zurückgeben oder zumindest auf die Zinsen darauf verzichten.

Du bist echt ein "Herzchen"  :baby:

Du traeumst von der Freiwilligkeit von Abgaben?

Du scheinst nicht zu Ende gelesen zu haben:

Zitat...... Dabei spricht er (Karl Heinz Bohrer - Anm.: von mir!) selbst frappierend offenherzig aus, wogegen sich die beiden Frankfurter Philosophen wehren: gegen eine Philosophie, die auf die Abschaffung jenes Sozialstaates zielt, "der mich und viele andere um die Pfründe wohlverdienten finanziellen Zugewinns bringt". Schöner könnte kein Manager das Boni-System verteidigen, treffender vermögen es auch die Lobbyisten der nackten Leistungsethik nicht zu formulieren. Sloterdijks Revolution der nehmenden Hand imaginiert tatsächlich eine Gesellschaft, in der die Leistungswilligen und -fähigen die Solidarität mit den Armen und Abgehängten aufkündigen. Seine Utopie gilt folglich einer Zukunft, in der die Schere zwischen Arm und Reich nicht als gesellschaftlicher Miss-, sondern als wünschenswerter Normalzustand gilt.

So wird´s kommen - nichts wird freiwillig sein ...... es sei denn: Wir ueben "freiwillig" irgend einen Zwang aus...... :rolleyes:
---
Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es für sie keine Hoffnung. .... A. Einstein

Eigentumsfragen stellen!

Wer sind FAUistas

besorgter bürger

ich versuchs nochmal etwas ausfürlicher

Der Sloterdijk schreibt in seinem Pamphlet das die Reichen im Prinzip von den Armen ausgebeutet werden. Grundlage dafür ist eine Umverteilungssystem das immer mehr Steuern verlangt.
Was der Sloterdijk aber gerne übersieht sind die Staatsschulden. Ein nicht unerheblicher Anteil der erhobenen Steuern wird dazu verwendet die Zinsen für laufende Kredite zu bedienen.
Selbst wenn jemand sein Geld "einfach so" auf der Bank liegen hat ist ein nicht gerade kleiner Teil der 3% Zinsen die es da gibt aus den Zinszahlungen des Staates.
Bei Geldanlagen in Bundesschatzbriefen wird der Zusammenhang dann offensichtlich.

Ab einem bestimmten Kontostand bekommt man dadurch mehr vom Umverteilungskuchen als man einzahlt.
Sloterdijk schreibt die Armen sollten auf die Mildtätigkeit der Reichen vertrauen. Wie wäre es denn wenn die Reichen auf die Rückzahlung der 1.6 Billionen Staatsschulden verzichten und dann darauf vertrauen das der Staat Mildtätigkeiten in Form von Steuersenkungen verteilt.

Die Armen (man sollte vielleicht zwischen Arm und Einkommenslos unterscheiden) müssten den Reichen ihr Leben anvertrauen weil sie elendig verhungen wenn die Reichen dann doch keine Lust auf Mildtätigkeit haben, wärend die Reichen nur riskieren das sie sich nächstes Jahr doch nicht den neusten Mercedes kaufen können.
Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.

Alex22

Sloterdijk ist nach meinem Verständnis ein Asoziales Systemelement. Er liefert den geistigen Hinterbau für die Neofeudalen Staatsfeinde.
Ohne die Armut gibt es keinen Reichtum allerdings nur solange wie diese Armut wächst, wächst auch der Reichtum. In der Stagnation verlieren auch die Reichen und können zu den Armen wechseln.
Oben ist eben nicht alzu viel platz auf der Pyramiedenspitze.

Ein Motor der Armut ist die Wohnungsmiete oder der Hypothekenzins. Diese Furcht vor der Obdachlosigkeit ist die peitsche im Kapitalismus. Da muss sich etwas ändern. Leider wurden aber gerade vor einiger zeit wieder Genossenschaftswohnungen an Kapitalisten übereignet.


Kuddel

Schlotterdijk ist nur ein Laberhannes, der sich gern reden hört und sich noch lieber im Fernsehen sieht.

