Tunesien

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 14:20:07 Mi. 29.Dezember 2010

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

ManOfConstantSorrow

Unsere Presse berichtet über "moslemische Staaten", als seien die Menschen dort unsere Feinde, die nur darauf warten uns mit Sprengstoffgürteln wegzubomben.

Ich möchte darauf hinweisen, daß die Staaten des "Freien Westens" bestens mit den korrupten Regierungen (in Nordafrika, im Nahen Osten oder sonstwo) zusammenarbeiten und blühende Geschäfte betreiben. Die westlichen wie muslimischen Regierungen fürchten sich keineswegs voreinander, sondern vor der eigenen Bevölkerung.

In vielen muslimischen Staaten gibt es (von unserer Berichterstattung übergangene) soziale Konflikte, die sich gleichzeitig gegen die unerträgliche Lebenswirklichkeit der Bevölkerung, alsauch gegen die korrupten Regierungen und die Macht der Mullahs wenden. Deshalb starte ich nach "Algerien" und "Pakistan" nun (aus gegebenm Anlaß) einen Thread über "Tunesien".

ZitatTunesien: Es gibt kein ruhiges Hinterland

Im armen und abgehängten Hinterland der Küste finden erneut massive soziale Unruhen statt. Dieses Mal erschüttern sie die Kreisstadt Sidi Bouzid. Zwei Selbstmord(versuch)e von Arbeitslosen in aller Öffentlichkeit fanden dort innerhalb von weniger als acht Tagen statt: am vergangenen Freitag und gestern Abend. Am vorigen Wochenende und zu Anfang dieser Woche kam es darüber hinaus zu heftigen Straßenkämpfen...


Die tunesische Jugend hat keine Angst mehr vor der Polizei. Jedenfalls nicht in der Kreisstadt Sidi Bouzid, 40.000 Einwohner/innen, circa 265 Kilometer süd-südwestlich der Hauptstadt Tunis gelegen. Das ist neu: Das nordafrikanische Land, das in Westeuropa - aufgrund des Hotelbooms für Dummtouristen (solche ohne Interesse für Gesellschaft & Leute) - fälschlich als idyllisches Quasiparadies betrachtet wird, ist ein ,,effizienter" Polizeistaat. Letzterer schafft es bislang sogar, effektiv das Internet zu zensieren, woran sich manch' andere Regimes die Zähne ausbeißen, denkt man nur an die Diktatur im Iran. Regiert wird er von einer Clique, die aus den Familienangehörigen von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali und vor allem der erweiterten Sippschaft seiner um mehrere Jahrzehnte jüngeren Gattin Leila Trabelzi besteht und sich hemmungslos selbst bereichert. Wie dank der Publikation der WikiLeaks-Dokumente jüngst herauskam, betrachten US-Diplomaten das dort herrschende Pack ganz offen als, wie sie sich wörtlich ausdrücklich, ,,Quasi-Mafia".

Tunesien ist in vielfacher Hinsicht ein zweigeteiltes Land: Die Mittelmeerküsten im Norden und Osten Tunesiens profitieren von einem (sehr) relativen ,,Boom", dank der Investitionen für den Dummtourismus und der Ansiedlung von Niederlassungen - oft europäischer - Firmen der Textilindustrie sowie im Autozulieferergewerbe. Hingegen wird das Hinterland, vor allem der größere Süden Tunesiens, weitgehend vernachlässigt und sich selbst überlassen. Die offizielle Arbeitslosenquote im Land beträgt 15,7 %, in Wirklichkeit liegt sie jedoch - allen halbwegs unabhängigen Beobachter/inne/n zufolge - deutlich höher. Noch wesentlich höher ist sie in Südtunesien, wo sie in ganzen Landstrichen 30 bis 40 Prozent beträgt. Ebenso wie in Marokko ist auch in Tunesien das Phänomen der ,chômeurs diplômes' bekannt, der Erwerbslosen mit Hochschulabschluss. Tatsächlich steigert in diesen Ländern die Tatsache, ein Universitätsdiplom zu besitzen, eher das Arbeitslosigkeits-Risiko denn die Jobchancen: Die höheren Positionen in der Ökonomie & Verwaltung sind alle fest in der Hand der herrschenden mafiösen Seilschaften, und die Industrie suchte eher ,,gering qualifizierte" Arbeitskräfte für nach Tunesien ausgelagerte ,,niedrige" Tätigkeiten...

Einer dieser ,,Arbeitslosen mit Hochschulabschluss" ist Mohamed Bouazizi, 26 Jahre alt. Er verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er als ,,Schwarzhändler" Obst & Gemüse feilbot - und war der einzige Verdiener in seiner Familie. Wiederholt wurden seine Waren durch die örtliche Polizei beschlagnahmt, die, wie üblich, Willkür ausübte und sich dabei zusätzlich noch selbst bereicherte. Vergangene Woche war es dem jungen Mann nun zu viel, und er ging sich beschweren - erst beim Rathaus, wo man ihn hinauswarf, und dann bei der Polizeistation, wo man seine Strafanzeige nicht entgegen nahm. Daraufhin übergoss er sich vor der Polizeistation mit Benzin und zündete sich an. Derzeit wird er in einem Spezialkrankenhaus in Tunis mit schweren Verbrennungen behandelt.

Sobald die Nachricht bekannt wurde, versammelten sich am vergangenen Freitag Dutzende von Straßenhändler,,kollegen" und Jugendlichen vor dem Polizeigebäude zu einem, friedlich bleibenden, Sit-in. Am Samstag ging es weiter, doch dieses Mal vertrieb die Polizei die Protestierenden unter Einsatz von Tränengas und Knüppeln. Doch dies führte erst recht zum Aufflammen des Protests: In der Nacht und am Sonntag kam es zu ,,Gewalttätigkeiten". Die örtliche Niederlassung der Staatspartei RDC wurde beschädigt, Polizisten bekamen Steinwürfe ab, wobei drei von ihnen verletzt wurden. Abfallbehälter, Autoreifen und ein vor der Polizeiwache geparkter Wagen gingen in Flammen auf. Mehrere Dutzend Protestteilnehmer sollen festgenommen worden seien, von denen fünf am Montag wieder freigelassen wurden. Erst am gestrigen Mittwoch wurde eine allmähliche ,,Beruhigung" der Lage vermeldet.

Am gestrigen Mittwoch Abend kam es unterdessen vor Ort zu einem neuen Drama, wie heute (über Sidi Bouzid hinaus) bekannt wurde: Der junge Arbeitslose Houcine Neji, 24 Jahre alt, kletterte auf einen Strommast und stürzte sich vor den Augen einer Menge - die sich inzwischen unten versammelt hatte - in die 30.000 Volt-Leitungen.

