NSU Prozeß

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 20:48:16 Do. 22.August 2013

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dagobert

ZitatSpinnen im Terrornetz
Wie der NRW-Verfassungsschutz bei der Beobachtung der rechten Szene versagte

Auf tausend Seiten zieht der NSU-Untersuchungsausschuss Bilanz. Der Abschlussbericht aus dem Landtag belegt das Unvermögen des NRW-Verfassungsschutzes: Statt dafür zu sorgen, dass Nazi-Terrorzellen schnell und hart verfolgt werden, wurde die rechte Szene begleitet, wurde verharmlost und vertuscht. Im Mittelpunkt der desaströsen Bilanz steht ausgerechnet ein Mann, der auch heute den Landesverfassungsschutz leitet.
https://correctiv.org/blog/ruhr/artikel/2017/05/04/spinnen-im-terrornetz/

https://assets.documentcloud.org/documents/3699956/Schlussbericht-NSU-Untersuchungsausschuss-NRW-27.pdf
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Kuddel

ZitatStatt dafür zu sorgen, dass Nazi-Terrorzellen schnell und hart verfolgt werden, wurde die rechte Szene begleitet, wurde verharmlost und vertuscht. Im Mittelpunkt der desaströsen Bilanz steht ausgerechnet ein Mann, der auch heute den Landesverfassungsschutz leitet.

In Klartext: Es wird nicht nur weiterhin aktiv verhindert, die Verstrickungen zwischen Staat und rechtem Terror aufzudecken, sondern wir müssen auch von weiterer Unterstützung staatlicher Institutionen bei rechtem Terror ausgehen.

counselor

Der hält sich die Faschos als Reserve für den Fall, dass sich der Klassenkampf in Zukunft zuspitzt. Dann kann er die braune Bande auf Streikende und Demonstranten loslassen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Gibt es bereits:
ZitatAm 1. Mai 2009 griffen gewaltbereite Rechte die Mai-Demo des Deutschen Gewerbschaftsbundes (DGB) an.
https://www.derwesten.de/staedte/dortmund/nazi-prozess-nach-angriff-auf-dortmunder-mai-demo-des-dgb-erst-2012-id4929761.html
ZitatMai-Demo
DGB kritisiert Justiz nach Nazi-Freispruch in Dortmund
https://www.waz.de/staedte/dortmund/dgb-kritisiert-justiz-nach-nazi-freispruch-in-dortmund-id7318291.html
2012:
ZitatVergangene Woche ist ein Mitglied der Gewerkschaft in Regensburg überfallen worden. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter zur rechten Szene gehören.
http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/verdi-verurteilt-nazi-angriff-21179-art810936.html
2015:
ZitatDer Angriff war geplant. In Weimar stürmten Rechtsextreme die 1. Mai-Kundgebung des DGB. Vier Menschen verletzte die Gruppe, ein Betroffener musste ins Krankenhaus.
http://www.taz.de/!5009935/



counselor

Liebe NazigegnerInnen,
am vergangenen Freitag vor 12 Jahren wurde der Nürnberger Ismail Yasar in seinem Dönerimbiss von Mitgliedern des NSU ermordet.
Noch immer ist nicht bekannt, warum ausgerechnet Yasar sterben musste, und ob es lokale Helfer bei den Morden gab.
Vieles deutet auf Unterstützer aus der fränkischen Szene hin.
Wir haben noch mal zum Fall recherchiert und sind auf eine Verbindung von Ralf Marschner* nach Nürnberg gestoßen.
Der aus Zwickau stammende Marschner gilt als Schlüsselfigur im NSU-Komplex und war V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Unsere Recherchen belegen, dass der Neonazi schon Ende der 1990er-Jahre Kontakte in die Nürnberger Hooliganszene hatte. So grüßte er
drei uns bekannte rechtsextreme Hooligans der Gruppe "Red Devils". Aus Szenekreisen erfuhren wir, dass diese wiederum in Kontakt mit der Fränkischen Aktionsfront um Matthias Fischer und zu Blood and Honour standen.
Außerdem berichten wir über die laschen Ermittlungen der BAO Bosporus gegen Neonazis:

