Jobcenter muss Tariflohn für unzulässigen Ein-Euro-Job erstatten

Begonnen von Eivisskat, 15:40:31 Mi. 13.April 2011

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Eivisskat

ZitatWurden Hartz-IV-Empfänger zu einem rechtswidrigen Ein-Euro-Job angewiesen, muss ihnen das Jobcenter den üblichen Tariflohn zahlen.

Das entschied am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel im Fall eines Langzeitarbeitslosen in Mannheim. Dieser muss sich seinen Verdienst aber auf die Hartz-IV-Leistungen anrechnen lassen. (Az: B 14 AS 98/10)

Das Jobcenter hatte ihm 2005 einen Ein-Euro-Job als Helfer beim Umzug des Fachbereichs Gesundheit der Stadt Mannheim vorgeschlagen. Der Arbeitslose trat diese Arbeit an, legte aber Widerspruch ein und beantragte Rechtsschutz beim Sozialgericht. Es handele sich nicht wie, vom Gesetz verlangt, um zusätzliche Arbeit, sondern um eine Tätigkeit, für die die Stadt ohne arbeitslose Helfer ein Umzugsunternehmen beauftragen würde, argumentierte er. Im Zuge des Rechtsstreits zog das Jobcenter seinen Ein-Euro-Job-Bescheid zurück.

Zunächst hatte der Arbeitslose gegen die Stadt auf regulären Lohn geklagt. Das Arbeitsgericht Mannheim wies die Klage ab, weil auch ein rechtswidriger Ein-Euro-Job kein Arbeitsverhältnis sei. In einem ähnlichen Fall hatte 2007 das Bundesarbeitsgericht in Erfurt diese Rechtsauffassung bestätigt und den Ein-Euro-Job als Beschäftigungsverhältnis "öffentlich-rechtlicher Natur" bezeichnet.

Wie nun das BSG entschied, hat der Arbeitslose aber einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen das Jobcenter. Sein Ein-Euro-Job sei nicht zusätzlich und daher rechtswidrig gewesen. Das verantwortliche Jobcenter müsse ihm daher einen Lohn in Höhe des Tariflohns als Umzugshelfer erstatten.

Im Grundsatz wären das 698 Euro. Doch dieses Einkommen muss sich der Arbeitslose auf seine regulären Hartz-IV-Leistungen anrechnen lassen, urteilte das BSG weiter. Nach dem Kasseler Urteil steht ihm daher nur ein Hinzuverdienst-Freibetrag in Höhe von 149 Euro zu.  :-X


http://de.news.yahoo.com/2/20110413/tde-jobcenter-muss-tariflohn-fuer-unzula-a4484c6.html


Und unter diesem ellenlangen Link unten findet Mensch die derzeit anstehenden Klagen von Erwerbslosen vor dem Sozialgericht offensichtlich aus ganz D.: Furchtbar gruselig zu lesen, weil man  die Schicksale dahinter versteht UND die absurden Fallstricke & aberwitzigen Gemeinheiten des H4-Gesetzes, die die Menschen zum KLagen förmlich zwingt.

:o


http://www.bsg.bund.de/nn_138176/SharedDocs/Publikationen/Rechtsfragen/Senat__14,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Senat_14.pdf

Dearhunter

ZitatIm Grundsatz wären das 698 Euro. Doch dieses Einkommen muss sich der Arbeitslose auf seine regulären Hartz-IV-Leistungen anrechnen lassen, urteilte das BSG weiter. Nach dem Kasseler Urteil steht ihm daher nur ein Hinzuverdienst-Freibetrag in Höhe von 149 Euro zu.

Der letzte Satz ist eine Interpretaion, der erste sicher richtig.

Die Anrechnung bedeutet nach meinem Empfinden NICHT, dass nur 149 Euro frei sind, sondern es bedeutet, dass der Arbeitslose zum Zeitpunkt der Maßnahme ein sogenanter Aufstocker ist. Sicher wird Einkommen auch bei Aufstockern angerechnet, das ist klar, es gelten aber nicht die Regeln für Zuverdienst, sondern eben für Aufstocker in der Anrechnung. Diese haben aber grob gesagt nicht 150, sondern in unserer Gegend umd die 200 oder mehr anrechnungsfrei.

Es mag eine Feinheit sein, aber es ist eben anrechnungstechnisch klar: Anrechnung ja, aber nicht nach den Bedingungen für Zuverdienst, sondern nach den Bedingungen für Aufstocker, und der Unterschied beträgt eben mindesten 50 Euro.