Bernard Schmid, 23.12.2010
http://www.labournet.de/internationales/tn/sidibouzid1.html




außerdem:
http://www.philibuster.de/themen/alte-welt/proteste-tunesien-steht-auf.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

ZitatOhne die Silvesterfeiern stören zu wollen:
Tag 14 des Aufstands in Tunesien

von Karim El-Gawhary



Das Foto zeigt die Festnahme eines jungen Mannes in der tunesischen Stadt Hamma. Er hat versucht den Ort der dortigen Protestveranstaltung gegen Präsidenten Ben Ali zu erreichen,

Es war nicht einfach, die tunesischen Protest zu Beginn einzuschätzen, aber inzwischen darf man das Ganze nicht unterschätzen.

In einem lesenswerten Kommentar (http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2010/dec/30/tunisia-uprising-egypt-hostages) im Guardian heißt es dazu:

ZitatWas wir in Tunesien heute erleben, ist die Geburt einer authentischen, nationalen, einheimischen Volksbewegung, nicht gegen Kolonisatoren und ausländische Besatzer, sondern gegen das eigene repressive Regime (...). Jahrelang haben sich Schreiber über die "arabische Krankheit" beschwert, über die Art und Weise, wie sich die Araber daran gewöhnt haben, die Rolle des Opfers zu spielen und sich gegenüber ihren Tyrannen Hause passiv zu verhalten".
Gestern kam erneut ein junger Mann in Sfax um. Er war während der Proteste von den Sicherheitskräften in den Rücken geschossen worden und verstarb im Krankenhaus.

Das folgende Video zeigt das Vorrücken der Polzei gegen Demonstranten in Feriana vor zwei Tagen

http://www.youtube.com/watch?v=uSyncBoRLlE&feature=player_embedded

In diesem Link findet sich eine Video  http://24sur24.posterous.com/video-demo-in-jendouba-by-night-sidibouzid-fb vom nächtlichen Protest in Jendouba.

Ein Blick auf die Karte http://blogs.taz.de/arabesken/2010/12/26/worueber_nicht_berichtet_wird_elendsaufstand_in_tunesischer_kleinstadt/ zeigt, dass sich die Proteste inzwischen auf weite Teile des Landes ausgeweitet haben, seit sie in Sidi Bou Zid vor zwei Wochen begonnen haben.

http://www.youtube.com/watch?v=CwB1kRXzsBs&feature=player_embedded

http://www.youtube.com/watch?v=8qfwT8QCB3Y&feature=player_embedded

Die Versuche in Monastir zu demosntrieren wurde von der Polzei unterdrückt, ebenso wie der Protest von Anwälten in Sousse. Eine Demonstration in Maktar fand dagegen statt.

Nur eine Idee: vielleicht könnten in Deutschland, Österreich und der Schweiz lebende Tunsesier diesen Blog nutzen, um Informationen über die Proteste auszutauschen. Ich würde dann versuchen, die Postings zu bündeln. Wer Tunesier und Tunesierinnen kennt, der kann ihnen vorschlagen, diesen Blog als Forum zu benutzen.

In diesem Sinne wünsche ich nocheinmal eine guten Rutsch ins neue Jahr, mal sehen, was dieses uns bringt:

in Tunesien, bei der Nachfolgefrage Mubaraks in Ägypten, einen friedlich oder unfriedlich auseinanderbrechenden Sudan, möglicherweise eine erneute Eskalation in Gaza, einen poltisch instabilen Libanon, einen halbtoten König in Saudi Arabien und dann ist das immer noch die große Frage, wie es mit dem Iran weitergeht.
Prost
http://blogs.taz.de/arabesken/2010/12/31/ohne_die_silvesterfeiern_stoeren_zu_wollen_tag_14_des_aufstands_in_tunesien/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Ben Ali, die Studenten, die Mafia und Anonymous

Thomas Pany 04.01.2011
Die sozialen Unruhen in Tunesien könnten dem Alleinherrscher gefährlich werden. Zensurmaßnahmen und das Schweigen der ausländischen Medien schirmten die Proteste von einer größeren Öffentlichkeit ab. Das ändert sich jetzt

Man glaubt sich in aufgeklärten Zeiten; das verhindert aber nicht, dass billige Theaterkulissen wirksam als Realität verkauft werden. So etwa, wenn es um Tunesien geht. Tunesien wird als wirtschaftlich prospierendes Land dargestellt, als eine Oase der Stabilität in einer Region, für die das nicht selbstverständlich ist. Doch ist die Darstellung Fassade. Das Dahinter zeigt sich als Billiglohnland, Polizeistaat und Journalisten- Gefängnis. Das schreckt ab. Von solchen Realitäten will man nicht viel wissen. Der Ferienhimmel über dem Billigtourismusland soll ungetrübt bleiben, ebenso die lukrativen Handelsbeziehungen mit Europa. Das wäre eine Erklärung dafür, weshalb man in den Medien hierzulande kaum etwas von den Unruhen erfährt, die sich in Tunesien seit dem 19. Dezember aufschaukeln.


weiter:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33966/1.html

ManOfConstantSorrow

ZitatTausende Anwälte in Tunesien legen aus Protest Arbeit nieder

Tausende Anwälte haben in Tunesien am Donnerstag ihre Arbeit niedergelegt, um gegen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte bei einer Solidaritätskundgebung von Juristen zu protestieren.


Tausende Anwälte haben in Tunesien am Donnerstag ihre Arbeit niedergelegt, um gegen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte bei einer Solidaritätskundgebung von Juristen zu protestieren. Rund 95 Prozent der landesweit 8000 Anwälte hätten sich an dem Streik beteiligt, sagte der Präsident der nationalen Anwaltskammer, Abderrazak Kilani, der Nachrichtenagentur AFP. Aufrechterhalten wurde demnach lediglich ein Notdienst für besonders dringende Fälle. Der Streik sei sowohl in der Hauptstadt Tunis als auch in weiteren Städten ohne Zwischenfälle verlaufen.
http://www.stern.de/news2/aktuell/tausende-anwaelte-in-tunesien-legen-aus-protest-arbeit-nieder-1640744.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

BGS

Ich kann von hier, aus Skandinavien, die absolut miese und undemokratische Lage im Billiglohnland, Polizeistaat und Journalisten- Gefängnis Tunesien bestätigen. Denn im gleichen Sprachkurs sitzt eine junge Tunesierin, die alles Gesagte bestätigt und deswegen abgehauen ist, trotz sehr guter Ausbildung.