Online: http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/inhalt/nsu-ismail-yasar-nuernberg-ermittlungen-oberflaechlich-100.html
Fernsehen: http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/frankenschau-aktuell/nsu-ermittlungen-oberflaechlich-100.html#tab=bcastInfo&jump=tab
Hörfunk: http://www.br.de/radio/bayern2/bayern/regionalzeit-franken/nsu-unterstuetzer-100.html
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

4 JAHRE NSU-PROZESS

Obwohl noch kaum etwas wirklich geklärt werden konnte, versucht man mit aller Gewalt einen Schlußstrich zu ziehen und weitere Ermittlungen abzuwürgen. Größter Verhinderer der Aufklärung ist die Bundesanwaltschaft.

Der NSU Schriftzug am Tatort des Mordes an Michèle Kiesewetter ist vielleicht eine Kleinigkeit, doch er läßt tief blicken.
Z.B. auf die Qualität unserer Presse:

Schriftzug am Tatort nicht vom NSU Stuttgarter Zeitung

Bundesanwaltschaft: ,,NSU"-Schriftzug stammt nicht von Tätern  Zeit-online

Immerhin ist sich ein Provinzblatt da nicht so sicher:
ZitatErmittelt ist noch nichts, aber mit überraschender Klarheit stuft die Bundesanwaltschaft den spät entdeckten NSU-Schriftzug am Tatort Heilbronner Theresienwiese als belanglose Sprüherei von Unbeteiligten ein. Überzeugend sind die Argumente der obersten Ermittler nicht.
http://www.stimme.de/themen/10-jahre-polizistenmord/sonstige-Kommentar-Die-Herkunft-des-NSU-Schriftzugs-ist-nicht-beantwortet;art140023,3852790

Kuddel

ZitatDer NSU-Prozess ist durch Demonstranten gestört worden. Sie bezichtigen die Vertreter der Bundesanwaltschaft des "institutionellen Rassismus" und der "Missachtung der Betroffenen".

Ein Sprecher des Aktionsbündnisses teilt mit: "Die Bundesanwaltschaft hat in vier Jahren Prozess sämtliche Versuche, das neonazistische Unterstützernetzwerk des NSU zu ermitteln und die Rolle von V-Personen und staatlichen Behörden zu untersuchen, aktiv behindert."
http://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-aktivisten-zwingen-nsu-prozess-zur-unterbrechung-1.3647590

Kuddel

ZitatVor Gericht übt Gamze Kubaşık, die Tochter des Dortmunder NSU-Opfers, harte Kritik an der Aufklärungsarbeit.

Schon zuvor hatte Kubasiks Anwalt Sebastian Scharmer ein Angebot an Zschäpe übermittelt. Wie es aussehe, werde die Angeklagte lebenslängliche Haft erhalten, mit besonderer Schwere der Schuld, sagte er. Dann werde nach 13 Jahren Haft eine Mindestverbüßungsdauer festgelegt – die durchaus auch 30 Jahre betragen könne. Aber, so Scharmer: Nenne Zschäpe doch noch alle Helfer, die heute noch auf der Anklagebank fehlten, dann werde sich Gamze Kubasik persönlich für eine kürzere Haftstrafe einsetzen. ,,Frau Zschäpe, Sie sollten diese Worte zumindest die nächsten sieben Jahre ihrer Haft nicht vergessen", appelliert Scharmer. ,,Überlegen Sie es sich gut."

Auch Scharmer kritisiert die Aufklärung im Prozess scharf. ,,Es soll ein Schlussstrich gezogen werden", sagt er. Alle Ermittlungen zu Unterstützern des Terrortrios würden seitens der Bundesanwaltschaft abgeblockt, V-Leute nicht befragt, Akteneinsichten verweigert. ,,Die Sache stinkt, das kann jeder riechen."