DH

Eivisskat

ZitatAus für 1-Euro-Jobs und Bürgerarbeit?


Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel haben ALG II - Empfänger (Hartz IV), die als 1-Euro-Jobber zum Beispiel mit Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet, Park oder Wald beschäftigt werden, einen Anspruch auf tarifliche Entlohnung gegenüber dem JobCenter. Nach dem Urteil des BSG muss die Behörde nachweisen, dass die Arbeit "zusätzlich" ist. Die oben aufgeführten Arbeiten zählen nach dem Urteil des BSG nicht hierzu, sondern sind originäre Aufgaben der Gemeinde. Das Urteil ist bisher noch nicht veröffentlicht, aber RA Möbius hat hierzu bereits einen Artikel verfasst:

Aus für 1-Euro-Jobs?
Das Bundessozialgericht hat am 13. April 2011 zwei richtungsweisende Urteile verkündet, die in der Praxis das Aus für ,,Arbeitsgelegenheiten bzw. so genannte 1-Euro-Jobs" bedeuten könnten (B 14 AS 98/10 R; B 14 AS 101/10 R). Wenn das Jobcenter nicht nachweisen kann, dass die ausgeübte Arbeitsgelegenheit (1-€-Job) wirklich ,,zusätzlich" ist, steht dem ALG II-Empfänger gegen das Jobcenter ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Die Behörde muss dem ALG II–Empfänger dann in der Regel den üblichen Tariflohn nachzahlen. Für das Jobcenter dürfte daher die Vergabe von ,,1-€-Jobs" zu einem teuren Bumerang und hohen finanziellen Risiko werden, da das Merkmal der Zusätzlichkeit nur auf die wenigsten Arbeitsgelegenheiten zutrifft.

Selbst von der Behörde als zusätzlich bezeichnete Arbeiten wie die Tätigkeit als "Hilfsarbeiter bei der "Aktion "Saubere Stadt" - Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet, Park oder Wald" gehört in der Regel zu den originären Aufgaben der Gemeinde, stellt also in der Praxis keine wirklich zusätzliche Arbeit dar. In einigen Städten wurden ,,1-€-Jobber" gar rechtswidrig für Abriss- oder Bauarbeiten herangezogen. Derartige Auswüchse dürften der Vergangenheit angehören, da solche Tätigkeiten nicht mehr den Anforderungen an die Zulässigkeit einer ,,Arbeitsgelegenheit" entsprechen. Die neuen Urteile sind zu begrüßen, da durch einige Arbeitsgelegenheiten den ,,echten" Firmen und Handwerksbetrieben Aufträge verloren gingen und somit reguläre Arbeitsplätze gefährdet waren.

Soweit also ein ALG II–Bezieher zu einem ,,1-Euro-Job" herangezogen werden soll, muss genau geprüft werden, ob diese Tätigkeit wirklich den gesetzlichen Anforderungen entspricht, der Bürger also die Arbeitsgelegenheit ohne Sanktion verweigern oder auch einen Anspruch auf tarifliche Vergütung haben kann. Eine anwaltliche Beratung ist bei derartigen Konstellationen kaum zu ersetzen.


Die Kosten hierfür können in der Regel für ALG II – Empfänger über Beratungshilfe gedeckt werden. Ein Antrag auf Beratungshilfe ist beim Amtsgericht zu stellen, beim Anwalt sind bei entsprechender Bewilligung lediglich 10 Euro Eigenbeteiligung zu zahlen.

(Maurer & Möbius – Rechtsanwälte – Markt 20, Eisenach, Werner Schulten, Mitglied des Parteivorstandes DIE LINKE Bundessprecher der BAG Hartz IV)
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http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-aus-fuer-1-euro-jobs-und-buergerarbeit-4094.php

Alan Smithee

...still dreaming of electric sheep...


Alan Smithee

Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob Bürgerarbeit nicht doch ein Rohrkrepierer wird. Immerhin haben die "Arbeitgeber" bei den 1 € Jobs bis zu 500 € "Regiekosten" kassiert. Da war neben der Arbeitskraft immerhin auch noch ein finanzieller Gewinn da. Und selbst wenn Zappelbuden speziell für Bürgerarbeiter konstruiert werden, um den Tarifliohn zu umgehen: Geld kosten die Bürgerarbeiter dann trotzdem. Zudem die Gefahr, dass man gegen solche Zappelbuden garantiert rechtlich vorgehen wird (und eventuell Tariflohn nachzahlen muss).

