1-€ Jobs beschneiden?

Begonnen von Alan Smithee, 07:50:04 Mo. 18.April 2011

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Alan Smithee

Interessant:

ZitatVon der Leyen stutzt Ein-Euro-Jobs

Die Arbeitsministerin will eines der bekanntesten Instrumente auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschneiden: Die Ein-Euro-Jobs. Für Arbeitgeber wie Kommunen und Wohlfahrtsverbände wären sie damit kaum noch interessant.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will Ein-Euro-Jobs deutlich unattraktiver machen. Nach den Plänen der CDU-Politikerin sollen künftig drastisch verschärfte Regeln für diese Form der Beschäftigung gelten- womit sie für Arbeitgeber wie Kommunen und Wohlfahrtsverbände kaum noch interessant wäre. Das geht aus dem Entwurf für ein Gesetz zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente vor, der der FTD vorliegt.

Milliardenförderung

Von der Leyen stutzt damit eines der bekanntesten Arbeitsmarktinstrumente zusammen. Ein-Euro-Jobs wie Parkpflege, Hausmeisterhilfe in Schulen oder Hilfe in Altenheimen waren lange das beliebteste Einsatzgebiet für Langzeitarbeitslose. In Spitzenzeiten hatten über 300.000 Arbeitslose solche Jobs, 2010 gab die Bundesagentur für Arbeit 1,7 Mrd. Euro dafür aus.

Sowohl der Bundesrechnungshof als auch Handwerksverbände hatten jedoch immer wieder kritisiert, die Ein-Euro-Jobber verdrängten reguläre Jobs. Dies will von der Leyen nun offensichtlich verhindern. ::)

Beim Ein-Euro-Job erhalten Langzeitarbeitslose einen Stundenlohn zwischen 1 und 1,50 Euro, den sie zusätzlich zu ihren Hartz-IV-Bezügen behalten können. Der Träger, der sie beschäftigt, bekommt gleichzeitig für die sozialpädagogische Betreuung eine Pauschale von maximal 500 Euro pro Monat und Arbeitslosen. Diese Pauschale will Ministerin von der Leyen jetzt auf 150 Euro kürzen.

Zudem soll künftig vorgeschrieben sein, dass die Jobs "wettbewerbsneutral" ausgestaltet sind - also kein Privatunternehmen durch die staatlich bezuschusste Beschäftigung Nachteile erleidet. Kritiker bemängeln, dass sich nach diesem schwammig formulierten Kriterium kaum noch eine Tätigkeit für die Förderung qualifiziert.

Lob vom Handwerk

"Wenn das Gesetz so kommt, lassen sich die Arbeitsgelegenheiten kaum noch sinnvoll fortsetzen", sagte Markus Keller, Experte für Ein-Euro-Jobs im Deutschen Landkreistag. Die bislang gezahlte hohe Pauschale sei berechtigt, da schwierige Personengruppen beschäftigt würden. "Mit den vorgesehenen Beschränkungen ist das nicht mehr leistbar."
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks begrüßte die Pläne. "Immer wieder werden handwerkliche Tätigkeiten durch Ein-Euro-Jobber ausgeführt. Unseren Betrieben entgehen so Aufträge", sagte Generalsekretär Holger Schwannecke. Es sei richtig, den Wettbewerb zu berücksichtigen.
Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/:arbeitsmarkt-von-der-leyen-stutzt-ein-euro-jobs/60040732.html

Nur: was kommt danach? Schließlich braucht man ja Möglichkeiten, um die Statistik zu beschönigen bzw. Sanktionsgründe zu haben  ::) :o
...still dreaming of electric sheep...

Judy

Jetzt kommen verstärkt Maßnahmen mit Schnell-Qualifikationen mit hohem Praktikums/Probearbeitsanteil und mit einem guten Teil verkappter Schnüffelei im Privatleben und in der Psyche der Teilnehmer. Hierbei kriegen die Hartzer gar nichts dafür, wenn sie arbeiten und noch dazu findet die Arbeit in realen Betrieben statt und man rechnet damit, dass die Leute 300%igen Einsatz bringen in der Hoffnung dadurch einen Job zu kriegen. Fast jedesmal, wenn sich auf dem Elo oder hier Leute Wege suchen um  Maßnahmen zu verweigern, handelt es sich um Maßnahmen solcher Sorte, wenn man die hochgeladenen EGV mal anschaut.