Mfg

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

ZitatTote bei sozialen Unruhen in Tunesien und Algerien
Protest gegen Arbeitslosigkeit und teure Lebensmittel

Unruhen in Nordafrika: In Tunesien sind bei Protesten gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen. In Algerien richtet sich der Protest gegen steigende Lebensmittelpreise. Auch hier starben Menschen.


Bei den sozialen Unruhen in Tunesien kamen mindestens 23 Menschen ums Leben. Das berichtete die Zeitung "Le Monde" auf ihrer Website. Die Zahl der Opfer kann nach Angaben von Gewerkschaftern noch steigen, da es viele Schwerverletzte gibt, die in Lebensgefahr schweben. Die 23 Tunesier kamen durch Schussverletzungen ums Leben, hieß es in inoffiziellen Berichten. Die tunesische Regierung gab die Zahl der Opfer am Samstagabend offiziell mit 14 an.
Frust entlädt sich

Tunesien wird seit mehr als drei Wochen von schweren sozialen Unruhen erschüttert, in denen sich der Frust über die Arbeits- und Perspektivenlosigkeit bahnbrechen. Mindestens vier Menschen, unter ihnen zwei 17-Jährige und ein 26 Jahre alter arbeitsloser Hochschulabsolvent, haben sich aus Protest öffentlich selbst verbrannt. Zwei von ihnen starben an ihren Brandverletzungen.

Am Wochenende war es vor allem in den Orten Kessarine, Tala und Regueb im Zentrum des Landes zu Ausschreitungen gekommen. Die Opposition wirft der Regierung vor, die Armee einzusetzen und dadurch zur Eskalation beizutragen.

Seit sich am 17. Dezember der arbeitslose Akademiker in Sidi Bouzid im Landesinneren selbst angezündet hatte, breiten sich die Proteste gegen die Regierung immer weiter aus. Das tunesische Innenministerium bezeichnete den Einsatz von Waffengewalt am Wochenende als "legitime Selbstverteidigung". Die Demonstranten hätten die Polizisten mit Steinen und Brandsätzen attackiert.

1.000 Festnahmen in Algerien

Im benachbarten Algerien kamen nach einer ersten offiziellen Bilanz bislang drei Menschen ums Leben. Innenminister Dahou Ould Kablia bestätigte den Tod von drei jungen Menschen bei den Demonstrationen. Bei den seit Tagen andauernden Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise seien zudem 826 Menschen verletzt worden, darunter 763 Polizisten. Etwa 1.000 Menschen seien vorläufig festgenommen worden. Die Regierung kündigte an, den gewaltsamen Protesten ein Ende zu bereiten und die inhaftierten Demonstranten, darunter zahlreiche Minderjährige, verurteilen zu lassen.

Offenbar um die Lage zu beruhigen, kündigte die Regierung vorübergehende Preisnachlässe für Speiseöl und Rohzucker bis Ende August an. Wegen der Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel um bis zu 30 Prozent kam es seit Mittwoch zu Ausschreitungen in verschiedenen Städten Algeriens.

In Annaba, 600 Kilometer westlich von Algier, wurden bei Auseinandersetzungen zwischen jungen Demonstranten und Ordnungskräften insgesamt 21 Menschen verletzt. Mehrere Verwaltungsgebäude wurden geplündert. In Tizi Ouzou blockierten Demonstranten am Samstag eine wichtige Einfallstraße mit brennenden Reifen. In Algier wurden Steine auf Polizisten geschleudert. Am Sonntag beruhigte sich die Lage überall etwas.
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,8190472,00.html

Aloysius

Heute abend beim CD-Stammtisch hier in Kiel kann ich da einiges zu Tunesien erzählen. Meine Mutter ist mal wieder gerade da im Urlaub. Muss mich derzeit grade ein wenig fremdschämen...
Reden wir drüber

Kuddel

ZitatTunesien: Mehr als 50 Tote bei Protesten

Kritik: Europa stellt sich taub und blind


Trotz massiver Gewalt von Polizei und Armee geht die Jugendrebellion in Tunesien weiter. Die Zahl der Toten nach den Protesten am Wochenende hat sich auf an die 50 erhöht. Das Land ist in Flammen, sagt die im spanischen Exil lebende tunesische Menschenrechtsaktivistin Sihmen Bensedrine.

Von Regime ins Exil getrieben

Sihem Bensedrine kennt das, wovon sie spricht. Weil sie Unangenehmes über das Regime berichtet hat, wurde sie verfolgt, zusammengeschlagen, eingesperrt, bis sie schließlich ins Exil ging. Mit ihren Mann betreibt sie ein Internetradio, dass - über freiwillige Korrespondenten - stündlich über die Vorgänge in Tunesien berichtet. Über 50 Tote sind laut ihrer Organisation "Conseil de Liberté" die Bilanz der Unruhen.

50 Tote und 50 Schwerverletzte

Bensedrine: "Wir haben eine Liste mit 35 identifizierten Toten, weitere 15 sind noch nicht identifiziert. Es sind von Kugeln zerschossene Körper, die bei Friedhöfen oder in Flüssen aufgetaucht sind. Schwerverletzte liegen in Spitälern - die Zahl ist sicher höher als 50."

"Regime hat sich entlarvt"

Die Polizei hat vor allem in den Städten Talah, Kasserine, Regueb gewütet: "Polizei und Todesschwadronen des Präsidenten haben die Städte im Zentrum und im Westen des Landes durchkämmt und nicht nur auf Demonstranten geschossen. Sie haben Leute aus ihren Wohnungen gezerrt, an den Stadtrand gebracht und sie getötet."

Das Regime habe sich entlarvt, als grausame Diktatur: "Jetzt sind sie Mörder, es ist eine mafiöse Diktatur, die häufigsten Slogans der Proteste sind: gebt dem Volk das Geld zurück, Ben Ali verschwinde! Das Volk will dieses Regime nicht mehr, das von den Europäern gestützt wird. Beim Iran gab es laute Kritik. In Tunesien sind wir in der vierten Woche, und nicht geschieht! Nichts gemessen an den vielen Toten."

Europa reagiert nicht

Europe stelle sich blind und taub, weil es fürchte, dass Tunesien, sein islamisches Vorzeigeland, zusammenbricht. Sihmen Besedrine attackiert besonders Frankreich, das die Diktatur von Präsident Ben Ali von Anfang an unterstützt hätte. Bensedrine ist aufgewühlt: "Lieber lassen sie zu, dass die Tunesier verrecken, als ihr Modell aufzugeben. Sie sehen im Land eine Bastion gegen den Terrorismus, gegen den Islamismus.