Natürlich gehe ich davon aus, dass es erstmal eingeführt wird (bzw. schon ist). Aber das Ding ist mal wieder mit heissen Nadeln gestrickt worden... und erfahrungsgemäß werden solche Dinger früher oder später wieder zurückgepfiffen. Zugegeben: das mit den 1 € Jobs und den Tarifforderungen hat viel zu lange gedauert, aber es hat seinen Weg immerhin in die Mainstream-Medien geschafft, weil es schon zu auffällig geworden ist, was da an Missbrauch bzw. Nutzen für die 1 € Jobber selbst rausgekommen ist. Und nicht zu vergessen: gaaanz zufällig just zu dem Beschluss, Gelder einsparen zu müssen. Und genau dies kann dem "Projekt Bürgerarbeit" die Lunte auspusten.

Jetzt ist zumindest eine Öffentlichkeit entstanden, die für negativ-Meldungen über solche Massnahmen empfänglicher geworden ist. Ich verfolge die Kommentare hinter solchen negativ-Meldungen und stelle fest, dass sich mehr und mehr Leute auf die Seite der Ausgenutzen stellen.. (vielleicht haben sie auch endlich kapiert, dass mit ihren Steuergeldern der Abbau von regulären Arbeitsplätzen finanziert wird - und es sie früher oder später selbst treffen kann.)

Aber vieleicht bin ich doch nur zu optimistisch.....mal sehn...
...still dreaming of electric sheep...

Judy

@Smithee: Ich bin auch deiner Ansicht, ich höre es hier ja fast täglich auf den Straßen, da giften ganz normal aussehende Leute gegen die Hartz-IV-Ungerechtigkeiten und gegen die Ausbeutung durch ZAF. Da brodelt es schon ganz gewaltig hier im Ländle. Das sind nicht mehr die üblichen Alternativen und die sehen auch ganz brav und bürgerlich aus, nicht schwarz gekleidet wie Autonome und auch vom Habitus her einigermaßen gebildete und aufgeweckte Leute, die sehen in keinster Weise dem suchtkranken und faulen Langzeitarbeitslosen ähnlich, das in Bild immer wieder so gerne gezeichnet wird. Daher meine ich auch, gerade um diesen Trend weiter zu verstärken, sollte man die Mainstream-Artikel sammeln die realitätsnah berichten und die Mißstände bei ZAF und Hartz-IV benennen. Diese kann man in Emails einbauen und an Bekannte verschicken, die ein wenig Aufklärung gebrauchen könnten und die das von alternativen Medien nicht annehmen würden...

Eivisskat

ZitatHartz IV: Tariflohn bei rechtswidrigen 1-Euro-Jobs - Rechtswidriger Ein-Euro-Job: Jobcenter muss zahlen

28.08.2011

Das Bundessozialgericht in Kassel hat erneut die Rechte von Hartz IV Beziehern gestärkt. Wer rechtswidrig einer Ein-Euro-Job-Stelle zugewiesen wurde, kann künftig den vollen Lohn vom Leistungsträger verlangen. Durch das Urteil ist es nun leichter, einstweilige Ansprüche gegenüber den Jobcentern geltend zu machen.

weiter: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-tariflohn-bei-rechtswidrigen-1-euro-jobs-67670.php



zak


Für Eingliederungsvereinbarungen wird nach gängiger Meinung eine analoge Gültigkeit des Bestimmtheitsgebotes § 33 Abs. 1 SGB X wie im Falle von Verwaltungsakten angenommen. In den meisten EGV sind keine hinreichenden Beschreibungen der angebotenen Maßnahmen ersichtlich, was demzufolge gegen geltende Rechtsnormen verstößt (LSG Hamburg, Beschl. v. 11.07.05, - L 5 B 161/05 ER AS -; SG Hamburg, Beschl. v. 24.06.05, - S 51 AS 525/05 ER - sowie SG Berlin, Beschl. v. 18.07.05, - S 37 AS 4801/05 ER -).

