Bagatellkündigungen: Der Bienenstich-Paragraf

Begonnen von Kater, 19:19:43 Do. 03.Dezember 2009

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Kater

ZitatDer Bienenstich-Paragraf
Von Bruno Schrep

Rausschmiss wegen einer Dosensuppe oder eines Fischbrötchens? Immer wieder entledigen sich Firmen mit derartigen Bagatellkündigungen unliebsamer Mitarbeiter. Rechtspolitiker fordern deshalb neue Gesetze.

Michael Hildebrandt ist ein einfacher Mann, der immer hart gearbeitet hat. Als er in seinem erlernten Beruf als Maschinenschlosser keinen Job mehr fand, sattelte er zum Lageristen um. Jahrzehntelang stapelte er Möbel, sortierte Autoersatzteile, hievte in einem Lebensmittelgroßmarkt schwere Kisten in Regale.

Jetzt, im Alter von 58 Jahren, ist er plötzlich arbeitslos. Die norddeutsche Großhandelsfirma Citti hat ihn gefeuert, weil er aus einem zu Bruch gegangenen Karton eine Milchschnitte gegessen hatte.

Der süße Snack kostet im Supermarkt 26 Cent.

Hildebrandts Schicksal reiht sich nahtlos ein in eine Serie spektakulärer Rausschmisse, die in den vergangenen Monaten die Öffentlichkeit empörten: Einer 58-jährigen Konstanzer Altenpflegerin wurde fristlos gekündigt, weil sie sechs Maultaschen mitnehmen wollte, die eigentlich für die Mülltonne bestimmt waren. Eine Sekretärin sollte trotz 34-jähriger Betriebszugehörigkeit fliegen, weil sie von einem für Gäste bestimmten Imbiss eine Frikadelle und zwei halbe Brötchen verspeiste. Ein Oberhausener Industriearbeiter sollte den Laufpass bekommen, weil er sein Handy an einer Steckdose der Firma auflud - was einen Schaden von 0,014 Cent verursachte.

Gemein ist all diesen sogenannten Bagatellkündigungen: Sie künden von einer bemerkenswerten Verrohung der Sitten auf dem Arbeitsmarkt. Denn sehr oft dienen die Verfehlungen nur als Vorwand, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden.

"Unfassbare Lappalien"

In Krisenzeiten wie diesem Jahr, in denen täglich Tausende Kündigungen ausgesprochen werden, steigt die Anzahl der Arbeitsgerichtsprozesse ohnehin - in Hamburg etwa wird mit einer Zunahme von über elf Prozent gegenüber 2008 gerechnet, in Berlin sind es sogar zwölf Prozent. Und immer wieder sind darunter Prozesse, bei denen es um schier unfassbare Lappalien geht.

Voraussetzung für fristloses Feuern ist laut Paragraf 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches das Vorliegen eines "wichtigen Grundes". Und zwar so wichtig, dass den Vertragspartnern eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses "nicht zugemutet werden kann".

Aber was ist ein wichtiger Grund? Die Mitnahme von drei nicht mehr verkäuflichen Fischbrötchen, wie das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zuungunsten einer Küchenhilfe entschied? Der vermutete Diebstahl eines 500-Gramm-Brotes, wie das Nürnberger Landesarbeitsgericht urteilte und damit den Rausschmiss eines Teigmachers nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit für rechtens erklärte? Das Einlösen zweier Leergutbons im Wert von 1,30 Euro, wie es der Kassiererin Barbara E. in einer Kaiser's-Filiale zum Verhängnis wurde?

Solche und ähnliche Entscheidungen widersprechen eklatant dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach ihnen aus der Seele, als er das Berliner Pfandbon-Urteil "barbarisch" nannte. "Da fehlt doch jedes Gespür für die Lebenswirklichkeit", pflichtet ein alter Christdemokrat bei, der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Dass überhaupt Gerichte und Anwälte in derart lächerlichen Fällen eingeschaltet würden, zeige doch nur, "wie zerrüttet die Verhältnisse schon sind".

"Bienenstich-Urteil" hat Maßstäbe gesetzt

Als Entscheidungsgrundlage vor Gericht muss oft ein als "Bienenstich-Urteil" bekanntgewordener Spruch des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1984 herhalten. Die Bundesrichter hatten über die fristlose Kündigung einer Backwarenverkäuferin zu befinden, die sich ein Stück Kuchen aus der Auslage genommen und verzehrt hatte. Die Entwendung noch so geringwertiger Sachen an sich rechtfertige eine Entlassung, argumentierten die Richter damals - und lieferten Generationen von Arbeitsrichtern die Blaupause.

"Das Urteil wird bis heute ständig wiedergekäut", moniert der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic, heute rechtspolitischer Sprecher der Partei Die Linke. Dabei sei die Bienenstich-Entscheidung von bemerkenswerter juristischer Kälte geprägt: "Ein Kniefall vor der heiligen Kuh vom unantastbaren Eigentum der Arbeitgeber." Werte wie soziale Verantwortung und Menschlichkeit seien unberücksichtigt geblieben.

Einen Rausschmiss wegen Winzdelikten begründen Firmen oft mit dem entstandenen Vertrauensverlust. Der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele hält das in den meisten Fällen für einen Vorwand. Der Fachanwalt, der vor Gericht sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vertritt, hat bei zahlreichen Prozessen eine ganz andere Erfahrung gemacht: "Gekündigt werden nur die, die man loswerden will. Bei zehn anderen passiert beim gleichen Delikt überhaupt nix."

Was die Frage nahelegt, ob Lagerarbeiter Hildebrandt bei Citti auf einer Art schwarzen Liste stand. Sandra Thomsen, die Personalchefin der Großhandelsfirma, will dazu aus "grundsätzlichen Erwägungen" nichts sagen. Jedoch: Andere Kollegen, die sich laut Hildebrandt ebenfalls aus dem beschädigten Karton bedienten, sind bei Citti noch immer in Lohn und Brot.