Keine Islamisten

Und es gibt auch keine Islamisten bei den Unruhen, sagt Sihem Besedrine: "Die Realität widerlegt das. In den ganzen vier Wochen seit Beginn der Ausstände waren weder islamistische Slogans zu hören, noch Bärtige zu sehen, nichts dergleichen, nur Slogans gegen die Diktatur."

Polizei legt Feuer

Die einzige irgendwie oppositionelle Kraft, die derzeit in Tunesien funktioniere, sei die Gewerkschaftzentrale, die sich hinter die Demonstrationen gestellt habe und ein Ende der Polizeigewalt verlangt. Aber wie es weitergehen soll, wisse niemand. Das Regime habe jede Art von politischen Alternativen erstickt: "...und das Resultat haben wir jetzt: Das Land ist in Flammen, aber nicht die Demonstranten legen das Feuer, es ist die Polizei, die die Menschen gesehen und gefilmt haben, wir sie Feuer legt, um ihr Schießen und Töten zu rechtfertigen.
http://oe1.orf.at/artikel/266807

Kuddel

ZitatFrankreich bietet Polizeihilfe an

Unterdessen erklärte die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie am Dienstag Nachmittag gegen 16.30 Uhr in der Nationalversammlung in Paris, Tunesien (und Algerien) ,,polizeiliches Know-How" anzubieten. Dieses könnte es den - in ihren Augen überforderten - Polizeien beider Länder erlauben, ,,sowohl die Sicherheit als auch das Demonstrationsrecht zu gewährleisten". Tunesische Migrantenvereine in Frankreich haben am heutigen Donnerstag auf diesen Hohn in zwei Kommuniqués geantwortet.

Die Rolle der neuen Informations- & Kommunikationstechnologien

Behaupte noch mal jemand, was sich in der virtuellen Welt des Internet abspiele, habe überhaupt keinen Einfluss auf das ,,wirkliche Leben" in der Gesellschaft. Jedenfalls in Ländern wie Tunesien, wo nahezu sämtliche Informationen nur zensiert zu erhalten sind, spielen die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien mitunter eine zentrale Rolle für kollektives soziales Handeln. Helfen sie doch dabei, die Zensur und den allgegenwärtigen offiziellen Meinungsfilter zu umgehen und sich – etwa über Facebook und anderen ,,soziale Netzwerke" – auszutauschen. Zumindest, bis die Repression dann auch gegen die Akteure auf diesen neuartigen Kampffeldern zuschlägt.

http://www.labournet.de/internationales/tn/sidibouzid1.html

http://www.labournet.de/internationales/tn/tunisiapower.pdf
http://www.labournet.de/internationales/tn/benali3.html
http://www.labournet.de/internationales/tn/benali4.html

Kuddel

ZitatTunesien: "Yes, we really can"

Thomas Pany 15.01.2011
Nach der Flucht des Tyrannen: Der soziale Protest in dem arabischen Land hat eines seiner großen Ziele erreicht
Nach einem vergeblichen Abstecher nach Paris und einigen Mittelmeerstationen hat sich Zine el-Abidine Ben Ali in einem  Zickzack-Flug nach Saudi-Arabien abgesetzt. Frankreich wollte ihn nicht aufnehmen, nur seine Töchter. Ob er wie Idi Amin, der sich 1979 ins saudische Königsreich geflüchtet hat, dort bis zu seinem Tod bleiben wird?


Die Antwort darauf ist nicht so nebensächlich, wie es den ersten Anschein hat. Denn der geflohene Staatspräsident ist offiziell nicht zurückgetreten und diese Formalie kann durchaus ernstzunehmende politische Folgen für die nächste Zukunft des Landes haben, wie der britische Journalist Brain Whitacker [extern] ausführt Die Handlungsfähigkeit und Legitimität der Interims-Regierung ist dadurch eingeschränkt - falls man sich an die Verfassung hält, wofür im gegenwärtigen Chaos vieles spricht.

Im düstersten Fall, so Whitacker, bleibt für Ben Ali die Möglichkeit offen, die tunesische Krise in Saudi- Arabien auszusitzen, während sein "Statthalter", der Interims-Staatschef Premierminister Mohammed Ghannouchi, die Verhältnisse in Ben Alis Sinne gestaltet. Das sei möglicherweise die Option, mit der Ben Ali kalkuliere. In jedem Fall habe Saudi-Arabien über ihn die Möglichkeit, tunesische Politiker im Hintergrund zu manipulieren.

[Update: Der Verfassungsrat hat Foued Mbazaa zum Interims-Präsidenten ernannt. Damit sei eine Rückkehr Ben Alis ausgeschlossen, schreibt Libération]

Polizei und Plünderer

Spekulationen, Ängste und Jubel mischen sich am Tag nach der Flucht des Tyrannen. Zerstörungen und Plünderungen von großen Supermärkten, insbesondere der französischen Carrefour, Casino und Géant, haben die Bewohner der Vorstädte in Angst versetzt, berichtetder Nouvel Observateur. Das Magazin erwähnt dabei Gerüchte, die auf Twitter in mehreren Variationen kursieren - auch mit Bildern, die Plünderer zeigen, die ihre Beute in ein Polizeiauto schleppen.

Die maskierten Plünderer-Banden sollen sich öfters aus Polizisten, Milizionären und Verbrechern zusammensetzen, die absichtlich freigelassen wurden, um Panik und Chaos zu nähren. Tatsächlich, so der Magazinbericht, hätte eine Quelle in der Armee bestätigt, dass die verhaftete Plünderer zum allergrößten Teil Polizisten und aus der Haft entlassenen Kriminellen seien.

Während die Armee als loyal der Bevölkerung gegenüber gilt - was sicher auch dazu beigetragen hat, dass sich der Autokrat nicht mehr halten konnte - wird die Polizei als brutaler Arm des Regimes Ben Ali gesehen. Nicht ohne Grund: ein Großteil der Toten bei den Unruhen geht höchstwahrscheinlich auf das Konto bestimmter Polizeieinheiten. Die Botschaft der Gewaltakte und Plünderungen ist klar: "Wir sind noch da und an keine Regel gebunden."

In welche Richtung geht Tunesien?


Vom bis zur gestrigen Regierungsauflösung amtierenden Außenminister wurde der Vorschlag einer Regierung der nationalen Einheit auf den Tisch gelegt. Wie sich die Machtbalance zwischen den verbleibenden Kräften des alten Regimes, der Opposition - bislang verbotene Parteien und Gewerkschaften - , und der Protestbewegung austarieren wird, ist momentan noch nicht abzusehen.