Darüber hinaus fehlt bis heute bei vielen Maßnahme-Angeboten ein Arbeitsplan sowie eine Auflistung der Arbeitszeitverteilung. Das Bestimmtheitsgebot gemäß § 33 Abs. 1 SGB X wird in eklatanter Weise verletzt (hierzu: LSG Hamburg, Beschl. v. 11.07.2005, - L 5 B 161/05 ER AS -; SG Bayreuth, Beschl. v. 15.07.2005, - S 4 AS 145/05 ER -; SG Hamburg, Beschl. v. 24.06.2005, - S 51 AS 525/05 ER -; SG München, Urt. v. 19.06.2008, - S 19 AS 923/08 -).

Zitat aus dem Beschluss des SG Hamburg vom 24.06.2005, - S 51 AS 525/05 ER -:
Schließlich und vor allem wird dem Bestimmtheiterfordernis nicht dadurch entsprochen, dass dem Antragsteller angesonnen wird, weitere Einzelheiten über die angebotene Stelle im Rahmen eines Vorstellungsgespräches zu erfragen.

Nach den vorbezeichneten Maßstäben genügt es nicht, lediglich einer Einrichtung – wie z.B. einer Gemeinde – zugeweisen zu werden und die Auswahl der konkret zu leistenden Arbeit etwa der Leitung dieser Einrichtung zu überlassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.1983, BVerwGE Bd. 68 S. 97, 99).

Ebenso heißt es im Beschluss vom 11.07.2005 des LSG Hamburg, - L 5 B 161/05 ER AS -:
[...] Auch wenn es sich bei dem Arbeitsangebot nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II nicht um einen Verwaltungsakt handeln sollte, muss es hinreichend bestimmt sein. Nur ein solches Angebot ermöglicht es dem Hilfebedürftigen zu prüfen, ob die angebotene Tätigkeit den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II entspricht, insbesondere zumutbar ist, oder ob zulässige Ablehnungsgründe vorliegen (vgl. Voelzke, a.a.O., § 16 Rn. 76; BVerwG, Urt. v. 13. Oktober 1983, a.a.O., S. 99 f.; Urt. v. 4. Juni 1992 - 5 C 35.88 -, info also 1992, S. 199, 200; Beschl. v. 12. Dezember 1996 - 5 B 192/95 -, juris).

Entsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 144Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III anerkannt, dass das Beschäftigungsangebot nach dieser Vorschrift ebenfalls hinreichend bestimmt sein muss (BSG, Urt. v. 13. März 1997 - 11 RAr 25/96 -, SozR 3-4100 § 119 Nr. 11).

Das Bestimmtheitsgebot erfordert danach insbesondere, dass die Art der Tätigkeit, ihr zeitlicher Umfang und die zeitliche Verteilung im Arbeitsangebot bezeichnet werden (Voelzke, a.a.O., § 16 Rn. 76; Niewaldt, a.a.O., § 16 Rn. 25; Gröschel-Gundermann, a.a.O., § 16 Rn. 18; BVerwG, Urt. v. 13. Oktober 1983, a.a.O., S.100; Urt. v. 4. Juni 1992, a.a.O., S. 200). Denn diese Angaben sind erforderlich, um den Hilfebedürftigen in die Lage zu versetzen, das Angebot überprüfen zu können. Es genügt daher nicht, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einer Einrichtung oder einem Arbeitgeber zuzuweisen und die Auswahl der konkreten Tätigkeit der Leitung der Einrichtung oder dem Arbeitgeber zu überlassen (Voelzke, a.a.O., § 16 Rn. 76; Gröschel-Gundermann, a.a.O., § 16 Rn. 18; BVerwG, Urt. v. 13. Oktober 1983, a.a.O., S. 99; Urt. v. 4. Juni 1992, a.a.O., S. 201). Die Verantwortung für die Korrektheit des Arbeitsangebots liegt insbesonders im Hinblick auf die Sanktionsfolgen allein beim Leistungsträger.