Außerdem gibt es hier ja auch schon einen Thread, dass sich ein AG bei der Arge des Bewerbers darüber beschwert hat, dass der doch tatsächlich keine unbezahlte Probearbeit machen wollte, was für eine Frechheit. Und das war keine Bewerbung auf einen VV hin. Solche Postings werden vielleicht auch öfters auftauchen...

Judy

Mittlerweile hab ich auch einen Artikel auf SpOn gelesen, da hieß es dann auch, dass EEJ gekappt werden sollen, weil sie Arbeitsplätze ersetzen anstatt welche zu schaffen. Wollen wir mal hoffen, dass dann im gleichen Zuge auch Praktika und Probearbeit weg müssen, die vernichten ebenfalls Arbeitsplätze. Zumindest sollten wir gehörigen Lärm machen, damit das dann auch passiert. Man sollte Statistiken verlangen, in welchem Umfang und bei welchen Arbeitgebern Probearbeit und Praktika stattfinden und inwieweit dadurch tatsächlich Leute wieder in Arbeit gebracht werden konnten. Wie ich das sehe, sind diese Kurz-Qualis mit Praktika ja fast ausschließlich in solchen Bereichen, die traditionellerweise Hochburgen von Mißständen sind, von Sozialbetrug und Mißachtung von Arbeitnehmerschutzregeln bis hin zu anderen rechtlich sehr fragwürdigen Praktiken: Pflegebereich, Gastronomie, Bauarbeiten etc. wo es ziemlich häufig vorkommt, dass gängige Vorschriften umgangen werden plus ein Hang zu Billigstlöhnen vorliegt, so dass man in diese Berufe gar niemanden hineinzwingen kann auch nicht per Zeitarbeit. Der Gezwungene müßte dann nämlich nur die Gewerbeaufsicht anrufen und mit Fotohandy die Zustände dokumentieren und schon wäre er den ungeliebten Job wieder los, ohne dass man ihn sanktionieren kann.
Und genau in diesen Bereichen sollen nun durch Praktika Jobs geschaffen werden? Sehr interessant.

Aber ich will ja jetzt mal nicht gleich immer etwas Schlimmes denken, vielleicht verkündet von der Leyen ja auch bald das Ende der vielen Praktika und Probearbeiten, weil die ja auch Arbeitsplätze verdrängen. Man sollte sich diese Möglichkeit zumindest im Geiste nicht verbauen, sonst reagiert man zu verbissen. Wollen wir doch mal annehmen, dass es tatsächlich passieren kann, dass diese Regierung Vernunft annimmt und demnächst auch die vielen Kurzqualis und Probearbeiten verbietet.

Ich werde mal nach dem Artikel von Herr der Fliegen forschen, wo er einen Link gesetzt hat gegen die Armutsindustrie, ich meine diesen, wo am Ende dann steht dass statt der EEJ nun verstärkt Praktika zum Einsatz kommen sollen, um die Leute einzugliedern, dann weiß man ja wieder mehr.

Judy

Ich hab jetzt den Link gefunden:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76121041.html
In dem Artikel (sehr ehrlich, man staune)  geht es um Mißstände bei Hartz-IV allgemein und ein kleiner Absatz gegen Ende des Artikels macht stutzig:
Auszug:
Der Staat solle lieber verstärkt Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber zahlen, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen.

Es ist ein sehr weitgehender Vorschlag. Er könnte darauf hinauslaufen, dass die Unternehmen einen Teil ihrer Personalkosten auf den Staat abwälzen. Aber auch vielen Politikern ist klar, dass sie nicht einfach weitermachen können wie bisher, weshalb über den Sell-Vorschlag in der Unionsfraktion im Bundestag bereits diskutiert wird.


Hier noch ein Link aus dem Elo, wo ganz ohne Trainingsmaßnahme eine Arbeitslose zur Probearbeit geschickt wurde:
http://www.elo-forum.org/weiterbildung-umschulung-sinnlose-massnahmen/72362-probearbeiten-einfach-hause-geschickt.html

Judy

und noch ein Link, wo JC unbedingt unbezahlte Probearbeit erzwingen will:
http://www.elo-forum.org/weiterbildung-umschulung-sinnlose-massnahmen/72520-unfreiwillige-probearbeit.html

Irgendwie scheine nur noch ich hier zu posten...

Rudolf Rocker



ZitatIrgendwie scheine nur noch ich hier zu posten...


