„Den Prolls die Fresse polieren“ - Kampf gegen die 'Unterschicht'

Begonnen von CubanNecktie, 20:47:28 Di. 18.September 2012

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CubanNecktie

Ein sehr guter Artikel, er geht auch auf die Situation in Deutschland ein (sieht nicht viel besser aus - als bei den Engländern).  kotz kotz kotz kotz
Ich Scheisse auf die Ausbeuterklasse! Habe auf Grund der Zeichenlänge nur das letzte Drittel hier reingestellt!

Zitat
......

Die Dämonisierung der Arbeiter ein hausgemachtes innerbritisches Problem?
Im Vereinigten Königreich sind die Klassengegensätze traditionell krasser, die Kluften zwischen Arm und Reich noch tiefer als in Deutschland. Entsprechend aggressiver sind die Auswüchse des Hasses auf das ,,riff-raff" (,,Gesocks").
Aber auch hierzulande ist eine signifikante Zunahme von Sozialchauvinismus und Ressentiments gegen ,,die da unten" wahrnehmbar. Bild verbreitet, beispielsweise mit der Kreation und Überzeichnung von Figuren wie ,,Karibik-Knut" und ,,Florida Rolf", seit Jahrzehnten den Mythos vom massenhaften ,,Sozialbetrug". Einige Privatsender haben regelrechte Hetzjagden auf Sozialhilfe-, später auf Hartz IV-Bezieher gestartet.

In Reality Shows wie ,,Frauentausch" darf der Zuschauer in die unterirdischen Lebenswelten stinkefauler ,,Prolls" hinabsteigen. TV-Schuldenberater betreuen coram publico ketterauchende Jogginghosen-Träger, während die ,,Punkt 12" beim RTL-Mittagsjournal ihre ersten ,,Kleinen Feiglinge" zum Frühstück vernaschen. ,,Extrem schön" verwandelt gönnerhaft hässliche kik-Entlein in schöne Versace-Schwäne. Die der neoliberalen Logik entspringende Botschaft der Sendungen: Nehmen Sie Ihr Schicksal selbst in die eigene Hand, dann ,,werden Sie geholfen".

Im Täterland ist Hitler nicht nur beliebte Allzweckwaffe der Neokonservativen gegen die Friedensbewegung, auch als Popanz im Kampf gegen die Keynesianer ist er zu gebrauchen:  So hat der Historiker Götz Aly herausgefunden, dass die NSDAP- und SS-Führer Leute ,,aus dem Volk" waren, ,,die wussten, was es bedeutet, wenn der Gerichtsvollzieher klingelt, und wie es ist, wenn eine komplette Familie wegen Mietschulden auf die Straße gesetzt wird". (7) Die Arbeiterklasse im NS-Staat hat in Alys Vorstellungswelt so glücklich und froh gelebt wie der berühmte Mops im Paletot: ,,Den einfachen Leuten ging es im Nationalsozialismus gut. Sie haben gerne mitgemacht und vom Krieg profitiert", weiß Aly (und sieht einmal großzügig von den paar Milliönchen ab, die in den Stahlgewittern der Ost-, West-, Nord-, Süd- sowie Feuerstürmen der Heimatfront krepiert sind. Auch die Zigtausende ermordeter und in KZ gepferchter Kommunisten und Sozialdemokraten sind offenbar Peanuts). ,,Wenn man die Gründe für Auschwitz wirklich verstehen will, soll man endlich aufhören, plakativ mit Namen wie ,Flick', ,Krupp' oder ,Deutsche Bank' zu operieren." Mörderisch im NS-Staat war doch nicht, wie noch Adorno dachte, die ,,bürgerliche Kälte" – nein, es war die ,,soziale Wärme". (8)

Ohne Hitler bliebe sogar noch Hartz IV ein unerfüllter Wunschtraum aller Langzeitarbeitslosen. ,,Vom Kündigungs- über den Mieter- bis zum Pfändungsschutz bezweckten Hunderte fein austarierte Gesetze das sozialpolitische Appeasement", lautet eine weitere sensationelle Entdeckung von Aly. ,,Hitler regierte nach dem Prinzip ,Ich bin das Volk', und er zeichnete damit die politisch-mentalen Konturen des späteren Sozialstaats Bundesrepublik vor." (9) Diese Behauptung ist zwar kompletter Unsinn, aber gut geeignet, um den Sozialstaat und seine Nutznießer zu kriminalisieren. Jones Beobachtung, weil es in Großbritannien gar nicht so leicht sei, den Sozialstaat zu zertrümmern, würden diejenigen verurteilt, die auf ihn angewiesen sind, trifft auch auf Deutschland zu, wo sich die ex-linke Intelligenz massenhaft als PR-Berater des Neoliberalismus andient. So wird jemand, der einfach nur seinen Anspruch auf ALG I oder II geltend macht, ganz schnell zum ,,Nazi-Hartzler" (in satirischer Anlehnung an diese Wortschöpfung bezeichnet sich ein Blogger als ,,Nazi-Hartzi"), wie auf dem rechten Islamhasser-Portal Politically Incorrect zu lesen ist. Dessen Betreibern ist die ,,soziale Hängematte" ebenso zuwider wie der ,,Umma-Sozialismus".

,,Die Regierung Schröder-Fischer steht vor der historischen Aufgabe des langen Abschieds von der Volksgemeinschaft", schrieb Götz Aly 2004 auf dem Höhepunkt der Anti-Hartz IV-Proteste (mit ,,Volksgemeinschaft" meinte er die sozialen Sicherungssysteme als angebliches Erbe des NS-Staates) (10) – eine Herausforderung, die die Sozialdemokraten mithilfe der neoliberalen Grünen mit Bravour gemeistert haben. ,,Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft", hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in Bild schon 2001 allen mit rechtspopulistischem Zungenschlag gedroht, die in den Boulevardzeitungen als ,,Sozialschmarotzer" gehandelt werden. Derartige Stimmungsmache lenkt gut von der Tatsache ab, dass längst nicht genug Lohnarbeit für alle da ist – schon gar nicht angemessen vergütete. Ex-SPD-Parteichef Kurt Beck empfahl einem Arbeitslosen: ,,Wenn Sie sich waschen und rasieren, finden Sie auch einen Job." Nivea und Gillette als Wundermittel gegen Rezession? Schröder forderte sogar, widerspenstige Arbeitssuchende härter ranzunehmen, und begrüßte Sanktionen: ,,Das ist richtig so. Ich glaube allerdings, dass die Arbeitsämter die entsprechenden Möglichkeiten noch konsequenter nutzen können." Wie Schröders Agenda 2010 bewiesen hat, bedeutet das Wort ,,Reform" – das hat Jones für den britischen Arbeitsmarkt feststellt – auch für Sozialdemokraten ,,nicht mehr sozialer Fortschritt, sondern Rückschritt und Kürzung".