Im Urteil des SG München, Urt. v. 19.06.2008, - S 19 AS 923/08 -, wird ebenso konkretisiert:
Die Vereinbarung der Verpflichtung des Klägers, an Arbeitsgelegenheiten teilzunehmen, war unter mehreren Gesichtspunkten rechtswidrig: Da für die Arbeitsgelegenheit eine zuzüglich zum Arbeitslosengeld II zu zahlende Mehraufwandsentschädigung vorgesehen ist, ist die Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II nur dann rechtmäßig, wenn es sich um im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten handelt. Ob es sich um solche Arbeiten handelt, muss aus der Eingliederungsvereinbarung selbst ersichtlich sein. Es ist nicht zulässig, die Bestimmung der Art der Arbeiten allein dem Maßnahmeträger zu überlassen. Der Verstoß gegen die genannten Rechtsvorschriften führt gemäß § 58 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 134 BGB zur Nichtigkeit der entsprechenden Vertragsklausel.
Wegen der fehlenden Waffengleichheit zwischen dem Kläger und dem Beklagten, der eine Weigerung, die Eingliederungsvereinbarung abzuschließen oder die darin festgelegten Pflichten zu erfüllen, mit dem Entzug des Existenzminimums ahnden kann, gebietet es der effektive Rechtsschutz des Klägers, die hier vorliegenden Rechtsverstöße als qualifizierte Rechtsverstöße (vgl. Engelmann, in: Wulffen, SGB X, 5. A. 2005, § 58 Rdnr. 6) anzusehen, die gemäß § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen (für ein vollständiges Entfallen der Wirksamkeitsvermutung nach § 58 SGB X wegen des Fehlens eines freien Aushandelns bei der Eingliederungsvereinbarung Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. A. 2008, § 15 Rdnr. 11).

Das SG Berlin gelangte in einem Beschluss vom 18.07.2005 (- S 37 AS 4801/05 ER -) gar zur der Auffassung, dass ein derartig rechtswidriger Zustand zur sofortigen Beendigung der Arbeitsgelegenheit ohne Sanktionen berechtigte:
Eine ganz zentrale Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 SGB II ist die Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit der auszuführenden Tätigkeiten. Der Leistungsträger hat vor Antritt der Maßnahme sicherzustellen, dass die auszuübenden Tätigkeiten ausschließlich zusätzlich und gemeinnützig sind. Dazu ist zwingend erforderlich, dass die Behörde, nicht der Maßnahmeträger, eindeutig und verbindlich die Arbeitsinhalte, die genaue wöchentliche Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung, die Höhe der MAE sowie die Dauer der Maßnahme festlegt. Fehlt es hieran, kann die wegen Unbestimmtheit bestehende Rechtswidrigkeit der Arbeitsgelegenheit nicht mit späteren Präzisierungen geheilt werden, insbesondere ist es unzulässig, den Maßnahmeträger über die genannten Essentialia der Arbeitsgelegenheit entscheiden zu lassen oder ihm hierbei Spielraum zu geben.

Zutreffend hat das BSG ihm deshalb den Charakter eines Verwaltungsaktes abgesprochen (Urteil vom 19.1.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R).
Dem Antragsgegner kann daher die nur vage Umschreibung der Arbeitsgelegenheit nicht entgegengehalten werden, weil das Bestimmtheitserfordernis bei Zustandekommen der Arbeitsgelegenheit nachgeholt werden kann. Dies kann z.B. in einem Einsatzplan des Maßnahmeträgers geschehen, der dann kraft Zuweisung und Prüfung durch die Behörde verbindlicher und öffentlich-rechtlicher Bestandteil der Arbeitsgelegenheit wird. Nur mittels einer solchen Prüfung vor Beginn der Maßnahme kann der Antragsgegner sicher beurteilen, ob die Arbeitsgelegenheit wirklich nur zusätzliche, gemeinnützige und arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Tätigkeiten beinhaltet.

Prinzipiell ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von Seiten der ARGE eine detaillierte Charakterisierung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung auszuhändigen, aus der hervorgeht, bei welchem Träger die Maßnahme stattfindet, welche Tätigkeiten zu verrichten sind, wie hoch die Arbeitszeit anzusetzen ist, wie sich die Arbeitszeitverteilung gestaltet und welche Möglichkeiten die ARGE zur Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt hiermit verfolgt (ausführliche Begründung). Hierdurch ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, den Charakter der Maßnahme hinsichtlich eventueller Verletzung von Rechtsnormen sowie Zumutbarkeit zu überprüfen.

Diesem Ansatz entsprechend wird dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Eingliederungsvereinbarung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II (nur) dann angeboten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II), wenn diese (bzw. dieses Angebot) bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Hierzu gehören u.a. konkrete Bestimmungen über die individuellen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit für den Erwerbsfähigen; Diese Leistungen sind vorher gemeinsam intensiv zu beraten und zu planen. Dies wiederum setzt u.a. die gemeinsame Feststellung des konkret individuellen Bedarfs und der entsprechenden Eignung voraus, § 15 SGB II Eingliederungsvereinbarung, Stand: Januar 2005, 1: ,, ... geht zwingend ein umfassendes und systematisches Profiling voraus ... Dem Profiling soll ein intensives Beratungsgespräch folgen ..." und 3: ,,Die Förderleistungen sind nach einem differenzierten Profilingergebnis genau festzulegen ...". Diese Vorbereitungs- bzw. Verhandlungsphase (so zB Berlit, Eingliederungsvereinbarung ..., aaO, 45) ist des weiteren hinreichend zu dokumentieren.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Angebotes im o.g. Sinne hat die ,,Agentur für Arbeit" im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu tragen.