Fest steht: Michael Hildebrandt war zum Zeitpunkt seiner Kündigung längst nicht mehr so fit wie bei seinem Firmeneintritt 2001. Nachdem er im Lebensmittellager jahrelang schwere Paletten hatte stemmen müssen, hielt er den Job aufgrund eines Bandscheibenvorfalls nur noch mit Hilfe starker Tabletten durch. Ein Arzt bescheinigte ihm degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule, an den Schultern und den Knien sowie Schäden an der Lendenwirbelsäule mit Lähmungserscheinungen an beiden Unterschenkeln.

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,664360,00.html

Zitat2. Teil: Bagatellkündigungen treffen häufig die kleinen Arbeitnehmer

Hildebrandt fehlte häufiger wegen Krankheit, musste zeitweise in eine Klinik, darf laut ärztlichem Attest keine Lasten von über fünf Kilogramm mehr heben. Eigentlich, erklärte ihm ein Vorgesetzter nach einem Reha-Aufenthalt, habe die Firma keine Verwendung mehr für ihn; er wurde in die Joghurt-Abteilung versetzt, wo die Paletten nicht ganz so schwer sind.

Zum Verzehr der Milchschnitte, sagt Hildebrandt, hätten ihn die Kollegen aufgefordert: "Mensch Michael, nimm dir doch auch so 'n Ding, es ist genug für alle da." Der Arbeiter griff deshalb bedenkenlos zu - und war auch völlig arglos, als er zwei Tage später zur Firmenleitung zitiert wurde.

Im Büro lag bereits ein unterschriftsreifer Aufhebungsvertrag, der seinen Abschied zum Monatsende regelte, ohne Abfindung, ohne Einhaltung einer Frist. Unterschreibe er nicht, hieß es in dem Papier, sei eine fristlose Kündigung "unumgänglich". Für diesen Fall, erinnert sich Hildebrandt, sei ihm mündlich mit einer Diebstahlsanzeige gedroht worden. "Völlig überrumpelt" unterschrieb er: "Ich stand unter seelischem Druck, konnte keinen klaren Gedanken fassen."

Betroffen sind meist die am unteren Ende der Lohnskala

Als er tags darauf den Schock überwunden hatte und den Vertrag anfocht, folgte prompt die fristlose Kündigung. Vor dem Hamburger Arbeitsgericht, wo Gewerkschaftsmitglied Hildebrandt von einem DGB-Anwalt vertreten wurde, kam es immerhin zu einem Vergleich: Der Rausschmiss wurde in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt, Hildebrandt erhielt rund vier Monatslöhne als Abfindung.

Heute lebt Hildebrandt von Arbeitslosengeld und Hartz IV. Seine Versuche, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen, sind gescheitert. Auf seine vielen Bewerbungen als Lagerist bekam der alleinstehende Mann bisher nicht eine einzige Antwort.

Seine Geschichte ist exemplarisch. Bagatellkündigungen treffen häufig Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala: angelernte Verkäuferinnen, Altenpflegerinnen, Sekretärinnen, Arbeiter, kleine Angestellte. Menschen, deren Arbeitskraft im Bedarfsfall leicht ersetzbar ist.

In den oberen Etagen geht es meist weniger robust zu. "Schon auf der mittleren Führungsebene gelten andere Wertvorstellungen", weiß Fachanwalt Nägele. Wenn Manager sich Vergünstigungen herausnehmen, dann werde dies oft zähneknirschend geduldet. Und komme es doch zur Trennung, so berichtet der Jurist aus Erfahrung, einige man sich häufig außergerichtlich auf eine generöse Abfindung. Nägeles Fazit: "Es wird mit zweierlei Maß gemessen."

Gilt das auch für die Justiz? Es ist kaum ein Fall bekannt, in dem ein Gericht eine Führungskraft wegen eines Bagatelldelikts um die Existenz gebracht hätte. Im Gegenteil: Das Oberlandesgericht Celle hob zum Beispiel die fristlose Kündigung eines Geschäftsführers auf, der im Verdacht stand, mit einer firmeneigenen Kreditkarte Privatausgaben von umgerechnet rund 83 Euro bezahlt zu haben. Begründung: Ein derart geringfügiger Betrag allein rechtfertige keine außerordentliche Kündigung.

Politiker fordern "Bagatellgrenze"

Damit künftig gleiche Maßstäbe gelten, fordern Rechtspolitiker wie der Linke Neskovic eine "die Arbeitsgerichte bindende Bagatellgrenze" als Grundlage für Kündigungen. Seine Partei will einen entsprechenden Antrag im Parlament einbringen. Auch Umstände wie etwa langjährige Betriebszugehörigkeit und Leistungsbereitschaft sollen mehr als bisher berücksichtigt werden. Und die Möglichkeit, unliebsame Mitarbeiter sogar wegen des bloßen Verdachts auf Kleindiebstähle rauszuwerfen, soll unterbunden werden.

Neben einem solchen "Verbot der Verdachtskündigung" will Anette Kramme, neue arbeitspolitische Sprecherin der SPD, auch durchsetzen, dass jeder Bagatellkündigung zwingend eine Abmahnung vorausgehen muss. Ihre Fraktion will eine diesbezügliche Gesetzesänderung vorschlagen.

"Wenn unsere Arbeitswelt nicht mehr von Ethik bestimmt wird, brauchen wir halt noch mehr Paragrafen", befürwortet Ex-Minister Blüm solche Vorstöße. Auch der Christdemokrat favorisiert eine Bagatellgrenze.