Ein Indiz dafür, welche Richtung die Politik Tunesiens unmittelbar nach der Flucht Ben Alis nimmt, könnten jene Namen liefern, die der Politologe im kanadischen Exil, Abdallah Rihani, auf nawaat.org nennt: Mohammed Abbou und Radhia Nasraoui, die soziale Bewegung würde sich in ihnen wiedererkennen.

Wie sich die Protestbewegung und ihre Forderungen in der künftigen Politik Tunesiens wiederfinden wird, wird von vielen sehr genau beobachtet werden. Sie hat etwas geschafft, was in arabischen Ländern einzigartig ist.

Wie die Vetternwirtschaft Ben Alis funktioniert hat, wie ungehemmt und rafffgierig sich die Familie bereichert hat, darauf weist auch ein WikiLeaks-Cable hin, das die französische Zeitung Le Mondeheute noch einmal veröffentlicht: [extern] "Das Land gehört mir."

Einflüsse auf andere arabische Länder?


Wie die Wirkung auf andere arabische Länder aussehen wird, das wird nun viele beschäftigen. Selbst wenn Tunesien ein besonderer Fall mit seinen spezifischen politischen Eigenheiten ist, so dürfte Politikern in anderen arabischen Ländern zweierlei zu denken geben: Dass sich nur unter dem Aufbau wachsender und immer drängender werdenden Spannungen an sozialen Bedürfnissen vorbei regieren lässt und die Macht des Apparates, samt Geheimdiensten, doch als begrenzt zeigen kann - je nachdem, wo die Armee steht.

Und zum zweiten: dass sich das Rad nicht auf immer anhalten oder zurückdrehen lässt, wenn ein bestimmtes politisches Bewusstsein sich in der Öffentlichkeit durchsetzt und das Veraltete, nur Repressive, am Herrschaftssystem offenlegt. Einfacher gesagt: die tunesischen Ereignisse der letzten Tage und Wochen werden auch von der Bevölkerung anderswo debattiert. Auf Dauer bleibt so etwas nicht ohne Wirkung.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34019/1.html

Eivisskat

ZitatDemonstranten im Jemen rufen zu Revolution wie in Tunesien auf

In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa haben rund tausend Studenten zum Sturz der Regierung nach dem Vorbild von Tunesien aufgerufen. "Freies Tunis, Sanaa grüßt dich tausend Mal", rief die Menge, der sich am Sonntag auch Menschenrechtsaktivisten angeschlossen hatten. Die Demonstranten zogen Beobachtungen eines AFP-Korrespondenten zufolge vom Campus zur tunesischen Botschaft in Sanaa. Die Studenten riefen auch andere arabische Völker zur "Revolution gegen ihre lügenden und verängstigten Anführer" auf.

Yahoo News am 16.01.2011


Kuddel

ZitatErmutigt von den Ereignissen in Tunesien haben am Sonntag fast 1000 Menschen in Jordanien gegen die Regierung protestiert. Vor dem Parlamentsgebäude in Amman demonstrierten Islamisten gegen Preisanstiege und Marktwirtschaftsreformen. Zudem forderten sie den Sturz der Regierung von Ministerpräsident Samir Rifai.
ZitatAuch in anderen Ländern drohen Proteste. Im Sudan kündigte die Opposition an, auf die Strasse zu gehen, falls die Regierung den Finanzminister nicht absetze und die Kürzungen von Subventionen für bestimmte Güter widerrufe. In Syrien wurden unterdessen die Subventionen für Öl ausgeweitet.
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/proteste_gegen_regierung_in_jordanien_1.9117005.html

Kuddel


«Morgen wird sich Ägypten Tunesien anschliessen»: Plakatspruch an einer Demonstration in Kairo.

Kuddel

Im Jemen gab es im Süden am Donnerstag wieder Demonstrationen gegen die Regierung und erstmals hat Präsident Saleh jetzt "Reformen" angeboten. Aus Angst vor Unruhen hat die Regierung in Mauretanien die Senkung der Lebensmittelpreise um 30 Prozent angeordnet. Auch in Mauretanien waren in der vergangenen Woche tausende Menschen aus Protest auf die Straße gegangen.

(aus rf-news)

Eivisskat

ZitatPolizei solidarisiert sich mit Demonstranten

Die Polizei fordert bessere Bezahlung, eine Gewerkschaft und den Rücktritt aller in Ben Alis Partei verbliebenen Regierungsmitglieder.

Tunis. Ehemals vom Volk gefürchtet, nun auf seiner Seite: Die tunesische Polizei hat sich am Sonnabend offenbar mit den Demonstranten solidarisiert und in der Hauptstadt Tunis eine eigene Kundgebung abgehalten. Mindestens 2.000 Polizeibeamte versammelten sich unweit des Innenministeriums, das bei vielen Tunesiern einst als Symbol der Schreckensherrschaft des gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali galt.


Sie forderten die Schaffung einer Gewerkschaft, bessere Bezahlung sowie den Rücktritt aller in Ben Alis Partei verbliebenen Regierungsmitglieder. Dazu stiegen viele auf ihre Polizeifahrzeuge und schwenkten Transparente und Fahnen. Einige Beamte in Zivil trugen rote Armbinden, um sich von anderen Demonstranten zu unterscheiden. Viele Polizisten waren in Begleitung ihrer Familien zu der Kundgebung gekommen.


http://www.abendblatt.de/politik/article1765409/Polizei-solidarisiert-sich-mit-Demonstranten.html


Kuddel

Tunesien: eine politische und soziale Bewegung



Die ganze Welt hat den ersten Sturz eines arabischen karikaturhaft autokratischen und korrupten Regimes miterlebt, den man nicht mehr für möglich gehalten hat. Trotz der latenten Unzufriedenheit und punktuellen Erhebungen in den letzten Jahren hat der Aufstand alle Leute überrascht, auch diejenigen, die noch am meisten Kontakt mit der sozialen Realität hatten. Warum?


Interview mit zwei aktiven tunesischen Genossen: http://www.wildcat-www.de/aktuell/a087_tunesien_interview.htm


counselor

10.04.12 - Tunis: "Das Volk verlangt Sturz des Regimes"

In der tunesischen Hauptstadt Tunis demonstrierten am Montag Tausende gegen die Regierung. Wie vor einem Jahr riefen die Demonstranten  "Das Volk verlangt den Sturz des Regimes". Mit der Kundgebung am "Tag der Märtyrer" wollten Bürgerrechtsorganisationen und Gewerkschaften der Menschen gedenken, die 1938 für eine eigene Verfassung demonstrierten und von französischen Kolonialtruppen erschossen worden waren. Die neue islamistische Regierung in Tunesien hatte jetzt die Gedenkdemonstration verboten und die Polizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstranten vor. Es gab zahlreiche Verletzte.