Die Klassenfrage wieder auf die Tagesordnung setzen

Als historischer Materialist weiß Owen Jones, dass es nicht damit getan ist, vom bürgerlichen Lager mehr Respekt vor der Arbeiterklasse zu fordern und eine politisch korrekte Sprache in Medien, Politik und Alltagskultur durchzusetzen.  Die würde die real existierenden sozialen Abgründe nur noch mehr verhüllen. Es gilt auch nicht, in erster Linie die Herrschenden zur Räson – es gilt, die Unterdrückten zur Besinnung zu bringen.

,,Letztlich müssen wir nicht gegen Vorurteile kämpfen", schreibt Jones, ,,sondern gegen das, was sie ermöglicht." Aber wie gelingt es denen, die diesen Kampf führen müssen, sich neu zu formieren und entschlossen auf die Barrikaden zu gehen? Es bedarf starker, handlungsfähiger Gewerkschaften, antikapitalistischer, zumindest kapitalismuskritischer Parteien und anderer linker Organisationsstrukturen.

Dabei ist eine Hürde von gewaltiger Höhe zu überwinden. Der Marxist Herbert Marcuse, einer der führenden Vertreter der Kritischen Theorie, Gesellschaftstheoretiker und Revolutionär, hatte in seiner Schrift ,,Der Eindimensionale Mensch" auf das Problem hingewiesen, dass die Unterdrückung des Menschen in der spätkapitalistischen Gesellschaft längst nicht nur auf der ökonomischen, sozialen und politischen Ebene stattfindet. Auch die dem System immanenten und auf seinen Widersprüchen basierenden emanzipativen Negationspotentiale werden neutralisiert – vor allem durch Kulturindustrie, eine falsches Bewusstsein produzierende Apparatur des Massenbetrugs. Daher maß Marcuse dem Projekt der richtigen Interpretation der Welt eine große Bedeutung zu, wie der israelische Philosoph Zvi Tauber in seinem Buch ,,Befreiung und das ,Absurde'" (eine Abhandlung über die Frage nach der Möglichkeit ,,der Verwirklichung der Freiheit des Menschen als positive Verwirklichung des Menschen" im Sinne einer Befreiung aus dem Würgegriff einer totalitären Ökonomie) darlegt: Auch wenn die theoretische Interpretation der Welt die dringend benötigte revolutionäre Praxis nicht ersetzen könne, so sei ,,die Interpretation doch zumindest in der Lage, aufgrund der kritischen Analyse der vorhandenen Gesellschaft, umfassend eine mögliche verändernde Praxis zu projizieren und diese zu beeinflussen", bringt Tauber einen wichtigen Gedankengang aus dem ,,Eindimensionalen Menschen" auf den Punkt: ,,Nach Marcuse beabsichtigte Marx' ,11. These über Feuerbach' nie, die Überflüssigkeit einer theoretischen Weltinterpretation zu lehren", schreibt Tauber. ,,Im Gegenteil: Man müsse die Welt verstehen und deuten, um sie zu verändern." (11)    

Das heißt für die Arbeiterklasse in Großbritannien – und überall – konkret: Um eine Wende in ihrem kollektiven Bewusstsein herbeiführen zu können, müssen die Ideologieschichten abgetragen werden, die der Thatcherismus und andere Formen des Neoliberalismus hinterlassen haben. Es gelte zunächst einmal, mit einigen ,,Irrtümern" aufzuräumen, fordert Jones. Die lauteten: ,,Wir gehören alle zur Mittelschicht, es gibt keine Klassengesellschaft mehr, und soziale Probleme sind auf das Versagen von Einzelnen zurückzuführen." Eine Besserung der Lage sei nur in Sicht, wenn die Klassenfrage wieder auf die Tagesordnung gesetzt werde. ,,Zur Emanzipation gehört die Klassenfrage. Wer nicht über Klassen spricht, verliert die Emanzipation aus dem Blick." Margret Thatcher war das in den 1980er-Jahren weitaus bewusster als der Mehrheit der Lohnabhängigen heute. Wie alle bourgeoisen Klassenkämpfer fürchtete sie kaum etwas mehr als ein historisches Wiedererwachen und Zu-Sich-Kommen der Arbeiter.  Während ihre Torys sich in programmatischen Schriften freimütig zu einer Gesellschaft bekannten, deren zentraler Wesenszug die Herrschaft des Menschen über den Menschen ist, und nur diejenigen als Problem ausmachen, die gegen sie aufbegehren (,,Nicht die Klassengesellschaft spaltet die Nation, sondern das Klassenbewusstsein"), leugnete Thatcher in der Öffentlichkeit vehement deren Existenz: ,,,Klasse' ist ein kommunistisches Konzept", lautete Thatchers Versuch, die elementare Wahrheit jeder kapitalistischen Gesellschaft zur Phantasmagorie zu lügen und sie als linke Demagogie zu diskreditieren.

Wie Owen Jones beobachtet hat, können die Konservativen heute – gegen extrem geschwächte Gewerkschaften und eine hoffnungslos zerstrittene Linke befinden sie sich auf der Siegerstraße – selbstbewusst auftrumpfen: ,,Die Torys der alten Schule sagen, es gebe keinen Klassenkampf", zitiert Jones den Herausgeber von deren Parteizeitung Peregrine Worsthorne. ,,Die neuen Torys verschweigen nicht: Wir sind Klassenkämpfer, und wir wollen gewinnen." Aber mit dem Einsetzen der schwersten Krise seit 1929, deren Folgen ein noch brutalerer Sozialabbau, dramatische Entdemokratisierungsprozesse und eine massive Verletzung von Grund- und Bürgerrechten sind, wird der Mythos von der ,,klassenlosen Gesellschaft" in der Bevölkerung unter Hochdruck weiterverbreitet.

Das Kapital und das politische Establishment  können auf einen Mechanismus setzen, der in dieser prekären historischen Situation unweigerlich eintritt: Während die kapitalistische Gesellschaft ,,die Lehre vom Klassenkampf mit Konzentration und Zentralisation vindiziert, äußerste Macht und äußerste Ohnmacht unvermittelt, in vollkommenem Widerspruch einander entgegenstellt, lässt sie die Existenz der feindlichen Klassen in Vergessenheit geraten", hatte Adorno nach seiner Erfahrung des damaligen Faschisierungsprozesses den Verlust des Klassenbewusstseins erklärt, nachdem er auf die Wahrheit gepocht hatte: ,,Alle Geschichte heißt Geschichte von Klassenkämpfen" (12) – solange es eine ,,Zwangsorganisation zur Aneignung fremder Arbeit" gibt. (13) ,,Das teuflische Bild der Harmonie, die Unsichtbarkeit der Klassen in der Versteinerung ihres Verhältnisses gewinnt darum nur jene reale Gewalt übers Bewusstsein, weil die Vorstellung, es möchten die Unterdrückten, die Proletarier aller Länder, als Klasse sich vereinen und dem Grauen das Ende bereiten, angesichts der gegenwärtigen Verteilung von Macht und Ohnmacht aussichtslos scheint", schrieb Adorno weiter.