Darüber hinaus sind Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gem. § 16d Satz 2 SGB II  im Sinne des internationalen Völkerrechts ZWANGSARBEIT.
Das ILO-Übereinkommen Nr. 105 vom 25. Juni 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit (C105 Abolition of Forced Labour Convention), in Kraft getreten am 17.01.1959, ratifiziert durch die BRD am 22.06.1959 (BGBl. II S. 441), bekräftigt das Zwangsarbeitsverbot erneut:

Art. 1 ILO-Übereinkommen Nr. 105
Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden

a) als Mittel politischen Zwanges oder politischer Erziehung oder als Strafe gegenüber Personen, die gewisse politische Ansichten haben oder äußern oder die ihre ideologische Gegnerschaft gegen die bestehende politische, soziale oder wirtschaftliche Ordnung bekunden;

b) als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke
der wirtschaftlichen Entwicklung;

c) als Maßnahme der Arbeitsdisziplin;

d) als Strafe für die Teilnahme an Streiks;

e) als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser Diskriminierung.

Art. 2 ILO-Übereinkommen Nr. 105
Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, wirksame Maßnahmen zur sofortigen und vollständigen Abschaffung der in Artikel 1 dieses Übereinkommens bezeichneten Zwangs- oder Pflichtarbeit zu ergreifen.
Zudem kennen der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention ein Verbot von Zwangsarbeit gleichermaßen:

Art. 8 IPbpR
(1) Niemand darf in Sklaverei gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.
(2) Niemand darf in Leibeigenschaft gehalten werden.
(3) a) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten;
b) Buchstabe a ist nicht so auszulegen, dass er in Staaten, in denen bestimmte Straftaten mit einem mit Zwangsarbeit verbundenen Freiheitsentzug geahndet werden können, die Leistung von Zwangsarbeit auf Grund einer Verurteilung durch ein zuständiges Gericht ausschließt.



reefshark

Hallo

@zak

Reeeespekt, sauber,sauber sag ich !

Die Argumentation wird sicher, mit freundlicher Genehmigung so hoffe ich, im
weiteren Verfahrensgang Verwendung finden...... ;D

Dass allerdings das Jobcenter im Widerspruchsverfahren selbst schon einlenkt
ist wenig wahrscheinlich :O
Die haben bei mir noch alles mindestens bis kurz vor der SG - Verhandlung verschleppt,
einfach um Ihren Erfolg ( Sanktion ) lange aufrecht erhalten zu können..... :O
Will heissen, noch kein einziger Widerspruch ( auch durch Anwalt ) war in meiner
Sache jemals unmittelbar erfolgreich.....
Immer erst vor´m SG

Dank

reefshark



zak

Selbstverständlich hast du meine Genehmigung. Bei mir war die Sanktion (30%, 3 Monate) schon veranlasst. Ich hatte damals auch eine AGH abgelehnt, und das JC kam mit der gleichen Begründung, wie bei dir (" Sie sind .........Ihren Pflichten aus d. Bescheid......nicht nachgekommen, da Sie die AGH nicht angetreten haben ").

Der Text, so wie er oben steht, war Hauptbestandteil meines Widerspruches, ein paar Zeilen zur persönlichen Situation und zum Sachverhalt habe ich weggelassen, aber es sollte ja kein Problem sein, die individuell anzupassen. Diesem Widerspruch wurde nach ca. einem Monat in vollem Umfang entsprochen und die zurückbehaltene Leistung nachgezahlt.

Natürlich weißt du auch, daß ein so gestalteter Widerspruch keine allgemeingültige Erfolgsgarantie ist, aber letztendlich hast du ja nichts zu "verlieren", wenn diese Sanktionierung sowieso vors SG kommt.

Wie auch immer du es angehst, ich wünsche dir ganz viel Erfolg und drücke dir die Daumen!
Kopf hoch, zeigen wir es diesen Schweinebacken!


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