Jaybird

Naja, seine Analyse von der staatlichen Geldfressmaschine ist nicht ganz daneben - er strauchelt aber an dem Punkt, wo er so tut als sei "der Staat" irgendein Ungetüm das "die Leistungsträger" um ihre Kohle bringt. Ab da redet er Eliten das Wort, und übersieht dabei daß es gerade diese verfaulten Eliten sind, die den Staat für Klientelfütterung gekidnappt haben.

Und wer schon mit der Neidkeule kommt...keine Sorge, HERRRR S., viele Arme haben wesentlich gewichtigere Gründe, bestimmte wohlhabende Cliquen abzulehnen als Neid.

So beschleicht einen das Gefühl, daß der Herr Professor im Grunde bloß sauer ist, seine (steuerfinanzierte) Besoldung auf Lebenszeit wiederum durch den Fiskus gehen zu lassen.

Viele Worte um nichts.

ManOfConstantSorrow

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Troll

ZitatRezension: Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen

Die schwarz-gelbe Bundesregierung war für die Mittelschicht ein absehbar schlechtes Geschäft – und trotzdem hat diese Schicht, die noch immer die weitaus meisten Wahlberechtigten stellt, die ,,Koalition der Mitte" an die Macht gewählt. Wie ist das zu erklären?
Ulrike Herrmann macht in ihrem Buch ,,Hurra wir dürfen zahlen" einen interessanten Versuch diesen ,,Selbstbetrug der Mittelschicht" zu erklären. Wolfgang Lieb

Begütert ist die Mittelschicht nicht: Zu ihr zählt, wer zwischen 1000 und 2200 Euro netto im Monat als Single bzw. 2100 bis 4600 Euro als Ehepaar mit zwei Kindern monatlich verdient. Die Mittelschicht unterstützt in ihrer Mehrheit eine Politik, die vor allem der Oberschicht dient,
- weil es die Reichen verstehen, ihre Macht und ihren Reichtum zu verschleiern,
- weil der Glaube an den Aufstieg in der Mittelschicht ungebrochen ist,
- weil sie ihren Status überschätzt und
- ihre Aufmerksamkeit darauf lenkt, sich von der Unterschicht abzugrenzen.

Diesen Selbstbetrug der Mittelschicht beschreibt Herrmann in ihrem spannend geschriebenen und dennoch faktenreichen Buch.

......

Quelle und vollständiger Artikel: NachDenkSeiten

Gut Konditioniert!

Dazu passt der Artikel "Eingeebnete Gegensätze" vom Blog ad sinistram ganz hervorragend.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

ManOfConstantSorrow

ZitatDas Elend der Philosophie
Chiffren der Gegenaufklärung
Vorabdruck. Mit faschistischem Touch. Der Philosoph Peter Sloterdijk ist ein militanter Vertreter der bürgerlichen Ordnung



Die Sprechpuppe einer radikalen Leistungselite im Spätkapitalismus: Peter Sloterdijk
https://www.jungewelt.de/artikel/420399.das-elend-der-philosophie-chiffren-der-gegenaufkl%C3%A4rung.html

Das deutsche Feuilleton liebt diesen rechten Arsch.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

Da ich Sloterdijk echt widerlich finde, hier noch ein Betrag zu diesem eitlen Schwätzer:

ZitatPhilosophenkritik
Peter Sloterdijk wird gehyped, doch ist er ein Vordenker des Faschismus?
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162037.peter-sloterdijk-philosophenkritik.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

ZitatDie Hochzeit von Geld und Geist

Wo Christian Lindner und Peter Sloterdijk sich begegnen


Als Christian Lindner, Finanzminister der rot-grün-gelben Bundesregierung, im Sommer 2022 heiratet, gibt es einen Skandal nach dem anderen: Friedrich Merz (CDU) fliegt mit seinem Privatjet ein, ein Journalist wird von einem Gast als ,,elender Arsch" bezeichnet; allerseits Aufregung über die Zurschaustellung des Fressens und Saufens der ,,Reichen", die über drei Tage hinweg Hummer, Champagner, Kaviar und andere ,,Delikatessen" in sich hineinstopfen, während ein Viertel der deutschen Bevölkerung in Armut lebt. Bei aller Empörung rückt ein bemerkenswerter Sachverhalt in den Hintergrund: Die Hochzeitsrede für das frisch getraute Paar hält der Philosoph Peter Sloterdijk.
(..)
https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/die-hochzeit-von-geld-und-geist/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

  • Chefduzen Spendenbutton