Quelle: RF News
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

TUNESIEN: SOZIALES ERDBEBEN
von Imad Garbaya - www.antiimperialista.org        13.04.2012

Der tunesische Aufstand dauert an - diesmal ohne westliches Medieninteresse 

15 Monate nach dem Sturz des Kopfs des alten Regimes, 6 Monate nach der ersten Wahl nach der ,,Revolution" oder 3 Monate nach der Bildung der ersten gewählten Regierung in der Geschichte Tunesiens stellen wir abermals fest, dass der Aufstand, der eigentlich bereits vor Dezember 2010 begann, noch immer andauert.

Im Winter 2008 nahm der Aufstand seinen Ausgang in den ärmsten Teilen Tunesiens, vor allem in Rdeyef in der Region Gafsa. In seinem Kern befanden soziale Forderungen als auch das Ziel der Freiheit. Nun ist die Bewegung wieder aufgeflammt und wieder in der Region Gafsa (El Gtar dieses Mal) aber auch in anderen Gegenden, wo die Menschen mehr als eine demokratische Wahl verlangen, mehr als nur moralische und religiöse Predigten und vor allem mehr als leere oder unrealistische Versprechungen.
Wieder protestieren die gleichen sozial schwachen Schichten, die Arbeitslosen und Armen, die auch letzten Wochen vor dem Sturz des Diktators Ben Ali an der Front waren. Heute sind sie wieder auf der Straße und fordern: ,,Arbeit ist ein Recht, ihr Diebsbande", ,,Arbeit", ,,Freiheit". So verlangen die Einhaltung der Versprechungen, endlich konkrete Maßnahmen.

Quelle: Linke Zeitung
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

18.04.12 - Proteste in Tunesien

Am Mittwoch, den 11. April waren die meisten Schulen und Verwaltungsstellen in Sidi Bouzid in Tunesien wegen Streiks geschlossen. Sidi Bouzid ist die Stadt, von der aus der Aufstand in Tunesien im Dezember 2010 ausgegangen war. Es wurde gestreikt, um gegen die schlechte Behandlung der Region im Zentrum Tunesiens zu protestieren. Gleichzeitig demonstrierten Hunderte in der Stadt mit Parolen gegen die Regierung, die ihre Versprechungen für vernachlässigte Regionen nicht einhält. Protestiert wurde auch dagegen, dass eine Demonstration junger Tunesier gegen die Arbeitslosigkeit am 9. April in der Hauptstadt Tunis unterdrückt wurde, an der auch junge Leute aus Sidi Bouzid teilgenommen hatten, die bis in die Hauptstadt marschiert waren, um auf ihre Region hinzuweisen.

Quelle: RF News
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

ZitatSoziale Proteste in der Wiege der tunesischen Revolte

Polizei gibt Warnschüsse ab und setzt Tränengas ein

In der tunesischen Stadt Sidi Bouzid, dem Ausgangspunkt der Revolte vom Winter 2010/2011, haben dutzende Demonstranten am Donnerstag den Sitz der Präfektur angegriffen. Aus Protest gegen ihre soziale Lage warfen sie einen brennenden Autoreifen in das Innere des Gebäudes, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Polizei gab Warnschüsse ab und setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein. Diese warfen Steine und warfen den Sicherheitskräften vor, sie seien wie die frühere Polizei des im Januar 2011 gestürzten Staatschefs Zine al-Abidine Ben Ali.
http://www.welt.de/newsticker/news2/article108391919/Soziale-Proteste-in-der-Wiege-der-tunesischen-Revolte.html

counselor

10.08.12 - Tunesien: anhaltende Demonstrationen in Sidi Bouzid

In der Nacht zum Freitag ging die Polizei in Tunesien in der Stadt Sidi Bouzid mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vor, die gegen die islamistische Ennahda-Regierung protestierten. Rund 800 Demonstranten wehrten sich mit Steinen. Bereits am Donnerstag hatte es Zusammenstöße gegeben. Hintergrund ist auch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit. In Sidi Bouzid hatten im Winter 2011 die Proteste gegen das Regime von Ben Ali begonnen, die sich dann zu einem allgemeinen Volksaufstand ausbreiteten

Quelle: RF News
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

14.08.12 - Tunesien: Demonstranten fordern "zweite Revolution"

Am Montag gingen in Tunesien Tausende für Frauenrechte und gegen die islamistische Ennahada-Partei auf die Straße. Die Demonstranten riefen "Gleichheit in der Verfassung" und "die Zukunft ist ohne die Frauen nicht denkbar". Zum Teil wurde eine "zweite Revolution" gefordert. In Tunis demonstrierten 6.000 Menschen, die meisten davon Frauen. Im Entwurf für die neue tunesische Verfassung ist nicht mehr wie bisher von Gleichberechtigung von Mann und Frau die Rede, sondern von "Komplementarität", d.h. von einer gegenseitigen "Ergänzung". Für den heutigen Dienstag hat die Gewerkschaft UGTT in der Region um Sidi Bouzid zum Generalstreik aufgerufen, wo es in der vergangenen Woche anhaltende Demonstrationen gegen die schlechten Lebensbedingungen und Zusammemstöße mit der Polizei gegeben hatte.

Quelle: RF News
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

counselor

15.08.12 - Tunesien: Generalstreik in Sidi Bouzid

Der eintägige Generalstreik in der zentraltunesischen Stadt Sidi Bouzid am Dienstag wurde breit befolgt. Aufgerufen hatte die Gewerkschaft UDTT und Oppositionsgruppen wegen der sich verschärfenden Armut und der Unterdrückung gegenüber Demonstranten. So zogen 3.000 Menschen vor das Gerichtsgebäude und forderten die Freilassung von Verhafteten. Die Demonstration stand unter der bekannten Losung "Das Volk will, dass das Regime fällt". In der Region haben die Stromabschaltungen und der Wassermangel stark zugenommen.

Quelle: RF News
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

ZitatGeneralstreik gegen Regierung legt symbolträchtige Stadt lahm

Tunis – In Tunesien sehen sich die regierenden Islamisten einer immer grösser werdenden Protestwelle gegenüber: Nach dem Massenprotest am Montagabend in der Hauptstadt Tunis folgten am Dienstag die Bürger in Sidi Bouzid einem Aufruf zum Generalstreik.




«Das Volk will den Sturz des Regimes», riefen hunderte Demonstranten in der Stadt, in der die tunesische Revolution im Dezember 2010 ihren Anfang nahm. Der Generalstreik in Sidi Bouzid sei «zu 90 Prozent» befolgt worden, sagte einer der Organisatoren.

Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete, hatten tagsüber nur die Metzger geöffnet, damit sich die Bewohner für das abendliche Fastenbrechen während des Ramadan versorgen konnten. Alle anderen Geschäfte und Behörden blieben geschlossen.

Hunderte Menschen folgten einem Aufruf von Opposition, Gewerkschaften und Arbeitgebern, gegen die jüngste Niederschlagung von Protesten durch die Sicherheitskräfte zu demonstrieren.

Bei dem Protestzug rief die Menge auch Parolen gegen die Islamisten. Sie forderte die Freilassung von etwa 40 Demonstranten, die Ende Juli am Rande von Protestumzügen verhaftet worden waren. Nach Angaben eines Anwaltskomitees, das die Festgenommenen verteidigt, wurden zehn von ihnen am Dienstag freigelassen.

In der Region um Sidi Bouzid gab es in jüngster Zeit eine Reihe von Protesten, die sich gegen die schlechte Wirtschaftslage und die häufigen Unterbrechungen bei der Strom- und Wasserversorgung richteten. Der Stadt in Zentraltunesien kommt wegen ihrer Rolle bei dem Volksaufstand 2011 eine grosse symbolische Bedeutung zu.

Am 17. Dezember 2010 hatte sich dort ein Gemüsehändler aus Protest gegen die Beschlagnahmung seines Verkaufsstands angezündet. Der Tod des 26-Jährigen löste die wochenlangen Proteste aus, die im Januar zum Sturz von Präsident Zine El Abidine Ben Ali führten.

Auch die Islamisten der Ennahda-Partei, die inzwischen mit zwei säkularen Parteien die Regierung stellen, sehen sich wachsendem Unmut ausgesetzt. Während die Opposition vor einer Islamisierung der Gesellschaft warnt und autoritäre Tendenzen kritisiert, geht die Bevölkerung gegen die anhaltende Armut auf die Strasse.

In Tunis demonstrierten am Montagabend tausende Menschen gegen eine Beschränkung der Frauenrechte. Sie forderten die Festschreibung der Gleichheit der Geschlechter in der neuen Verfassung.

Im Mittelpunkt der Kritik steht ein Artikel, der in den Augen von Frauen- und Menschenrechtsaktivisten die Gleichheit der Geschlechter untergräbt. In dem Entwurf ist von «Komplementarität» und nicht von Gleichheit die Rede.
http://www.blick.ch/news/ausland/generalstreik-gegen-regierung-legt-symboltraechtige-stadt-lahm-id1998654.html

xyu

Streiks und Proteste in Tunesien
Von Jean Shaoul
28. August 2012

Am Dienstag dem 14. August demonstrierten in Sidi Bouzid mehrere tausend Arbeiter. In dieser Stadt im verarmten Inland Tunesiens hat sich der Gemüseverkäufer Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 selbst angezündet und damit den Aufstand gegen das Regime von Zine El Abidine Ben Ali ausgelöst.

Die Proteste richteten sich direkt gegen die Übergangsregierung der islamistischen Partei Ennahda (Wiedererwachen), einen Ableger der ägyptischen Moslembrüder, bei in der Wahl im letzten Oktober an die Macht kam.

Der führende Gewerkschaftsbund Union Generale Tunisienne du Travail (UGTT) rief zu einem Generalstreik auf. Angeblich beteiligten sich mehr als 90 Prozent aller Arbeiter daran. Die Geschäfte und Büros der Stadt waren den ganzen Tag geschlossen.

Die Demonstranten zogen vor das Gerichtsgebäude und forderten die Freilassung dutzender politischer Aktivisten, die in Haft sitzen, seit die Polizei im Juli Demonstrationen brutal und unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen niedergeschlagen hatte. Einige, jedoch nicht alle, wurden freigelassen, darunter zwölf Aktivisten, die eine Woche zuvor bei Protesten in Sfax, 257 Kilometer südlich der Hauptstadt, verhaftet worden waren.

Die Streikenden und ihre Unterstützer riefen, unter anderem: ,,Das Volk will den Sturz des Regimes!" oder ,,Arme Gerechtigkeit, Ennahda hat dich in ihrer Gewalt!"

Einige Demonstranten schlugen die Fenster eines Autos ein, das einem Fernsehteam von Al Dschasira gehörte, da der Nachrichtensender aus Katar Ennahda und den Islamismus unterstützt und Katar selbst Ennahda in erheblichem Umfang finanziert.

Die Demonstranten forderten außerdem eine Verbesserung der völlig unzureichenden Wasser- und Stromversorgung, durch die der Alltag zu einer unerträglichen Last wird.

Zuvor demonstrierten am Abend des 13. Augusts, dem Nationalen Tag der Frauen, in der Hauptstadt Tunis und anderen Städten zehntausende, mehrheitlich Frauen. Sie forderten Gleichheit und die Rechte der Frauen in der Verfassung, die von der islamistischen Regierung ausgearbeitet wird.

Die Demonstrationen waren die bei weitem größten seit die Regierung im April einen Marsch gewaltsam aufgelöst hatte. Die Demonstranten befürchten, dass durch die Verfassung der Status der Frauen gesenkt wird. Sie trugen Transparente, auf denen zu lesen war: ,,Frauen, steht auf, um eure Rechte in der Verfassung festzuschreiben", und ,,[Rachid] Ghannouchi [Chef der Ennahda], verschwinde, die Frauen Tunesiens sind stark."

Sie forderten von der Regierung, den geplanten Artikel 27, laut dem die Frau eine ,,Ergänzung zum Mann" ist, aus der neuen Verfassung zu streichen und das Gesetz von 1956 beizubehalten, das Frauen Männern vollkommen gleichstellt.


Durch das Gesetz von 1956 über den persönlichen Status wurde die Polygamie verboten, das Zivilrecht eingeführt und Frauen erhielten das Wahlrecht und das Recht, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Unternehmen zu gründen, ohne dafür die Erlaubnis des Ehemannes zu benötigen. Später wurden noch weitere Rechte hinzugefügt, darunter das Recht zu arbeiten und das Recht auf Abtreibung.

Laut einer Übersetzung von France 24 heißt es in Artikel 27 der neuen Verfassung: ,,Der Staat garantiert den Schutz der bestehenden Rechte der Frau als Ergänzung des Mannes in der Familie und Partnerin des Mannes in der Entwicklung des Landes."

Dies wurde allgemein als der erste Schritt der Islamisten gewertet, die Stellung der Frau in Tunesien wieder auf das Niveau der Scharia zurückzusetzen.

Die Demonstranten forderten von der Regierung auf das wirtschaftliche Elend im Inland zu reagieren und gegen die Arbeitslosigkeit aktiv zu werden.