Für Scharmer wurde das Andenken an Mehmet Kubasik ,,geschändet", als dieser nach seinem Tod von den Ermittler selbst verdächtigt und mit Drogengeschäften in Verbindung gebracht wurde. Schuld sei eine ,,rassistische Behördenmentalität", die nie ernsthaft ein rechtsextremes Motiv geprüft habe.

Die Bundesanwaltschaft wiederum, so Scharmer, setze eine ,,Käseglocke" über die fünf im NSU-Prozess Angeklagten – ohne ernsthaft nach weiteren Helfern zu ermitteln. Auch hätten sich gleich neun V-Leute im direkten NSU-Umfeld befunden. Scharmer zählt jeden einzelnen auf. Im Prozess aber hätten all diese V-Leute kaum eine Rolle gespielt oder ihre Akten seien geschreddert worden, klagt Scharmer.

Die Bundesanwaltschaft wiederum, so Scharmer, setze eine ,,Käseglocke" über die fünf im NSU-Prozess Angeklagten – ohne ernsthaft nach weiteren Helfern zu ermitteln.

Der Anwalt hat dafür eine Erklärung: Es gehe darum, am Ende dieses Prozesses einen ,,Persilschein" für die Polizei, den Verfassungsschutz und die Bundesanwaltschaft selbst zu haben. Einen, dass man gegen die isolierten Terroristen machtlos war. ,,Diesen Persilschein aber kann es nicht geben", ruft Scharmer in den Saal. Gamze Kubasik jedenfalls vertraue den Ermittlungsbehörden nicht mehr. Die Familie werde nicht abschließen können, bis alle offenen Fragen zum Mord an Mehmet Kubasik geklärt seien.

Auch Carsten Ilius, Anwalt der Witwe Elif Kubasik, kritisiert am Mittwoch harsch, dass die Polizei damals nicht in der Neonazi-Szene Dortmunds ermittelt habe – obwohl diese als äußerst gewaltbereit gegolten habe. Auch Ilius begründet dies mit ,,strukturell rassistischen Ermittlungen". Sein Fazit: Der Staat ,,verleugne" bis heute seine Verantwortung an der NSU-Mordserie.
http://www.taz.de/Betroffene-im-NSU-Prozess/!5462440/

Kuddel

Der NSU Prozeß ist nicht langweilig. Das Thema ist nicht abgedroschen. Hier wird ein Stück bundesdeutscher Wirklichkeit sichtbar.



Mit dem Blick auf die Verstrickungen von Staat und rassistischem Terror wird deutlich, wie dünn die Tünche ist mit der sich die Machtverhältisse als demokratisch und antifaschistisch geben. Diejenigen, die für'sd Aktenschreddern und für Vertuschung verantwortlich waren, sind befördert worden. Und weiter wird die Aufklärung in der Sache NSU Terror massiv behindert!

ZitatNebenklage-Anwältin im NSU-Prozess
"Vertrauensverlust in den Rechtsstaat wird immer größer"

Die Anwältin Seda Basay-Yildiz warnt davor, die Verunsicherung von Migranten zu bagatellisieren. Ombudsfrau John fordert endlich eine Fehlerkultur der Sicherheitsbehörden.
http://www.tagesspiegel.de/politik/nebenklage-anwaeltin-im-nsu-prozess-vertrauensverlust-in-den-rechtsstaat-wird-immer-groesser/20816916.html

ZitatNach der Sitzung des NSU-Unterausschusses im Landtag ließ Ritter heute ein Statement verbreiten, dass nur aus einem Wort bestand: ,,Zur heutigen Sitzung des NSU-Unterausschusses erklärt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Ritter: Nichts." Der Innenexperte wirkt zunehmend resigniert. Das Gremium, dass sich mit der Aufklärung der Aktivitäten der rechten Terrororganisation ,,Nationalsozialistischer Untergrund " (NSU) in Mecklenburg-Vorpommern befasst, hat sich aus Ritters Sicht erneut als zahnloser Tiger erwiesen.