Andererseits haben die bittere Realität und der Leidensdruck im Laufe der Geschichte aber auch immer wieder Menschen dazu bewogen, sich zu einem widerständischen Kollektivsubjekt zusammenzuschließen und sich zu wehren. Auch das wusste Adorno, der posthum gleichermaßen von Kritikern und Anhängern zum konservativen Kulturpessimisten zurechtgestutzt wird, obwohl er sich nie vom Weltveränderungspostulat losgesagt hatte. Noch kurz vor seinem Tod betonte er, dass es die Negativität der Verhältnisse selbst ist, von denen die Menschen die revolutionären Impulse zur Umkehr bekommen: ,,Die verhärteten Institutionen, die Produktionsverhältnisse, sind kein Sein schlechthin, sondern noch als allmächtige ein von Menschen Gemachtes, Widerrufliches. In ihrem Verhältnis zu den Subjekten, von denen sie stammen, und die sie umklammern, bleiben sie durch und durch antagonistisch. Nicht bloß verlangt das Ganze, um nicht unterzugehen, seine Änderung, sondern es ist ihm auch, kraft seines antagonistischen Wesens, unmöglich, jene volle Identität mit den Menschen zu erzwingen, die in den negativen Utopien goutiert wird." (14)

Der Ökonom Winfried Wolf, Autor von ,,Sieben Krisen – ein Crash", sagte unlängst, heute gelte (mitten in einer gigantischen Wirtschaftskrise, die auf allen Ebenen die Fortexistenz der Menschheit und der Natur gefährdet) weniger, dass ,,Revolutionen die Lokomotiven der Geschichte" sind, wie Karl Marx meinte. Näher an der Realität der Gegenwart sei wohl die Vorstellung des Philosophen Walter Benjamin, dass ,,Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse" sind. ,,Die Perspektive des Klassenkampfes ist zu einer Frage des zivilisatorischen Überlebens der Menschheit geworden", so die Überzeugung von Werner Seppmann, dass die zugespitzten Verhältnisse als Weckruf zu verstehen sind.  

Einige haben ihn offenbar gehört. Auch wenn ihnen nicht bewusst war, was sie und warum sie es taten, auch wenn sie teilweise das Falsche taten, indem sie ihre berechtigte Wut gewalttätig gegen ihre ebenso ohnmächtigen wie betrogenen Nachbarn richteten: Es war kein Zufall, dass die Armen 2011 in der Stadt mit dem größten Sozialgefälle der Welt den Aufstand probten (die reichsten 10 Prozent besitzen 273-mal mehr als die ärmsten 10 Prozent) in einem Land, in dem derart große Ungerechtigkeit herrscht, dass dem einen Prozent ganz oben 23 Prozent und der gesamten unteren Hälfte nur sechs Prozent des Wohlstands gehören.

Immer mehr Angehörige der Arbeiterklasse verstehen, dass sie diejenigen sind, die die Krise am härtesten trifft und dass sie von den Happy Few als Bauernopfer verheizt werden. Seit 2011 ,,erlebt der Protest einen seiner größten Comebacks seit den 1960er-Jahren", meint Owen Jones und verweist auf Hunderte von Demonstrationen, Betriebsbesetzungen und Streiks gegen die Spardiktate in Großbritannien. Viele Teilnehmer seien Arbeiter gewesen, die beispielsweise gegen die Abschaffung des Bildungsgeldes für Studenten aus einkommensschwachen Familien aufbegehren. Auch Hunderttausende von Lehrern und Beamten haben gestreikt, führt Jones weitere Beispiele an, und sich dann Müllmännern und Krankenschwestern angeschlossen. ,,So etwas hat es seit dem Generalstreik von 1926 nicht  gegeben." Jones hofft, dass in seinem Land noch viel mehr Ausgebeutete sich aus der Paralyse der Resignation lösen und wieder Klassenbewusstsein entwickeln werden: ,,Wir brauchen den Druck der Massen", sagt Jones. ,,Sie müssen für einen neuen Weg kämpfen. Die konservativen Torys, Blairs New Labour und ihre reichen Hintermänner sollen nicht denken, dass sie schon gewonnen haben. Jetzt steht viel auf dem Spiel."      

Quelle:
http://www.hintergrund.de/201209172242/feuilleton/zeitfragen/den-prolls-die-fresse-polieren.html
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Passwort: chefduzen.de

counselor

Ein sehr guter Artikel. Er trifft den Nagel auf den Kopf: Es ist die Ideologie, die hauptsächlich durch die Massenmedien in die Köpfe der Leute transportiert wird, die den Klassenkampf lähmt. Diese Ideologie verschleiert die Klassenwiderspüche bzw. läßt diese als überwindbar erscheinen. Das kann aber nur funktionieren, solange die Übergänge in den Lebensverhältnissen zwischen den Arbeitern und den Zwischenschichten fließend sind.

Das größte Problem für die Herrschenden ist die grundlegend negative Ausrichtung der Ideologie. Die Inhalte dieser Ideologie sind: Desorientierung, Desorganisierung, Demoralisierung und Spaltung der Arbeiter- und Volksbewegung. Ferner bedient sich diese Ideologie einer sozialen Phrasendrescherei, mit der die drastische Verschlechterung der Lebensverhältnisse der Massen als "alternativlos" oder "kleineres Übel", "vertretbarer Abbau sozialer Leistungen" dargestellt werden, die "annehmbar" sind.

Und Götz Aly ist kein Historiker, sondern ein Scharlatan. Seine Methode ist der Eklektizismus.

Rudolf Walther
07.03.2008 | 00:00
Flucht aus der Empirie

Ferndiagnose In seinem Buch über 1968 ruiniert der Historiker Götz Aly mit einer Mischung aus Küchenpsychologie und Denunziation seinen wissenschaftlichen Ruf ...

Quelle: Der Freitag
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

CubanNecktie

Passend dazu auch die Denke von Mitt Romney (republikanischer Konkurrent von Obama).

Zitat"47 Prozent der Leute werden für den Präsidenten stimmen, egal was geschieht. Diese 47 Prozent sind abhängig von der Regierung; sie glauben, Opfer zu sein; sie glauben, dass die Regierung die Verantwortung hat, sich um sie zu kümmern; sie glauben, dass sie einen Anspruch haben auf Gesundheitsversorgung, auf Essen, auf Wohnen, auf alles mögliche. (...) Diese Leute zahlen keine Einkommensteuer (...) Es ist nicht meine Aufgabe, mir Gedanken um diese Leute zu machen. Ich werde sie niemals überzeugen können, persönliche Verantwortung zu übernehmen und sich um ihr eigenes Leben zu kümmern."