Die Tunesische Vereinigung Demokratischer Frauen, die Tunesische Menschenrechtsliga, die Republikanische Partei, der Soziale und Demokratische Pfad und die Partei Ruf Tunesiens organisierten eine weitere Kundgebung vor dem Kongresspalast in Tunis, auf der sie die ,,effektive und bedingungslose Gleichheit von Rechten und Pflichten für Mann und Frau" forderten und vor einem ,,neuen Rückschritt" und dem ,,Verlust der Errungenschaften für Frauen" warnten.

Die Regierung hatte zuvor Proteste zum Nationalen Tag der Frauen auf der Avenue Bourguiba in der Hauptstadt angeblich wegen Verkehrsproblemen verboten. Die Avenue Bourguiba war der Brennpunkt der Massenproteste die im Januar 2011 zum Sturz des langjährigen Verbündeten des amerikanischen und französischen Imperialismus Ben Ali geführt hatten und im ganzen Nahen Osten und Nordafrika Massenbewegungen hervorriefen.

Auch in Monastir und Sfax fanden Demonstrationen statt.

Die neue Verfassung hat zu so großem Widerstand geführt, dass Habib Kheder, der Berichterstatter des Verfassungsausschusses, zugeben musste, dass sie wohl kaum wie geplant bis Oktober ratifiziert werden könne, sodass im März Wahlen stattfinden könnten. Jetzt hat es den Anschein, als werde die Verfassung nicht vor Februar 2013 fertig sein und erst im April ratifiziert werden, sodass es unsicher ist, ob die Wahlen im März stattfinden werden.

Sowohl der Streik in Sidi Bouzid als auch die Proteste der Frauen zeigen, dass die sozialen Spannungen wachsen und das islamistische Regime verhasst ist. Tunesien hat erbitterte Streiks, zahllose Sitzblockaden und Proteste erlebt. Die Regierung hat in den letzten Monaten mit Drohungen und Polizeigewalt reagiert, vor allem gegenüber arbeitslosen Jugendlichen in den ärmsten Regionen.

Tunesien ist von Arbeitslosigkeit geplagt. Laut offiziellen Statistiken sind mehr als achtzehn Prozent der Arbeiter – etwa 750.000 – arbeitslos, Universitätsabgänger sind besonders stark betroffen. In den Gouvernements im Süden und im Inland ist die Lage noch schlimmer, die Arbeitslosenquote liegt dort bei 28 Prozent. Zwischen den Regionen herrscht immense Ungleichheit. Korruption und Schmuggel florieren, der Schwarzmarkt ist sehr stark, was zu steigenden Preisen, allgemeiner Gesetzlosigkeit und Gewalt zwischen Clans geführt hat, die mehr als ein Dutzend Tote gefordert hat.

Wie die Parolen der Demonstranten zeigen, wurden die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen des Aufstandes vor achtzehn Monaten bisher nicht einmal diskutiert – geschweige denn angegangen und gelöst. Millionen Menschen gingen im Oktober zur Wahl, weil sie auf eine Linderung ihrer Schwierigkeiten hofften, aber die Regierung, die an die Macht kam, ist gegenüber den wirtschaftlichen und demokratischen Forderungen der revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse komplett feindselig eingestellt.

Wie die ägyptischen Moslembrüder hat auch Ennahda nicht an der revolutionären Bewegung von Dezember 2010 bis Februar 2011 teilgenommen. Ihr wahres Ziel ist es, zugunsten der Finanzelite die Arbeiterklasse niederzuschlagen; dafür werden sie von den Monarchien vom Persischen Golf unterstützt. Sie deckt die Verbrechen, die unter Ben Ali vom tunesischen bürgerlichen Staatsapparat gegen die Bevölkerung begangen wurden. Trotz der Absetzung Ben Alis ist sein Regime noch intakt.

Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten haben Regimes an die Macht gebracht, die die Revolution ablehnen, weil es keine revolutionäre Arbeiterpartei gab, die für die Schaffung eines Arbeiterstaates auf Grundlage sozialistischer Politik im Maghreb und weltweit gekämpft hat.

Die UGTT hat Ben Alis Regime lange Zeit unterstützt, auch seine Marktreformen. Erst wenige Tage vor Ben Alis Flucht begann sie zu Streiks gegen das Regime aufzurufen. Sie hat nicht vor, die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten, sondern sie will nur Dampf ablassen.[/quote]

http://www.wsws.org/de/2012/aug2012/tuni-a28.shtml

counselor

Zitat von: xyu am 02:27:07 Di. 28.August 2012Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten haben Regimes an die Macht gebracht, die die Revolution ablehnen, weil es keine revolutionäre Arbeiterpartei gab, die für die Schaffung eines Arbeiterstaates auf Grundlage sozialistischer Politik im Maghreb und weltweit gekämpft hat.
Genau darin liegt die Schwäche des Arabischen Frühlings.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

xyu

(ich habs zwar hier gepostet/zweitveröffentlicht, aber es ist ein zitat der wsws)

counselor

Salafisten greifen in Sidi Bouzid an

Verfasst von: rg (Benutzerkonto: recherchegruppe aufstand). Verfasst am: 27.08.2012 - 18:53.

Hunderte von militanten Salafisten haben am vergangenen Mittwoch das Viertel Aouled Belhedi in Sidi Bouzid angegriffen. Nach Angaben von Bewohnern des Viertels kamen die Salafisten im Schutze der Dunkelheit mit Autos nach Sidi Bouzid und griffen die Bewohner von insgesamt 15 Häusern an.

Die Bewohner des Viertels organisierten spontan eine militante Verteidigung und lieferten sich bis in die Morgenstunden Auseinandersetzungen mit den militanten Islamisten.

Die Bullen griffen trotz Alarmierung durch die Bewohner des Viertels nicht ein, nach Angaben einer Journalistenquelle im örtlichen Polizeihauptquartier habe man nicht interveniert, um die "Spannungen nicht zu verschärfen"....(sic)
Die Salafisten seien mit Messern bewaffnet gewesen, mehrere Bewohner des Viertels sind durch Messerstiche verletzt worden ...

Nach Angaben von Anwohnern sei der Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen ein Überfall am Montag von Salafisten auf einen Mann gewesen, der von ihnen wegen des Trinken von Alkohols zusammengeschlagen wurde.
Als Reaktion darauf waren drei Salafisten am Mittwoch von Freuden des Angegriffenen geschlagen worden.

Quelle: Indymedia
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!


cyberactivist

Proteste in der Kebeli Provinz in Tunesien am 20. und 21, Januar 2016

Link zur Bilderstrecke 3 MB





Nur Exhibitionisten haben nichts zu verbergen.

  • Chefduzen Spendenbutton