Doch wo soll eine solche Obergrenze enden? Bei 10 Euro? Bei 20 Euro? Bei 100 Euro? Neskovic plädiert dafür, sich am Strafrecht zu orientieren. Diebstähle, bei denen der Warenwert unter 25 Euro liegt, ob am Arbeitsplatz, im Kaufhaus oder im Bus, führen selten zu einer Verurteilung, werden in vielen Fällen wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Um Arbeitgeber vor dem Dauerklau diebischer Angestellter zu schützen, sind freilich Einschränkungen notwendig. Die Schutzvorschrift dürfe nur für das erste Mal gelten, argumentieren Rechtsexperten, sie dürfe nicht als Freifahrtschein missbraucht werden. Schon beim zweiten Vergehen könne die Schadenshöhe nicht mehr der wichtigste Maßstab sein.

"Spätkontrolle! Öffnen Sie bitte Ihre Tasche!"

Gäbe es eine Bagatellgrenze bereits, hätte es einen Fall wie den der Verkäuferin Yvonne Arlt nie gegeben. Der diente sogar als Vorlage für ein Schauspiel, das derzeit auf der Bühne des Stuttgarter Staatstheaters aufgeführt wird; eine Neufassung des Stücks "Nachtasyl" von Maxim Gorki.

Im wirklichen Leben spielt das Drama bei der Drogeriemarktkette Schlecker. Dort, in einer Filiale im Stuttgarter Stadtteil Münster, sortiert die dunkelhaarige Frau seit sieben Jahren Waren ein, schrubbt den Fußboden, sitzt an der Kasse. Manche ihrer Nachbarn nennen sie "Frau Schlecker".

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,664360-2,00.html

Zitat3. Teil: "Bin ich jetzt schuld, dass du keine Arbeit mehr hast?"

Yvonne Arlt geht gern in den Laden, kennt viele Kunden persönlich, steht zu ihrer Firma. Nachdem das Geschäft an Fasching von einem Maskierten überfallen worden war, der ihr eine Pistole an die Schläfe hielt, arbeitete sie, kaum dass die Spurensicherung abgezogen war, weiter, als wäre nichts geschehen. Nur einmal fiel sie auf: Als Gewerkschaftsmitglied beteiligte sich Yvonne Arlt an einem eintägigen Warnstreik für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.

Wenige Tage später, es ist ein schwüler Juniabend und die Verkäuferin allein im Geschäft, zieht ein mächtiges Gewitter über Stuttgart. Kurz vor Feierabend kommt die zehnjährige Tochter, die sich vor Blitz und Donner fürchtet und nicht allein zu Hause bleiben will, verängstigt in den Laden gerannt. Yvonne Arlt setzt sie in einen Nebenraum, erledigt die Abrechnung.

Das Kind quengelt, es habe solchen Hunger auf Suppe, die Mutter, schwer genervt, holt für das Abendessen eine Dose Hühnersuppe, Verkaufspreis 1,99 Euro, aus der Lebensmittelabteilung. Bezahlen kann sie jedoch nicht mehr, sie hat die Kasse selbst gerade geschlossen. "Deshalb schrieb ich einen Zettel für die Kollegin, habe an der Kasse zwei Euro dazugelegt", erinnert sie sich. Als sie die Ladentür abschließen will, steht plötzlich die Bezirksleiterin hinter ihr: "Spätkontrolle! Öffnen Sie bitte Ihre Tasche!"

"Bin ich jetzt schuld, dass du keine Arbeit mehr hast?"

Yvonne Arlt weiß, dass sie gegen die Betriebsordnung verstoßen hat. Personaleinkäufe müssen grundsätzlich von einem anderen Schlecker-Mitarbeiter auf dem Kassenbon gegengezeichnet werden, wer allein im Laden ist, darf nichts mitnehmen. Aus Angst vor Konsequenzen schwindelt sie deshalb, sie habe die Dose bei einer Kollegin bezahlt. Spätabends ruft sie die Bezirksleiterin an, gesteht die Wahrheit. Und versichert, dass sie ja bezahlen wollte.

Die fristlose Kündigung wegen versuchten Diebstahls, verkündet am Tag danach, stürzt die alleinerziehende Mutter, die sich nicht schuldig fühlt, in Verzweiflung. Sie wird krank, kann tagelang nicht essen und nicht schlafen. Ihre Tochter fragt: "Bin ich jetzt schuld, dass du keine Arbeit mehr hast?"

Der Vorwurf des Betriebsrats, der wirkliche Grund für den Rausschmiss sei Yvonne Arlts Teilnahme am Streik, und ihr Beispiel solle anderen Mitarbeitern Angst vor Arbeitskämpfen einjagen, wird vom Drogerie-Discounter zurückgewiesen. "Sachfremde Erwägungen spielen in keinem Fall eine Rolle", erklärte ein Firmensprecher im Gespräch mit dem SPIEGEL. Bei Schlecker werde das Instrument der fristlosen Kündigung stets "sorgfältig und mit Augenmaß" angewandt, "jedoch konsequent und in jedem Fall bestimmungskonform".

Wohl auch deshalb hat Schlecker - nach Intervention von Betriebsrat und Gewerkschaft - die fristlose Kündigung zurückgenommen. Und schrieb Yvonne Arlt zwei Abmahnungen: eine wegen versuchten Warendiebstahls, die andere zum Thema "Aufenthalt am Arbeitsplatz". Sollte die Tochter noch einmal entgegen den Bestimmungen außerhalb der Öffnungszeiten oder in den Nebenräumen in der Filiale angetroffen werden, drohe die "Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Im Klartext: Wenn das Mädchen die Mutter nach Ladenschluss von der Arbeit abholen will, muss sie vor der Tür warten.

Zudem drohte die Firma, ihre langjährige Mitarbeiterin künftig "verstärkt in die Optik" zu nehmen. Seitdem wird während ihrer Dienstzeit häufig kontrolliert, ob keine Produkte mit abgelaufenem Verfallsdatum in den Regalen stehen, ob richtig geputzt ist, ob Yvonne Arlt nichts in die Tasche gesteckt hat. Sie weiß, dass die kleinste Verfehlung nach den zwei Abmahnungen zum Rauswurf führen kann. Doch sie ist heilfroh, noch einen Arbeitsplatz zu haben. Auf Abruf.