Die gestrige Sitzung dauerte laut Ritter gerade einmal fünf Minuten. ,,Wie so oft ging es nur um Verfahrensfragen. Wir drehen uns im Kreis", beklagte er. Zu den rechtsextremen NSU-Terroristen, die in MV gemordet und Banken überfallen haben sollen, gebe es dagegen noch viele offene Fragen und zahlreiche Hinweise auf Verbindungen und Unterstützer im Nordosten. Auch die Rolle des Verfassungsschutzes will die Linke stärker beleuchten.

Bei ihren Aufklärungsbemühungen werden die Mitglieder aber häufig ausgebremst, da dem Gremium rechtliche Befugnisse fehlen. ,,Wir kommen nicht an die Ermittlungsakten ran und die Landesregierung beantwortet unsere Fragen nur unzureichend", erklärte Ritter. Der Ausschuss kann auch keine Zeugen vorladen.
https://www.svz.de/18787746 

ZitatRätsel NSU: Mehr Nazi-Attacken auf Turgut

Bereits 1998 gab es Anschläge in Rostock. Die Linke fordert eine Untersuchung. Das Bundesjustizministerium leistet sich eine peinliche Panne.


Wende im Fall Mehmet Turgut: Gegen den türkischen Imbissbuden-Besitzer, den Mitglieder des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) 2004 in Rostock ermordeten, gab es offenbar bereits 1998 zwei Attacken von Neonazis. 20 Jahre später birgt dies politischen Sprengstoff. Denn Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt hätten zwei NSU-Untersuchungsausschüsse im Bundestag nicht über die Angriffe informiert.

Die Sicherheitsbehörden räumen die Vorfälle auf eine Anfrage von Martina Renner, Bundestagsmitglied der Linken, ein, – einen ,,körperlichen Übergriff" auf Turgut im Juni 1998, einen Brandanschlag auf den Imbiss einen Monat später. Es habe seinerzeit ,,keine konkreten Anhaltspunkte" für einen Zusammenhang zum NSU gegeben, teilt das Bundesjustizministerium mit. Allerdings nennt es den Namen Yunus Turgut, Mehmets Bruder, der noch lebt. Bis heute werden die Brüder verwechselt.

Renner ist empört. ,,Es ist skandalös, dass der Generalbundesanwalt weder die Prozessbeteiligten noch die bisherigen Untersuchungsausschüsse darüber informiert hat." Denn es sei bekannt, dass das NSU-Trio, dem bundesweit zehn Morde zugeordnet werden, in den 1990er Jahren im Neonazi-Milieu Mecklenburg-Vorpommerns unterwegs war. Dies werfe die Frage nach möglichen Unterstützern auf.
http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Raetsel-NSU-Mehr-Nazi-Attacken-auf-Turgut
Ich ärgere mich über verharmlosende Formulierungen wie "peinliche Panne".

Durch und durch braune Behörden:
ZitatIn ihrem Plädoyer im Münchner NSU-Prozess sagte Rechtsanwältin Seda Basay an diesem Dienstag, die Ermittler hätten ,,ein Jahrzehnt lang" hartnäckig den haltlosen Verdacht verfolgt, Simsek habe mit Drogen gehandelt. Dabei habe es dafür nie Anhaltspunkte gegeben.

Ebensowenig hätten Hinweise auf eine Eifersuchtstat oder Schutzgelderpressung existiert, wie die Ermittler ebenfalls angenommen hätten. Nicht nachgegangen seien sie dagegen Aussagen von Zeugen, die den Mord am 9. September 2001 an einer vielbefahrenen Straße in Nürnberg aus ihren Autos beobachtet hatten und von dunkel gekleideten Männern in Radlerhosen sprachen.