Jetzt nicht mehr!! ;D ;D ;D ;D

Judy

@Rocker: Wie schööön! Seltsam, dass da alle wohl lieber den Kopf in den Sand stecken anscheinend, da gehts doch direkt ans Eingemachte, bei diesem Thema.
Andrerseits auch wieder verständlich, ich klinke mich auch aus jetze. Ist Ostern und ich will ganz, ganz was anderes sehen und machen als Hartz-IV-Themen. Hab grade ganz viele Links über China gegoogelt und die ziehe ich mir aber erst nach Ostern rein.

So long.

arm+alt2


Alan Smithee

Heute noch nicht die Kloschüssel umarmt? Da kann ich nachhelfen: Laut den Mietmäulern vom IAB sollen angeblich die meisten arbeitsmarktpolitischen Instrumente "wirken"....

ZitatDie meisten arbeitsmarktpolitischen Instrumente wirken

Die meisten der bisher eingesetzten Arbeitsmarktinstrumente wie Weiterbildung oder Ein-Euro-Job sind nicht überflüssig. Das geht aus einer veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Zumindest für bestimmte Zielgruppen wirken sich die meisten Instrumente in unterschiedlichen Nuancen positiv aus. ,,Verbesserungspotenzial besteht vor allem bei der Zielgenauigkeit der Teilnehmerauswahl", schreiben die Arbeitsmarktforscher.

Selbst die oft kritisierten Ein-Euro-Jobs haben der IAB-Studie zufolge leicht positive Beschäftigungseffekte. Andererseits existiere aber auch kein ideales Instrument. So sei beispielsweise bei den betriebsnahen Instrumenten wie dem Eingliederungszuschuss oder den betrieblichen Trainingsmaßnahmen, welche die höchsten Eingliederungseffekte aufweisen, das Risiko von Mitnahme- und Substitutionseffekten groß. Verzichten könnte man laut IAB am ehesten auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), die in den vergangenen Jahren aber ohnehin nur noch wenig eingesetzt wurden.

Bei fast allen Instrumenten schwanke die Wirkung stark, wenn zwischen einzelnen Gruppen von Geförderten differenziert wird. Neben dem regionalen Umfeld, der Organisation und der Qualität der Maßnahme sei insbesondere die Teilnehmerstruktur von Bedeutung, betont das IAB. Die Forschungsergebnisse zu den Ein-Euro-Jobs würden beispielsweise zeigen, dass diese zu undifferenziert eingesetzt werden. Der Maßnahmeneinsatz orientiere sich insgesamt noch nicht konsequent genug an den individuellen Bedarfen der Arbeitslosen und dem Zuschnitt des Instruments.

Anzustreben sei, die gesetzlichen Detailregelungen zu verringern und stattdessen den Vermittlern mehr Spielraum bei der Anwendung der Instrumente zu geben. Wenig sinnvoll sei unter anderem die gesetzliche Trennung zwischen den verschiedenen Varianten von Eingliederungszuschüssen. Die Nürnberger Forscher merken dazu jedoch an: ,,Wird die Regelungsdichte bei Einzelinstrumenten zugunsten größerer dezentraler Flexibilität verringert, wächst die Herausforderung für die Vermittler weiter: Je komplexer und flexibler ein Instrumentenportfolio und je größer der Ermessensspielraum ist, desto höhere Qualifikation braucht es für den sachgerechten Umgang."

Die IAB-Studie im Internet:
http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb1111.pdf

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) - Pressestelle
(Bericht vom Sozialticker)

Mit anderen Worten: her mit den kostenlosen, hoch qualifizierten Arbeitskräften. Dadurch, dass immer wieder betont wird, dass man sich angeblich mehr an die "individuellen Bedarfen" der Arbeitslosen ordientieren möchte, lässt für mich nur diesen Umkehrschluss zu: hier soll die Wirtschaft bedient werden! Offensichtlich war man in der Vergangenheit mit der "Qualität" der zugewiesenen Zwangsarbeiter unzufrieden. Jetzt sollen die Vermittler solcher Maßnahmen eine höhere Qualifikation für den "sachgerechten Umgang" mit diesen Instrumenten aufweisen können.

Warum schlägt die IAB nicht gleich vor, die Personaler solcher "Unternehmen" fest in den Jobcentern zu installieren?
...still dreaming of electric sheep...

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