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,664360-3,00.html

ManOfConstantSorrow

ZitatGericht kippt Kündigung wegen Pommes-Verzehr

Bochum. Das Akademische Förderungswerk (Akafö), Betreiber der Mensa in der Ruhr-Uni, muss einen langjährigen Küchenhelfer (50) wieder einstellen. Dieser war wegen des angeblichen Verzehrs von zwei Pommes und zwei Frikadellen fristlos gefeuert worden.(...)
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/gericht/Gericht-kippt-Kuendigung-wegen-Pommes-Verzehr-id2276424.html#comments


ZitatSPD will Kündigung wegen Bagatelldelikten untersagen

Die SPD will sich dafür einsetzen, sofortige Kündigungen wegen Bagatelldelikten künftig auszuschließen. Man werde im Januar einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, sagte die arbeitspolitische Sprecherin, Kramme, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Arbeitgeber sollten verpflichtet werden, bei kleineren Vergehen zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Erst im Wiederholungsfall dürfe eine Kündigung in Betracht kommen, erklärte die SPD-Politikerin. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände lehnte die Pläne ab. Das bestehende Recht sei völlig ausreichend, unterstrich BDA-Hauptgeschäftsführer Göhner.
http://www.dradio.de/nachrichten/ 21.12.09 10°°
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kater

Zitat«Nicht jeder Kleinkram muss zur Kündigung führen»

Kassel (APD) Für viele Arbeitnehmer war das Jahr 2009 nicht gerade rosig. Beschäftigten wurden fristlos gekündigt, nur weil sie drei alte Fischbrötchen oder Maultauschen gegessen haben. Das Problem: Es war Betriebseigentum. Vor allem forderten aber auch die Wirtschaftskrise und Missmanagement ihren Tribut. Gerade die Gewerkschaften spüren die zunehmende Verunsicherung der Arbeitnehmer. «Bei uns hat die Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern, die wegen einer Kündigung Rechtsschutz erhalten haben, drastisch zugenommen», sagt Reinold Mittag vom DGB-Rechtsschutz in Kassel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DAPD.

Im vergangenen Jahr seien es noch 20.166 neue Fälle gewesen. Für 2009 geht der DGB Rechtsschutz nach neuesten Hochrechnungen von fast 28.000 zu vertretenden neuen Kündigungsschutzklagen aus.

Im Fokus der Öffentlichkeit standen dieses Jahr vor allem Kündigungsschutzklagen aufgrund von Bagatelldiebstählen. Das Bundesarbeitsgericht geht in seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass bei einem tatsächlichen Diebstahl oder einem begründeten Verdacht das Vertrauensverhältnis so gestört und damit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, wie Mittag erläutert.

Da bestehe Korrekturbedarf: «Denn nicht jeder Kleinkram muss zur verhaltensbedingten Kündigung führen», betont er. Nach dem Gesetz müsse ein wichtiger Grund vorliegen, der die fristlose Kündigung rechtfertigt. Doch ist es ein wichtiger Grund, wenn der Arbeitnehmer rausfliegt, nur weil er ein abgelaufenes Brötchen aus der Verkaufstheke isst, das sowieso weggeschmissen worden wäre?

Hoffnung auf mehr Geld für Zeitarbeiter

«Hier würde ich mir wünschen, dass das BAG seine bisherige Rechtsprechung ändert und diese Kündigungen nicht billigt», forderte Mittag. «Wir haben auch den Verdacht, dass man sich mit Diebstahlvorwürfen missliebige oder unter einem besonderen Kündigungsschutz stehende Mitarbeiter wie Betriebsratsmitglieder oder Behinderte schneller entledigen kann», sagt Max Eppelein, Jurist beim DGB-Rechtsschutz.

Die DGB-Rechtsexperten bestreiten aber den Eindruck, dass die Zahl der verhaltensbedingten Kündigungen zugenommen habe. «In den letzten Jahren ist die Zahl der Kollegen, die wegen solch einer Kündigung bei uns Rechtsschutz erhalten haben, immer etwa gleich geblieben», betont Eppelein. Etwa fünf bis sieben Prozent aller vom DGB vertretenen Arbeitsgerichtsfälle in der ersten Instanz beruhen den Angaben zufolge auf verhaltensbedingten Kündigungen.

Stattdessen ist aber 2009 die Fallzahl der betriebsbedingten Kündigungen nach einer ersten Hochrechnung um etwa ein Drittel auf 22.656 angestiegen. «Arbeitnehmer in Westdeutschland sind von betriebsbedingten Kündigungen eher betroffen als Beschäftigte in Ostdeutschland», sagt Mittag. Hier schlage die Konjunkturkrise voll durch. In Ostdeutschland habe man bereits in der Vergangenheit viele Stellen abgebaut.

Lob für Verlängerung der Kurzarbeiterregelung

Positiv bewerteten die DGB-Experten die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung. Viele Arbeitgeber hätten so ihre Stammbelegschaft halten können. Kommt es doch zu Entlassungen, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl bilden, um sozial Schwache nicht zu benachteiligen, wie Mittag weiter erläutert. Die Unternehmen dürften bei der Sozialauswahl aber Altersgruppen bilden, ergänzt er. Es bestehe hier aber schon mal die Vermutung, dass diese Gruppen so gebildet werden, um Störenfriede leichter loswerden zu können.

2009 mussten sich die Juristen des Gewerkschaftsbunds auch häufig mit Streitigkeiten um eine richtige und angemessene Entlohnung der Arbeitnehmer beschäftigen. Gerade die Auslegung und Gültigkeit von Tarifverträgen stand hier im Mittelpunkt.