Quelle: http://stefanienorden.de/worst-practice-mitt-romney-und-47-schmarotzer/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=worst-practice-mitt-romney-und-47-schmarotzer

Aber so wie er denken viele Politiker, auch hierzulande  kotz kotz kotz
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Passwort: chefduzen.de

pjotr

Die Dämonisierung der Arbeiterklasse: In seiner grundlegenden Studie untersucht Owen Jones, wie aus dem "Salz der Erde" der "Abschaum der Welt" werden konnte. Er zeichnet eine komplexe soziale Realität, während er die Unwissenheit und die Vorurteile entlarvt, die die überall zu findende Karikatur des "Prolls" formen.
http://www.freitag.de/buch-der-woche/prolls
Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt.
-Karl Kraus-

Kuddel

Das paßt ja gut zu dem Posting von vor einigen Tagen von Lafarg...


Zitat von: lafarg am 00:12:57 Do. 25.Oktober 2012
Der demokratische Staat ist nicht auf dem rechten Auge blind. Er sieht genau hin, wenn er faschistische Strukturen mitfinanziert und mitorganisiert. Der Staat hält sich ein paar Hausnazis. Bei großen Teilen der Antifa ist die Demokratie keine Diktatur des Kapitals, sondern ein großes und schönes Ideal. Dieser Selbstbetrug großer Teile der antifaschistischen Straßenbewegung macht deren staatliche Instrumentalisierung zu einer relativ einfachen Geschichte.


Am Samstag, den 3. November um 16:00 Uhr im Rahmen der Linken Literaturmesse in Nürnberg Künstlerhaus, Königsstraße 93, wollen wir gemeinsam mit Soziale Befreiung die Broschüre ,,Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus" vorstellen. Ihr seid herzlich eingeladen zu kommen.

Es ist wohl nötig es so provokant zu formulieren:  ,,Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus"

Die "Linksradikale" Szene definiert sich zu einem großen Teil subkulturell, also über Klamotten, Tattoos und Piercings, Sprache, Musik und einige gemeinsame Events, wie militante Demos. Das fehlende politische Wissen sorgt für eine oftmals de facto reaktionäre Politik. Nur so ist es zu erklären, daß die befürchteten sozialen Unruhen durch die Wiedervereinigung und die Enteignung der Ex-DDR abgewendet werden und in Rassismus und Ost-West Resentiments umgemünzt werden konnten. Die Geheimdieste brauchten nur den Aufbau von Rechtsrock, die inszenierten Pogrome von Rostock Lichtenhagen, den Thüringer Heimatschutz und die NSU und den Rest bersorgte die Antifa. Alle Ossis galten als potentielle Nazis und wurden so den Faschisten in die Arme getrieben. Es gab nichteinmal den zaghaftesten Versuch gemeinsam gegen die Enteignung des Ostens durch Westdeutsche Raubritter vorzugehen und eine kollektive Selbstverteidigung zu organisieren. Es gab eine Zeit überregionale Treffen Ostdeutscher betrieblicher Vertrauensleute, doch die wurden vom DGB zerschlagen.

Rudolf Rocker

ZitatDie "Linksradikale" Szene definiert sich zu einem großen Teil subkulturell, also über Klamotten, Tattoos und Piercings, Sprache, Musik und einige gemeinsame Events, wie militante Demos. Das fehlende politische Wissen sorgt für eine oftmals de facto reaktionäre Politik. Nur so ist es zu erklären, daß die befürchteten sozialen Unruhen durch die Wiedervereinigung und die Enteignung der Ex-DDR abgewendet werden und in Rassismus und Ost-West Resentiments umgemünzt werden konnten. Die Geheimdieste brauchten nur den Aufbau von Rechtsrock, die inszenierten Pogrome von Rostock Lichtenhagen, den Thüringer Heimatschutz und die NSU und den Rest bersorgte die Antifa. Alle Ossis galten als potentielle Nazis und wurden so den Faschisten in die Arme getrieben. Es gab nichteinmal den zaghaftesten Versuch gemeinsam gegen die Enteignung des Ostens durch Westdeutsche Raubritter vorzugehen und eine kollektive Selbstverteidigung zu organisieren. Es gab eine Zeit überregionale Treffen Ostdeutscher betrieblicher Vertrauensleute, doch die wurden vom DGB zerschlagen.

Interessant!
Du pauschalisierst in Deiner Aussage genau so, wie Du anderen Pauschalisierung vorwirfst!
Wer ist denn DIE Antifa? Wer ist denn DIE "Linksradikale" Szene?
Haben z.B. die Ostdeutschen Antifas auch alle "Ossis" für Nazis gehalten?
Dein Vergleich hakt ein bißchen, oder?



Kuddel

Zitat...Die "Linksradikale" Szene definiert sich zu einem großen Teil subkulturell...
Ich differenziere durchaus. Meine eigene politische Sozialsierung stammt aus dieser Szene, ich weiß wovon ich rede. Ich war in Rostock einmal mittenmang in einer Schlägerei mit Nazis und habe in der gleichen Stadt mit einem Genossen aus London eine Antifaveranstaltung in einem besetzten Haus ("Tante Trude") durchgeführt.  Ich war auch in Rostock, als es nach dem Lichtenhagen Pogromen zu der großen Antifademo kommen sollte. Als ich das selbstherrliche Auftreten der sich sammelnden Antifas sah, wurde mir körperlich derart unwohl, daß ich reißaus und den nächsten Zug gen Westen nahm.

Die Problematik ist bei allem guten Willen unbestritten:
ZitatEs gab nichteinmal den zaghaftesten Versuch gemeinsam gegen die Enteignung des Ostens durch Westdeutsche Raubritter vorzugehen und eine kollektive Selbstverteidigung zu organisieren.
ZitatDieser Selbstbetrug großer Teile der antifaschistischen Straßenbewegung macht deren staatliche Instrumentalisierung zu einer relativ einfachen Geschichte.

Rudolf Rocker

Das ändert aber nichts an der Tatsache, das es DIE Antifa nicht gibt!
DIE Antifa ist eine Erfindung der Mainstreammedien in dem es so etwas wie ein bürgerlicher Antifaschismus z.B. gar nicht vorkommt!

Ich kann ja auch nur für den Bereich sprechen in dem ich seit über 15 Jahren Antifaarbeit mache. Aber genau hier war es so, das die Genossen (im Gegensatz zur Mainstreampresse) schon sehr früh davor warnten, das Problem mit dem Neofaschismus ausschließlich auf den Osten zu beschränken und immer wieder betonten das es in Bundesländern wie NRW und Niedersachsen zum Teil noch größere Probleme gab (und gibt).

Und nochmal: Die Antifa ist keine homogene Gruppe! ::)

Tiefrot

ZitatUnd nochmal: Die Antifa ist keine homogene Gruppe!
Das ist genau der Punkt.
Es wäre schon lange an der Zeit, einen gemeinsamen Nenner zu finden
und darauf seine Ideen und Forderungen aufzubauen.
Anders ist kein brauchbares Gegengewicht zum braunen Mob zu realisieren.  :rolleyes:
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet Facebook ab !

Kuddel

Ich ertrage die Verblendetheit und Dummheit der hiesigen Journalisten beim besten Willen nicht.
Sie lügen sich die Welt so zurecht, wie es ihren Herren paßt.

Bei den Aufständen in Nordafrika behaupteten sie dreist, es wäre die neue Mittelklasse, die dort demonstrierte. Und über China hört man auch immer wieder die gleiche Leier: Die Demonstrationen und Aufstände wäre das Werk der jungen Mittelklasse.

Ja, das Weltbild sitzt fest. Unterschichtler sind fett, dumm und können nur Träsh TV glotzen. Daß einfache Menschen für eine bessere Welt kämpfen könnten, können sie sich in ihren bornierten Schädeln schlichtweg nicht vorstellen.

So haben sie prompt das gleiche Erkärungsmuster für Brasilen:
ZitatRebellen aus der Mittelschicht

Die Mehrheit dieser Rebellen stammt keineswegs aus den Favelas, sondern aus der Mittelschicht. Über Nacht fand sich ein Potpourri von Themen, das den Söhnen und Töchtern Brasiliens missfällt. "Brasilien ist schön, aber wir sind nicht das Wunderland, für das man uns hält", sagt eine Biologin mit brasilianischer Flagge.
http://www.sueddeutsche.de/politik/massenproteste-in-brasilien-rebellen-aus-der-mittelschicht-1.1699783-2

kotz    kotz      kotz



Kuddel

Der Klassenbegriff ist so gut wie getilgt. Damals gab es angeblich mal sowas.
Heute kann man prekär beschäftigt sein bis zum Abwinken und fühlt sich immernoch als "Mittelklasse". Zum Beispiel die Journalisten, deren Zeilenhonorar nur einen Hungerlohn ergibt, die Leute, die sich in IT Klitschen verdingen oder "irgendwas mit Medien" machen, die wollen nichts mit einem Proletariat zu tun haben, denn wie das aussieht,  wissen sie aus den scripted Reality Sendungen des Privatfernehens. Und unter solchen Verhältnissen können sich selbst Callcentermitarbeiter noch als "Mittelklasse" fühlen.

Dem Proletariat wird die Fähigkeit zu denken und weitsichtig zu handeln schlichtweg abgesprochen.

Auch hier bei der "linksliberalen" Frankfurter Rundschau:
ZitatNicht nur in der Türkei, auch in Deutschland müssen das aufgeklärte Bürgertum und seine Kinder die Freiheit der Demonstration immer wieder neu verteidigen.
...
Wenn nicht alles täuscht, gibt es zwischen der Hoch-Zeit der ,,Arabellion" sowie den Bürgerbewegungen in Istanbul, Stuttgart und Frankfurt einige Gemeinsamkeiten.
...
Sie bestehen – entgegen dem ,,Wutbürger"-Geschwätz sogar in Stuttgart – zum großen Teil aus jungen, oft gebildeten Leuten...

Aber auch in Deutschland sollte niemand glauben, dass sich der Protest des aufgeklärten Bürgertums...

Und es wird auch in Zukunft bürgerlichen Engagements bedürfen...
http://www.fr-online.de/meinung/tuerkei-blockupy-protest-der-kern-des-widerstands,1472602,23419172.html

MizuNoOto

ZitatJa, das Weltbild sitzt fest. Unterschichtler sind fett, dumm und können nur Träsh TV glotzen. Daß einfache Menschen für eine bessere Welt kämpfen könnten, können sie sich in ihren bornierten Schädeln schlichtweg nicht vorstellen.
So haben sie prompt das gleiche Erkärungsmuster für Brasilen:
Rebellen aus der Mittelschicht

Scheinbar ist es aber schon die Mittelschicht, die diesmal in Brasilien demonstriert. Die Unterschicht ist farbig, die Demonstranten mehrheitlich weiß. Zumindest auf den Bildern, die ich gesehen habe.

"Unterschicht"widerstand gibt es in Südamerika nach meinem Eindruck vor allem auf dem Land: die Cocabauernbewegung, die Landarbeiterbewegungen, die Proteste gegen die Rodung des Regenwaldes, Wasserkraftwerke...

In den Städten hingegen ist die Lage eher wie in Europa: hier geht die Unterschicht ja nichtmal wählen.


Rudolf Rocker

ZitatScheinbar ist es aber schon die Mittelschicht, die diesmal in Brasilien demonstriert. Die Unterschicht ist farbig, die Demonstranten mehrheitlich weiß. Zumindest auf den Bildern, die ich gesehen habe.


Sir Vival

Unterschicht farbig?
Mittelschicht weiß?

::) ::) ::) :P :P :P

Das ist aber schwarz/weiß, oder?

Es kann sein, daß es mehr dunkelhäutige in dieser "Unterschicht" gibt und mehr hellhäutige in der "Mittelschicht". Mag aber Zufall sein.
Gerade Brasilien ist ein Land, in dem Menschen fast allen Ursprungs sich im Laufe der Jahrhunderte einfanden und sich alles vermischt hat. Das Bild erinnert mich an Europa oder Deutschland etwa 150-200 Jahren. Dann sind wir alle gleich, keiner motzt mehr über die (äußerlich anderen) Ausländer und gut ist´s  :)
Da ist der eine eben ein bissl heller als der andere, aber immer noch dunkel. Der andere ist ein wenig dunkler als der andere, aber immer noch hell. Na, was denn nun?
Ich denke, da gibt´s keine Abgrenzung über den Farbeimer....... :D ;)
Es tofft viel Spass in Steckifee.........

MizuNoOto

@ Sir
Keine Abgrenzung über den Farbeimer? In Südamerika?
ZitatEiner der bekanntesten kirchlichen Menschenrechtsaktivisten, der mit dem alternativen Nobelpreis geehrte Francisco Whitaker, nennt Brasilien ein Land der Apartheid.
NZZ

@RR
Ich habe nochmal ein paar Zeitungsartikel durchgesehen. Die Mehrheit der Demonstranten ist auf Photos, die in deutschen Zeitungen abgedruckt werden, weiß. Kann natürlich auch an der Fotoauswahl liegen.

Kuddel

Hier bestätigt sich wieder, was ich in vorherigen Postings zu sagen versuchte: Der Klassenbegriff ist heutzutage so gut wie getilgt. Als "Klasse" betrachtet man "Unterschichten" und die wiederum als kulturelles Phänomen. Die sind nicht wie wir, die sind dumm und träge. MizuNoOto betet diesen diesen Stuß nach: "... wie in Europa: hier geht die Unterschicht ja nichtmal wählen."
Arbeitslose Akademiker und Studenten ohne Karrierechancen sind natürlich "Mittelklasse" weil sie hippe T-Shirts tragen.

Die Prolls kriegen weiter auf die Fresse. Verbal und in diesem Forum.