So können Zeitarbeiter nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember auf mehr Geld hoffen. Das Gericht hatte entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservicagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Deren flächenweit abgeschlossene Tarifverträge sind danach ungültig, so dass Leiharbeiter ebenso bezahlt werden müssten, wie das Stammpersonal im eingesetzten Betrieb - und zwar rückwirkend.

«Wir empfehlen Zeitarbeitern zu klagen», sagt Mittag. Dann könne man sich seine Ansprüche sichern. Das LAG-Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

http://www.dgbrechtsschutz.de

http://de.news.yahoo.com/1/20091225/tde-dapd-serie-schne-neue-arbeitswelt-ni-3fc80be.html

Kater

alles ganz anders  ???

ZitatBAG-Präsidentin Schmidt: Rechtsprechung nicht herzlos und unsozial

Frankfurt/Main (APD) Kündigungen wegen nichtiger Vergehen von Mitarbeitern haben die Arbeitsgerichte in den vergangenen Monaten beschäftigt und für Aufregung gesorgt. Im DAPD-Interview nimmt die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, Stellung zu solchen Fällen. Nachfolgend der Wortlaut:

DAPD: Unerlaubt verzehrte Maultaschen, mitgenommene Käsebrötchen, unterschlagene Pfandbons - 2009 haben einige weitere Entscheidungen von Arbeitsgerichten für großes Aufsehen gesorgt: Im Kern ging es darum, dass Mitarbeiter für Bagatelldelikte rausgeworfen wurden. Wie beurteilen Sie solche Fälle?

Schmidt: Wir sollten nicht so tun, als machten die deutschen Arbeitnehmer nichts anderes, als Flashmob-Aktionen zu organisieren und irgendetwas zu unterschlagen, und als machten die Arbeitgeber nichts lieber, als Managern Geld hinterherzuwerfen und kleine Leute zu knechten und wegen Kinkerlitzchen auf die Straße zu setzen. Wir haben in Deutschland Millionen von ehrlichen und fleißigen Arbeitnehmern und sozial und gerecht denkenden und handelnden Arbeitgebern, die einander respektieren, verstehen und unsere Wirtschaft am Laufen halten. Sie alle sind Leistungsträger im besten Sinn.

DAPD: Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmern wegen vermeintlicher Nichtigkeiten gekündigt wird. Ist die Mitnahme eines Kugelschreibers - womöglich nach Jahrzehnten tadelloser Arbeit im Betrieb - wirklich so gravierend?

Schmidt: Kündigungen wegen sogenannter Bagatelldelikte beschäftigen die Rechtsprechung schon seit Jahrzehnten. Sie sind kein neues Phänomen. Und um eines klar zu stellen: Der in vielen Medien immer wieder verbreitete Eindruck, die Rechtsprechung sei herzlos und unsozial und bestätige jede Kündigung wegen noch so geringer Verfehlungen ohne Rücksicht auf den Einzelfall, ist ganz einfach falsch. Das Gegenteil ist sogar richtig.

Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Themenkomplex beruhen seit langem auf einer differenzierten und einzelfallbezogenen Herangehensweise. Es finden sich immer wieder, besonders seit der «Bienenstich-Entscheidung» von 1984, drei Grundaussagen...

DAPD: ... darin bestätigte das Bundesarbeitsgericht seinerzeit den Rauswurf einer Bäckereifachverkäuferin, die kurz vor Feierabend ein Stück Bienenstich gegessen hatte und dafür die Papiere bekam...

Schmidt: Die Grundaussagen lauten: Erstens: Entwendungen etc. im Arbeitsverhältnis können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Zweitens: Es gibt keine feststehende Bagatellgrenze. Darüber wird gegenwärtig ja heftig gestritten. Aber wer eine solche Bagatellgrenze fordert, der muss auch sagen, wo sie liegen soll. Und am ehrlichsten beantwortet man solche Fragen, frei nach Kant, indem man sich überlegt, wie viel man sich denn selber ungefragt und heimlich aus der Tasche ziehen lassen würde, ohne darauf zu reagieren.

Drittens: Damit ist aber noch nicht gesagt, dass jedes noch so geringfügige Delikt auch zu einer wirksamen Kündigung führt. Ob die Kündigung dann tatsächlich wirksam ist, entscheidet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erst bei der sogenannten Interessenabwägung.

DAPD: Können Sie denn die Empörung in der Bevölkerung nachvollziehen? Mit anderen Worten: Schadet es der Justiz nicht nachhaltig, wenn Urteile kaum oder wenig Akzeptanz in der Bevölkerung haben?

Schmidt: Ich kann die Empörung vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der Diskussion über zu hohe Managergehälter verstehen. Das Thema von Kündigungen aufgrund von Bagatelldelikten ist aus meiner Sicht nur wegen dieser wirtschaftlichen Rahmendaten so sehr in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.

Dafür spricht, dass die Rechtsprechungslinien seit Jahrzehnten - zumindest seit dem Bienenstichurteil von 1984 - unverändert sind. Die Rechtsprechung hat vor dem Jahr 2009 nie einen Sturm der öffentlichen Entrüstung hervorgerufen.

Was die Akzeptanz betrifft, so ist sicher richtig, dass eine Rechtsprechung, die niemand versteht, ein Problem für die Justiz darstellt. Und die Juristen tun gut daran, Kritik ernst zu nehmen und immer wieder neu nachzudenken. Was einmal richtig war, muss ja nicht immer richtig bleiben. Gerechtigkeit ist auch in diesem Sinne ein Prozess.

DAPD: Müsste es nicht eine Bagatellgrenze auch für arbeitsrechtliche Verfahren geben?

Schmidt: Das ist eine Frage, die der Gesetzgeber beantworten könnte. Ich glaube allerdings, dass er sich damit genau so schwer täte, wie es die Rechtsprechung tut. Nein, ich meine nicht, dass eine Bagatellgrenze das arbeitsrechtliche Problem lösen könnte. Die Umstände des Einzelfalls können sehr stark voneinander abweichen. Stellen Sie sich eine Altenpflegerin vor, die einem alten Mann heimlich 50 Cent aus der Schublade nimmt. Kann man sich vielleicht vorstellen, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall kein Vertrauen mehr hat?

Arbeitsverhältnisse sind Dauerbeziehungen. Sind sie endgültig zerrüttet, wenn der Arbeitgeber objektiv berechtigt das Vertrauen verloren hat, ist es ihm nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Ein objektiv berechtigter Vertrauensverlust setzt aber voraus, dass keine überwiegenden Interessen des einzelnen Arbeitnehmers an der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bestehen.

Ich halte die nötige Interessenabwägung für ein besseres Korrektiv als eine Bagatellgrenze. Eine Bagatellgrenze führt außerdem zu großen praktischen Schwierigkeiten. Wo soll sie liegen? Wie viele Vertragsverstöße durch Bagatelldelikte sind dem Arbeitgeber zuzumuten? Mit anderen Worten: Wie oft darf der Arbeitnehmer in die Kasse greifen?

DAPD: Mitunter sind ja auch Verdachtskündigungen bei solchen Vergehen möglich. Warum gilt die Unschuldsvermutung für einen Straftäter, im Arbeitsrecht hingegen nicht wirklich?

Schmidt: Verdachtskündigungen sind im Arbeitsrecht seit langem umstritten. Der Begriff führt aber ein wenig in die Irre: Es handelt sich nicht um Fälle, in denen nur irgendeine vage Vermutung besteht. Es geht vielmehr um Sachverhalte, in denen wahrscheinlich jeder Nichtjurist überhaupt keine Bedenken hätte, seine Hand ins Feuer zu legen und zu sagen: Der oder die ist es gewesen. Abgesehen davon: Die Unschuldsvermutung hat eine lange Geschichte. Sie ist eine große zivilisatorische Errungenschaft aus der leidvollen Erfahrung unter anderem der Ketzer- und Hexenprozesse. Sie betrifft das Strafrecht, also das Verhältnis von Bürger und Staat.

Das Arbeitsverhältnis dagegen ist in Deutschland ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, wie das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer. Kündigungen sind keine Strafe, auch wenn der Arbeitnehmer sie in der Regel so empfinden wird. Es kommt vielmehr darauf an, ob die privatrechtliche Beziehung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Zukunft so belastet ist, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Wichtiger als dieses Argument ist mir aber hervorzuheben, dass Verdachtskündigungen an sehr strenge Voraussetzungen gebunden sind.

DAPD: Manche Arbeitnehmervertreter sagen, hinter solchen Klagen stehe auch das Interesse von Arbeitgebern - nach dem Motto: Einem Mitarbeiter verhaltensbedingt zu kündigen ist einfacher als aus betrieblichen Gründen. Können Sie das nachvollziehen?

Schmidt: Es ist nicht Sache des Richters, Motivforschung zu betreiben. Er hat den Prozess zu entscheiden. Und da kommt es darauf an, ob der Kündigungsgrund objektiv vorliegt oder nicht. Es mag sein, dass ein Arbeitgeber, der mehrere Kündigungsgründe zu haben glaubt, sich im Prozess auf den konzentriert, den er glaubt, leichter beweisen zu können.

http://de.news.yahoo.com/1/20091227/tde-dapd-serie-schne-neue-arbeitswelt-ba-3fc80be.html

Alan Smithee

ZitatSchmidt: Wir sollten nicht so tun, als machten die deutschen Arbeitnehmer nichts anderes, als Flashmob-Aktionen zu organisieren und irgendetwas zu unterschlagen, und als machten die Arbeitgeber nichts lieber, als Managern Geld hinterherzuwerfen und kleine Leute zu knechten und wegen Kinkerlitzchen auf die Straße zu setzen. Wir haben in Deutschland Millionen von ehrlichen und fleißigen Arbeitnehmern und sozial und gerecht denkenden und handelnden Arbeitgebern, die einander respektieren, verstehen und unsere Wirtschaft am Laufen halten. Sie alle sind Leistungsträger im besten Sinn.

Ja, ne; is klar...Einer Bekannten von mir ist pünktlich zu Weihnachten die fristlose Kündigung angeflattert...Angeblich hat sie während ihrer Arbeitszeit privat im Internet gesurft. Was kompletter Blödsinn ist. 1.) hatte sie gar nicht die Zeit dazu, und 2.) hat sie an der Kasse gearbeitet, wo Videoüberwachung stattfindet.

Hintergrund: der Lohnzuschuss über ARGE läuft Jahresende aus...Ein Fall für das Arbeitsgericht mehr X(
...still dreaming of electric sheep...

Kater

ZitatSturm der Empörung gegen höchste Arbeitsrichterin
Von Susanne Amann und Veit Medick

"Nicht zeitgemäß", "abgehobene Lebenswirklichkeit": Weil sie fristlose Kündigungen wegen Bagatelldelikten verteidigt, fängt sich Arbeitsgerichtspräsidentin Schmidt massive Kritik ein. SPD und Grüne fordern mildere Regeln bei kleinen Vergehen.

Hamburg/Berlin - Richter stehen gemeinhin unter besonderem Artenschutz. Ihr Urteil gilt - ob man es mag oder nicht. Schelte gilt als unfein, kaum ein Politiker traut sich, die Rechtsauffassung der obersten Gesetzeshüter in Zweifel zu ziehen. Doch am Dienstag wollten sich viele nicht an die Etikette halten. "Nicht zeitgemäß", echauffierte sich der grüne Rechtsexperte Jerzy Montag. "Eine ziemlich abgehobene Lebenswirklichkeit", diagnostizierte Gesine Lötzsch von der Linksfraktion. "Irritiert" gab sich die SPD-Abgeordnete Anette Kramme.