Rudolf Rocker

ZitatIch habe nochmal ein paar Zeitungsartikel durchgesehen. Die Mehrheit der Demonstranten ist auf Photos, die in deutschen Zeitungen abgedruckt werden, weiß. Kann natürlich auch an der Fotoauswahl liegen.

Ich vermutel mal, das hängt auch damit zusammen wo die Fotos aufgenommen wurden.
Will sagen: Es gibt sicherlich Stadtteile wo mehr Menschen mit einer helleren Hautfarbe wohnen als in anderen.
An der Hautfarbe die Klassenzugehörigkeit, bzw. die Vermögensverhälnisse festmachen zu wollen, halte ich für problematisch.

Troll

Zitat von: Rudolf Rocker am 15:30:31 So. 23.Juni 2013
An der Hautfarbe die Klassenzugehörigkeit, bzw. die Vermögensverhälnisse festmachen zu wollen, halte ich für problematisch.

Sehr problematisch, denn die Hautfarbe entscheidet noch immer sehr über den Verdienst, genauso wie die Geschlechtszugehörigkeit.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

MizuNoOto

@Kuddel
Die Klage, dass der Klassenbegriff in den Diskursen der bürgerlichen Öffentlichkeit keine Rolle spiele, ist lächerlich. Was erwartest du?
Ich zähle mich persönlich zur Unterschicht. Leider gehöre ich damit einer Minderheit der HartzIVEmpfänger an.

@RR
aus meinem NZZ-link
ZitatWürden nur die Dunkelhäutigen in Betracht gezogen, folgerten die Fachleute des Uno-Entwicklungsprogramms (UNDP), läge Brasilien auf dem Index für menschliche Entwicklung lediglich auf Platz 105. Nähme man indessen nur das weisse Brasilien, reichte es für den 44. Platz in der Gruppe hochentwickelter Staaten.

Rudolf Rocker


Kuddel

Nur weil es keine Diskussion über den Begriff der Klasse gibt, kommt man mit diversen Spaltungslinien davon. Und eben nicht nur in der bürgerlichen Presse!

In den 60er und 70ern war der DGB ja groß darin die Arbeiterklasse ganz klar abzugrenzen. Die Angestellten gehörten für sie z.B. nicht dazu, denn die organisierten sich in der Gewerkschaft DAG, die nicht zum DGB gehörte (bis sie sie 2001 Teil von Verdi wurde). Und natürlich waren die Jugendlichen aus Arbeiterfamilien, die keine Lust zum Arbeiten hatten und zur Protest- und Hippiekultur gehörten, in ihren Augen kein Teil der Arbeiterklasse.

Von einem ähnlichen Klassenbegriff sind in den 70er Jahren die K-Gruppen ausgegangen, die dazu aufriefen zur politischen Arbeit in die Betriebe zu gehen. Sie waren abgrundtief spießig, verlangten von den Aktivisten sich erstmal die Haare zu schneiden um Arbeiter besser überzeugen zu können und hatten wenig übrig für die Protestkultur der Zeit.

Diese DGB Vorstellungen haben die Autonomen der 80er für sich uminterpretiert. Sie verachteten die Arbeiter als reaktionär und sexistisch. Sie selbst kamen zumeist mit den damals vergleichsweise vernüftigen Sozialleistungen gut klar und betrachteten sich mit ihren militanten Kämpfen als revolutionäre Avantgarde. Die Arbeitswelt war keiner Diskussion würdig. Einzige Ausnahme da war die Zeitschrift Wildcat. Die hat aber gegen Windmühlen gekämpft.

Heute nerven mich die Mayday Aktivisten, die ähnliche Spaltungen weitertragen. Die IT-Spezialisten, die Irgendwas-mit-Medien-Spinner und daheim am Rechner Arbeitenden sehen sich als Digitale Boheme und als Prekariat, sie solidarisieren sich vielleicht noch mit der migrantischen Putzkraft, wollen aber mit "dem Arbeiter" nichts zu tun haben.

Heute wird's halt richtig wischi-waschi. Harald Schmidt prägte den Begriff des "Unterschichtenfernsehens" und das Unterschichtenfernsehen prägte das Bild von besagten Schichten mit ihren scripted reality Shows. Das setzte sich bis in dieses Forum fort. Auch hier redeten Leute von denjenigen, die vor ihren Flachbildshirmen sich nur von Bier und Junkfood ernähren.

Zu denen will nun keiner gehören. Deshalb definieren diverse Leute sich selbst als "Mittelklasse", egal wie am Arsch sie ökonomisch sein mögen. Freiberufler halten sich für Unternehmer.

Keiner will eine Klasse sehen, die zu jeweils unterschiedlichsten Bedingungen einfach nur Teil der großen Produktions- und Ausbeutungsmaschinerie gehört. So führen die Spaltungen innerhalb der Klasse zu Haß untereinander, der noch geschürt wird. Die bürgerliche Medien versuchten den Protest gegen Stuttgart 21 zu diskreditieren indem man behauptete, die Protestler wären sozial gut gestellt.

Solch ein Scheiß hat(te) auch bei chefuzen Konjunktur. Joachim Kühnel hatte wenig Verständnis für streikende Automobilarbeiter, er haßte Beamte und streikende Piloten. Alfred war der Meinung, streikende Lokführer würden ihren Arbeitskampf auf Kosten der Reinigungskräfte führen.

Welche Vorstellungen gibt es denn von Klassenkampf oder Revolution? Sollen alle auf einmal aufstehen und alles ändern? So läuft sowas im wirklichen Leben nicht. Es erheben sich (erstmal) immer nur Teile der Klasse. Es gibt auch diverse Widersprüche und Konflikte innerhalb der Klasse.

Es geht mir derart auf den Sack immer zu hören, es würden sich gerade die Falschen erheben. In Brasilien wären die "Richtigen" nach MizuNoOto diejenigen mit schwarzer Hautfarbe. Diejenigen, die gerade kämpfen sind nach MizuNoOto (und eben nicht nur der Bürgerlichen Presse) "Mittelklasse".

In den Mittelmeerländern haben bereits viele Akademiker (nach dieser Definition "Mittelklasse") nicht nur ihre Krankenversicherung verloren, sondern oft sogar ihr Dach über dem Kopf. So kann es gehen mit dieser Mittelklasse.

Wir sollten froh sein über alle, die Aufstehen und hoffen, daß sie viele andere aus anderen Branchen, Schichten, Kulturen und Subkulturen mitreißen mögen.

Diese ätzenden Spaltungen in Gruppen, denen es nur viel zu gut geht und Leuten, die zu dumm zum Wählen sind, sind Grund für unsere Schwäche und die Ruhe im Land.

ZitatProteste in Rio, Brasília und Fortaleza
Brasilianer erwägen Generalstreik

Die Menschen sind wütend und sie protestieren weiter. In Brasilien gehen wieder Tausende Menschen gegen Korruption und Verschwendung auf die Straße. Die Demonstrationen sind kleiner als noch vor Tagen, doch jetzt ist ein Generalstreik im Gespräch.
http://www.sueddeutsche.de/politik/proteste-in-rio-brasilia-und-fortaleza-brasilianer-erwaegen-generalstreik-1.1703981

Troll

Zitat... wollen aber mit "dem Arbeiter" nichts zu tun haben.