Adressat der Kritik: Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt. Schmidt hatte in der "Süddeutschen Zeitung" erklärt, Kündigungen wegen kleiner Vergehen, etwa einer geklauten Frikadelle oder eines Pfandbons, seien völlig selbstverständlich. Kritik daran sei "völlig daneben". Diebstahl und Unterschlagung von geringwertigen Sachen seien seit Jahrzehnten ein Entlassungsgrund. "Es gibt in dem Sinne also keine Bagatellen", sagte Schmidt. Eher frage sie: "Wie kommt man eigentlich dazu, ungefragt Maultaschen mitzunehmen? Das habe wohl etwas mit "fehlendem Anstand" zu tun.

Damit hat Schmidt in ein Wespennest gestochen - denn kaum ein Thema hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten so empört wie die Serie spektakulärer Rausschmisse: Einer 58-jährigen Konstanzer Altenpflegerin wurde fristlos gekündigt, weil sie sechs Maultaschen mitnehmen wollte, die eigentlich für die Mülltonne bestimmt waren. Eine Sekretärin sollte trotz 34-jähriger Betriebszugehörigkeit fliegen, weil sie von einem für Gäste bestimmten Imbiss eine Frikadelle und zwei halbe Brötchen verspeiste. Ein Oberhausener Industriearbeiter sollte den Laufpass bekommen, weil er sein Handy an einer Steckdose der Firma auflud - was einen Schaden von 0,014 Cent verursachte. Der Fall "Emmely" sorgte wochenlang für Schlagzeilen - die Berliner Kassiererin hatte wegen Pfandbons in Höhe von 1,30 Euro ihren Job verloren.

"Bienenstich-Urteil" gab Arbeitsrichtern die Blaupause

Vor Gericht bekamen die Arbeitgeber meist Recht - denn als Entscheidungsgrundlage dient der als "Bienenstich-Urteil" bekanntgewordene Spruch des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1984. Die Bundesrichter hatten über die fristlose Kündigung einer Backwarenverkäuferin zu befinden, die sich ein Stück Kuchen aus der Auslage genommen und verzehrt hatte. Die Entwendung noch so geringwertiger Sachen an sich rechtfertige eine Entlassung, argumentierten die Richter damals ähnlich wie Schmidt heute - und lieferten Generationen von Arbeitsrichtern die Vorlage.

Doch die Kritik gegen die kompromisslose Haltung mehrt sich. Besonders die Opposition im Bundestag verbrüdert sich mit den vermeintlichen Delinquenten. "Frau Schmidts Äußerungen offenbaren ein sehr altmodisches und paternalistisches Bild der Arbeitswelt", findet Grünen-Mann Jerzy Montag. "Als ob es um eine Schicksalsgemeinschaft des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ginge. Das ist nicht zeitgemäß."

"Richter sollten immer mit Augenmaß und Lebensnähe urteilen", meint auch die Kollegin von der Linksfraktion, Gesine Lötzsch. Gerade mit Blick auf die Bankenkrise fehle ihr jedes Verständnis für die harten Urteile bei Bagatelldelikten. "Es kann doch nicht sein, dass jemand wegen einer Frikadelle gehen muss, die Manager der Kreditanstalt für Wiederaufbau aber trotz einer Überweisung von Hunderten Millionen Euro an die bankrotte Lehman-Bank noch immer nicht bestraft worden sind."

Auch die Gewerkschaften fürchten um das Gerechtigkeitsgefühl der Gesellschaft. "Es geht nicht darum, Fehlverhalten von Arbeitnehmern zu verharmlosen", sagt etwa Christoph Schmitz von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. "Aber diese sehr drakonische Bestrafung ist unverhältnismäßig - und umso grotesker, wenn Manager, die versagen oder das Unternehmen sogar in die Pleite führen, noch millionenschwere Abfindungen bekommen."

Zahl von Arbeitsrechtsprozessen rasant gestiegen

Tatsächlich deuten die sogenannten Bagatellkündigungen auf eine bemerkenswerte Verrohung der Sitten auf dem Arbeitsmarkt hin. Denn oft dienen die Verfehlungen nur als Vorwand, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden - und dieser Vorwand wird in Zeiten der Krise gern herangezogen. Das zeigt sich vor allem in der sprunghaft angestiegenen Zahl von Arbeitsrechtsprozessen. So gab es nach Angaben der Landesarbeitsgerichte im Jahr 2009 bundesweit rund elf Prozent mehr Verfahren, in denen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber streiten, die Zahl der Klagen gegen Kündigungen sei mancherorts sogar um mehr als 20 Prozent gestiegen. Dass sieht das Bundesarbeitsgericht allerdings anders: Es gebe keine Zunahme an Kündigungen wegen geringer Vergehen. In Zeiten der Wirtschaftskrise stünden Bagatellkündigungen allerdings mehr im Blickfeld, heißt es dort.

Christoph Schmitz von Ver.di sieht grundsätzlichen Handlungsbedarf. Er fordert, statt einer Kündigung erst einmal eine Abmahnung auszusprechen. Damit werde dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten klargemacht - jedoch ohne die "unmenschliche" Konsequenz des Rausschmisses.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf will die SPD im Januar im Bundestag einbringen. Kündigungen sollen demnach erst im Wiederholungsfall in Betracht kommen. "Es geht nicht darum, den Sanktionscharakter aufzuheben", verteidigt sich Initiatorin Anette Kramme gegen Kritik von Anwalts- und Richtervereinen, die eine Legalisierung von Diebstählen fürchten: "Nur ist bei den meisten Bagatelldelikten die massive Sanktion der Kündigung schlicht unverhältnismäßig."

Auch die Grünen sehen Änderungsbedarf. "Nicht bei jeder Petitesse darf gleich mit der Keule der Kündigung zugeschlagen werden", meint Rechtsexperte Montag. "Wir werden daher ebenfalls einen Gesetzentwurf einbringen, nach dem Abmahnungen die Regel sein sollen."

Führungskräfte werden verschont

Dass die Vorstöße für eine mildere Gesetzgebung vor allem von Seiten der SPD und der Linken kommen, erstaunt nicht. Denn Bagatellkündigungen treffen häufig Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala: angelernte Verkäuferinnen, Altenpflegerinnen, Sekretärinnen, Arbeiter, kleine Angestellte - also Menschen, deren Arbeitskraft im Bedarfsfall leicht ersetzbar ist.

In den oberen Etagen dagegen geht es meist weniger schnell zur Sache. So ist zum Beispiel kaum ein Fall bekannt, in dem ein Gericht eine Führungskraft wegen eines Bagatelldelikts um die Existenz gebracht hätte. Im Gegenteil: Das Oberlandesgericht Celle hob zum Beispiel die fristlose Kündigung eines Geschäftsführers auf, der im Verdacht stand, mit einer firmeneigenen Kreditkarte Privatausgaben von umgerechnet rund 83 Euro bezahlt zu haben. Begründung: Ein derart geringfügiger Betrag allein rechtfertige keine außerordentliche Kündigung.

Und genau das empört die Menschen. "Bei ihren Managern sind die Unternehmen deutlich großzügiger als bei normalen Arbeitnehmern", kritisiert denn auch Ver.di-Mann Schmitz - und fordert zumindest Gleichbehandlung.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,669468,00.html

Strombolli

In manchen Beiträgen kommt es ja schon durch: Wenn der Staat oder spekulierende Bänker, unfähige Beamten (Steuerverschwendung) oder preisabsprechende Konzerne dem Bürger in die Tasche greifen ist das OK?

>>Zitat des Tages
"Jeder frage sich mal, wie viel er sich denn aus der eigenen Tasche nehmen lassen würde, bevor er reagiert."
Ingrid Schmid, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), in der Süddeutschen Zeitung über sogenannte Bagatellkündigungen<<

Darf ich antworten? - Ich reagiere: erstens, indem ich für Ausgleich sorge. (interpretiert darein was ihr wollt!) - zweitens, indem ich keine Gelegenheit auslasse, diesen Staat als Unrechtsstaat (nachfolgende, höhere Gesellschaftsstrukturen werden mir Recht geben!) bezeichne.
Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

"Hört auf, Profite über Menschen zu stellen!" Occupy
Permanent angelogen & VERARSCHT IN DEUTSCHLAND! - Ich habe mit Dir fertig

vampyrella

Um mal meinen Senf dazugegeben zu haben:
Wer wessen Vertrauen missbraucht ist doch eigentlich die Frage.
Es fügt niemand wirtschaftlichen Schaden zu, wenn eine Maultasche ,die eh weggeworfen werden würde oder eine Milchschnitte aus einem Karton der nicht mehr zum Verkauf weitergegeben darf gegessen wird.
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall die Person, die die Situation des Arbeitnehmers ausnutzt. Selbst eine Abmahnung in den o.g. Fällen halte ich für überflüssig.
o
L_/
OL This is Schäuble.
Copy Schäuble into your signature to help him on his way to Überwachungsstaat.

Kater

ZitatKündigung eines Müllmanns wegen Kinderbetts ist unwirksam

Mannheim (apn) Die Kündigung eines Müllmanns, der ein weggeworfenes Kinderbett an sich genommen hat, ist unwirksam. Das hat das baden-württembergische Landesarbeitsgericht in Mannheim am Mittwoch im Berufungsverfahren entschieden. Die Entsorgungsfirma, bei der Mehmet G. beschäftigt war, hatte ihm im Dezember 2008 fristlos gekündigt, weil er aus einem Altpapiercontainer ein Kinderreisebett mitgenommen hatte. Die Firma hatte ihm Diebstahl vorgeworfen. G. hatte gegen die Kündigung geklagt.

Der Vorsitzende Richter Guido Schlünder sagte, dass Mehmet G. zwar einen Pflichtverstoß begangen habe. Dieser rechtfertige jedoch nicht «die Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses». G. hatte mehr als acht Jahre für das Unternehmen gearbeitet. Da das Bett außerdem im Müll gelegen habe und habe entsorgt werden sollen, seien «die wirtschaftlichen Interessen der Firma nicht berührt» worden, sagte Schlünder. Deswegen sei die Kündigung unverhältnismäßig.

Damit bestätigte das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom Juli 2009, gegen das die beklagte Firma in Berufung gegangen war. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Bei der Berufungsverhandlung am Mittwochvormittag waren sowohl der Kläger Mehmet G. als auch ein Geschäftsführer des Unternehmens anwesend. G. hatte nach der Verhandlung gesagt, dass er nicht mehr bei der Firma arbeiten wolle. Es sei ihm bei dem Prozess vor allem um die Ehre gegangen, er wolle nicht als Dieb hingestellt werden.

Angeklagter war sich keines Unrechts bewusst

Die Anwältin des Unternehmens, Eva Albrecht, hatte vor Gericht gesagt, die Mitarbeiter seien darüber informiert worden, dass die Mitnahme von Gegenständen ohne ausdrückliche Genehmigung des Arbeitgebers nicht gestattet sei. Der 30-jährige G. hatte dagegen während der Verhandlung versichert, er sei sich keines Unrechts bewusst gewesen. Ein Kollege habe ihm das Bett gebracht. Nachdem sie festgestellt hätten, dass es noch in Ordnung sei, habe er das Bett für seine Tochter mit nach Hause nehmen wollen.

Bei der Urteilsverkündung am Nachmittag war keiner der zwei Parteien anwesend.

http://de.news.yahoo.com/1/20100210/tde-kndigung-eines-mllmanns-wegen-kinder-3fc80be.html

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