Ich habe das Gefühl selbst Arbeiter wollen nichts mit "dem Arbeiter" zu tun haben, dieser Arbeiter hat die Arschkarte, in Sonntagsreden zum Rückgrat der Gesellschaft hochstilisiert und danach Politik der puren Verachtung für die Arbeiterklasse.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel

ZitatIch habe das Gefühl selbst Arbeiter wollen nichts mit "dem Arbeiter" zu tun haben, dieser Arbeiter hat die Arschkarte, in Sonntagsreden zum Rückgrat der Gesellschaft hochstilisiert und danach Politik der puren Verachtung für die Arbeiterklasse.

Kann ich nur unterschreiben. Deshalb halte ich diese Diskussion für wichtig. Das Letzte wäre, einfach die Klischees und Mythen wiederzukäuen.

MizuNoOto

Je länger die Begriffsgeschichte, desto größer die Verwirrung. Aber occupy hat uns eine zeitgemäße Unterscheidung geschenkt.
Die 0,1%, das 1%, das 1% mit seiner höheren Dienstklasse (10%). Und die 99 und 90 Prozent.

Kuddel

Bin wohl einfach zu blöd Mizus schlauen Einwurf zu kapieren.

Kuddel

ZitatKein Herz für Arbeiter

Rezension. "Proleten, Pöbel, Parasiten" will erklären, wieso Linke Arbeiter verachten. Die eigentliche Verachtung ist es, ihnen zuzurufen: "Bleibt, wie ihr seid"


Peter Nowak

Der Aufstieg des Rechtspopulismus in vielen europäischen Ländern ruft unter Linken Besorgnis hervor. Besonders seit klar ist, dass ein Teil ihrer Wählerbasis aus der alten Arbeiterklasse kommt. Dabei handelt es sich oft um Regionen, in denen mit den fordistischen Fabriken auch die alte Arbeiterkultur verschwunden ist. So hat der Front National in Frankreich dort, die bis in die 1970er Jahre dominierende Kommunistische Partei beerbt und wurde zur Partei des in seinem Stolz verletzten zu Proleten herabgesunkenen Proletariats. In dem Buch ,,Rückkehr nach Reims" stellt sich der Soziologe Didier Eribon die Frage, warum das Band der Linken zur Arbeiterklasse durchtrennt wurde und welchen Anteil die Politik der linken Parteien daran hat (siehe Rezension in GWR 412). Eriborn spart den subjektiven Faktor nicht aus. Er beschreibt, wie er selber als Kind einer Arbeiterfamilie im akademischen Milieu von Paris Fuß fasste, bevor er als linker Akademiker in seine Heimatstadt zurückkehrt.

Nun hat Christian Baron, der Feuilletonredakteur des Neuen Deutschland, auf Eribons Spuren seine Rückkehr nach Kaiserslautern vollzogen. Gleich das erste Kapitel seines im Verlag ,,Das Neue Berlin" erschienenen Buches mit dem Titel ,,Proleten, Pöbel, Parasiten" beginnt mit einer Szene, die eigentlich eine Antwort auf seine im Untertitel vertretenen These sein könnte: ,,Warum die Linken die Arbeiter verachten".

Das erste Kapitel beschreibt, wie der achtjährige, asthmakranke Christian von seinem betrunkenen Vater geschlagen und gegen die Wand geschleudert wird. Die Szene hat sich Christian Baron eingeprägt, weil er erstmals Widerstand und sich mit einem Holzscheit vor seinen Vater aufbaute. Das scheint den Mann mit den Kräften eines Möbelpackers zumindest so beeindruckt zu haben, dass er von seinem Sohn für dieses Mal abließ. Dass es sich bei der Gewalttätigkeit um keine Ausnahme handelte, wird im Buch deutlich. Baron zieht einen Zusammenhang zwischen dem frühen Krebstod seiner Mutter und dem gewalttätigen Vater. Hier liefert Baron Gründe, warum Linke bestimmte Aspekte des realen proletarischen Lebens ablehnen. Damit wäre er auch ganz nah bei Eribon, der als Schwuler den Kontakt zu seinem homophoben Vater abgebrochen hatte und der aktuell vor einer linkspopulistischen Politik warnt. Die Flucht aus Reims bzw. aus Kaiserslautern war also zunächst ein Akt der individuellen Befreiung. Doch bei Baron wird die Szene des gewalttätigen Vaters im ersten Kapitel nicht weiter aufgegriffen. Es dominiert die steile These, dass die Linken die ArbeiterInnen hassen und damit implizit mit dafür verantwortlich sind, dass diese rechts wählen. ,,Warum gewinnt ausgerechnet die AfD die Stimmen der Arbeiter?", lautet eine der Fragen auf der Rückseite des Buches. Dass diese WählerInnen, egal aus welcher Schickt sie kommen, womöglich ein rassistisches Weltbild haben könnten, wird gar nicht zur Diskussion gestellt. Stattdessen wird die Verantwortung bei einer Linken gesucht, die das Band zu den ArbeiterInnen gekappt habe. Mit seinen subjektiven Berichten aus dem Studierendenalltag kann Baron zumindest den Hass auf die ArbeiterInnen nicht belegen.

Ressentiment gegen Intellektuelle


Doch politisch fataler ist, dass Baron in dem Buch ein Ressentiment gegen Intellektuelle bedient, die Gedanken formulieren, die nicht gleich allgemein verständlich sind. Das wird im Kapitel ,,Arbeiter vergraulen und Adorno rezitieren" besonders deutlich. Dort verteidigt er Deutschlandfahnen schwingende Fußballfans gegen Überlegungen von Adorno, die dieser in einen Radiobeitrag über den deutschen Fußballpatriotismus entwickelt hatte: ,,Für zwei Stunden schweißt der große Anlass die gesteuerte und kommerzialisierte Solidarität der Fußballinteressenten zur Volksgemeinschaft zusammen.

Der kaum verdeckte Nationalismus solcher scheinbar unpolitischen Anlässe von Integration verstärkt den Verdacht ihres destruktiven Wesens." Dafür schmäht Baron Adorno als ,,einen Lehnstuhlphilosophen mit greiser Glatze und klobiger Brille", der sich ,,geschwollen ausdrückt und über etwas redet, von dem er offenbar keine Ahnung hat".

Warum der aus dem Exil zurückgekehrte Adorno nicht in das ,,Wir sind wieder wer"-Geschrei einstimmen wollte, das nach dem als ,,Wunder von Bern" gefeierten WM-Sieg der BRD-Mannschaft 1954 einsetzte, scheint Baron keiner Überlegung Wert. Er sieht hier eine Arbeiterkultur angegriffen und geht in die Verteidigungshaltung. Doch wer wirklich einen Beitrag zur Emanzipation der ArbeiterInnen leisten will, sollte Adornos Erkenntnisse den Menschen nahebringen, die sich für einige Wochen im Fußballrausch ergehen, nur noch Deutschland sein sollen und manchmal gleich mehrere schwarz-rot-goldene Fahnen mit ihren Autos spazieren fahren.

Es ist nicht arbeiterInnenfeindlich, Kritik an dieser Zurichtung für die Interessen von Staat und Nation zu formulieren.


Es zeugt eher von einer Verachtung der ArbeiterInnen, wenn man ihnen dabei noch auf den Rücken klopft und ihnen zuruft, bleibt wie ihr seid. Wenn dann in einen der letzten Buchkapitel Christian Baron mit zwei seiner ehemaligen JugendfreundInnen, die in Kaiserslautern geblieben sind, in einer Busstation spricht, dann erinnert das an Rapper, die sich ein Gangsterimage geben, obwohl sie längst in einem Bungalow leben.

,,Kein Herz für Arbeiter" lautet der Titel des Kapitels, in dem sich auch die Adorno-Schelte findet. Mit dem Spruch bewirbt der Eulenspiegel-Verlag auch das Buch. Die Analogie zur Bild-Kampagne ,,Ein Herz für Kinder" ist sicher nicht zufällig. Andere bekundeten ein Herz für Tiere. Weder Verlag noch Autor scheint aufgefallen zu sein, dass diese paternalistische Parole wenn nicht Hass so doch Verachtung für die Arbeiter ausdrückt.

Linke Intellektuelle könnten eine ÜbersetzerInnenfunktion einnehmen


Dabei könnten linke Intellektuelle, zumal, wenn sie aus dem Arbeitermilieu kommen, tatsächlich zur Emanzipation der ArbeiterInnen beitragen. Tatsächlich ist es ein großes Problem, dass soziologische, politische und philosophische Texte oft außerhalb des akademischen Milieus schwer verständlich sind. Dafür sind auch ,,Das Kapital" und andere Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels wichtige Beispiele. Dass diese Schriften in großen Teilen der Arbeiterklasse rezipiert wurden, war das Verdienst einer sozialistischen Bewegung, für die Bildung ein zentrales Anliegen war, um die Welt zu erkennen und zu verändern. Der Soziologe Jürgen Kuczynski hat in seinem Monumentalwerk ,,Die Lage der Arbeiter unter den Kapitalismus" sehr gut beschrieben, welche Rolle diese Bildungsbewegung für die Entstehung eines politischen Bewusstseins bei großen Teilen des organisierten Proletariats hatte.

In Arbeiterbildungsschulen wurden literarische, philosophische aber auch naturwissenschaftliche Schriften gelesen, interpretiert und diskutiert. Linke Intellektuelle spielten als InterpretInnen und ÜbersetzerInnen der oft schwierigen Texte eine wichtige Rolle. So könnten auch heute linke AkademikerInnen aus der ArbeiterInnenklasse, wie Baron, aktuelle Texte zu Klasse und Geschlecht, zu Antisemitismus und Nationalismus so übersetzen, dass sie auch jenseits des akademischen Milieus verstanden werden. Das wäre ein realer Beitrag zur Emanzipation der ArbeiterInnen.

In den 1970er Jahren, als linke JungakademikerInnnen vor den Fabriken agitierten, gab es mehrere Strömungen. Die meisten Mitglieder der kommunistischen Gruppen passten sich bis auf die Haarlänge der vermeintlichen ArbeiterInnenkultur an und hatten doch wenig Erfolg.

Vor allem jüngere Beschäftigte hatten andere Vorstellungen von ArbeiterInnenemanzipation. Viele ließen sich die Haare wachsen und erhofften sich durch den Kontakt mit den jungen Linken einen Zugang zur linken Subkultur. Nicht wenige tauschten die Fabrik mit der linken Wohngemeinschaft.

Peter Nowak

Christian Baron: Proleten, Pöbel, Parasiten. Warum die Linken die Arbeiter verachten. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2016, 288 Seiten, 13 Euro, ISBN 978-3-360-01311-8
Dies ist ein Vorabdruck aus der Montaszeitschrift Graswurzelrevolution Nr. 415, Januar 2017

www.graswurzel.net

Kuddel

Hier nochmal:



Die These provoziert: DIE Linken verachten DIE Arbeiter. Und der Autor, einer von ganz unten, der sich zur Intelligenzija  hoch gearbeitet hat, heute Theaterkritiken im ND publiziert, hält uns den Spiegel vor.

Ein Scheinwerfer ist auf ein Segment linker Dogmatiker gerichtet, die vom Proletenkult nicht lassen können. Ein anderer auf das  vegane  Bio-Müsli-Milieu, das autoritär seine Lebensweise verteidigt. Kritikwürdig auch die linken Schreiberlinge, die  Dank der Finanzspritzen ihrer Erzeuger Hungerlöhne akzeptieren. Auch die linke Professorenelite wird aufs Korn genommen, die sich in einer Art Geheimsprache verständigt, um vom gemeinen Volk nicht verstanden zu werden.

https://gewerkschaftslinke.hamburg/2017/01/15/neuerscheinung-christian-baron-proleten-poebel-parasiten-warum-die-linken-die-arbeiter-verachten/


Zitat,,Proleten, Pöbel, Parasiten" will erklären, wieso Linke Arbeiter verachten.
Die eigentliche Verachtung ist es, ihnen zuzurufen: ,,Bleibt, wie ihr seid"
https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/kein-herz-fuer-arbeiter

Kuddel

ZitatOwen Jones ist eine der profiliertesten linken Stimmen in Großbritannien - nun ist der "Guardian"-Kolumnist vor einem Londoner Pub angegriffen worden. Er spricht von einer Attacke Rechtsextremer. (...)
Dem "Independent" - für den er bis 2014 als Kolumnist schrieb - sagte Jones, in den vergangenen Monaten habe sich die Zahl der Todesdrohungen seitens Rechtsextremer drastisch erhöht. In Bezug auf die Attacke sagte Jones: "Keiner meiner Freunde war überrascht. Alle haben so etwas erwartet."
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/london-guardian-kolumnist-owen-jones-vor-pub-taetlich-angegriffen-a-1282488.html


ZitatJones schreibt aus einer linken Perspektive. Er tritt für demokratischen Sozialismus ein. In seinem 2011 erstmals erschienenen Buch Chavs: The Demonization of the Working Class setzt Jones sich mit Vorurteilen gegenüber der britischen Arbeiterklasse und dem Gebrauch des abwertenden Begriffs ,,Chav" [Proll] auseinander.
Jones ist Feminist. Er ist schwul und setzt sich in seiner journalistischen Arbeit gegen Homophobie, Transphobie und Sexismus, auch innerhalb der LGBT-Szene, ein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Owen_Jones_(Journalist)

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