Stattdessen habe die Polizei ein unbeteiligtes farbiges Paar verdächtigt und deren Auto in den Akten als ,,Negerauto" bezeichnet.
http://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Panorama/Im-NSU-Prozess-massive-Vorwuerfe-gegen-die-Nuernberger-Polizei

ZitatSo rätseln Hinterbliebene, ob das Trio Kontakt zu Geheimdiensten hatte. Was wollte Beate Zschäpe auf der Flucht bei V-Mann Ralf Marschner? Und was schürte jene scheinbare Paranoia, der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe kurz vor dem flammenden Finale anheimfielen?

Manche Tatorte zeugen von genauer Kenntnis der bundesweit verteilten Städte. Gab es dort bisher unbekannte Helfer? Solche Fragen quälen. Das zeigte der 2016 protokollierte Katalog von rund 200 Fragen der Nebenkläger, die Zschäpe unbeantwortet ließ.

Dass das Trio zum Zeitpunkt der Mordserie Kontakt zu Ralf Marschner hatte, dafür gibt es fünf Hinweise, die aus voneinander unabhängigen Quellen stammen. Enttarnt war der V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz damals noch nicht.

Kontakt zu Geheimdiensten? Zumindest für seinen Dienst schloss Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath jüngst direkten Kontakt zum Trio nahezu aus. Dafür habe er "keine Anhaltspunkte", entgegnete der seit 2012 im Amt befindliche Geheimdienstchef auf eine Frage von Kerstin Köditz (Linke), Vizevorsitzende des sächsischen NSU-Untersuchungsausschusses. Beim Umfeld sei das anders. Natürlich habe es V-Leute gegeben, die über Unterstützer wie den mutmaßlichen Waffen-Beschaffer Jan W. berichteten, räumte Meyer-Plath ein. Jan W., die Frisörin Mandy S., die Zschäpe einen ihrer Alias-Namen gab, und André E., den Zwickauer Freund des Trios, hatte Sachsens Geheimdienst sogar alle mal als V-Leute werben wollen ("Freie Presse" berichtete 2012). Doch hätten alle drei eine Kooperation abgelehnt, hieß es in geheimen Papieren.

Bei der Auswertung der Widersprüche kam der sächsische NSU-Ausschuss zur Erkenntnis, dass die Informationen, die André E.'s Observation vom 5. bis zum 8. Dezember 2006 auslösten, gar nicht "polizeilicher Provenienz", also nicht polizeilicher Herkunft, waren. Vielmehr stammten sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieses habe im Juni 2006 auf die exponierte Rolle der E.-Brüder hingewiesen. Das Landesamt habe sich mit dem Hinweis auf Zwickauer Staatsschützer als Quelle vielleicht nur eine "Legitimationsgrundlage" für die Operation verschaffen wollen, deutete der Ausschuss an. Rein rechtlich benötigte das LfV für eine Observation aber gar keine Legitimation. Wollte man die Herkunft der Infos verschleiern?

Auf wessen Tipps das Bundesamt für Verfassungsschutz 2006 in Zwickau zurückgriff, ist unklar. Die Top-Quelle Ralf Marschner hatte man 2002 abgeschaltet. Zu dem Zeitpunkt waren vier NSU-Morde schon geschehen. Ob Marschner zwischenzeitlich Kontakt zu V-Mann- Führer Richard Kaldrack (Tarnname) aus dem Kölner Bundesamt hatte, ist nicht klar.

Das größte Rätsel des NSU-Komplexes ist bisher, warum die Anschlagsserie endete, fünf Jahre bevor der NSU aufflog. Hätte aber das Trio geahnt, dass man einem V-Mann zuviel Vertrauen geschenkt hatte - entweder durch eigenes Zutun oder durch einen Vertrauten -, so würde dies nicht nur das Ausbleiben weiterer Anschläge erklären, sondern auch die Flucht aus der Polenzstraße - ebenso wie das Verbarrikadieren des neuen Domizils.

Nicht erklären kann diese Hypothese indes zweierlei. Zum einen warum Ermittler nach einem Hinweis durch den Geheimdienst hätten fünf Jahre brauchen sollen, um den NSU zu finden - selbst an neuem Domizil. Ebenso wenig werfen die Geschehnisse von 2006 und 2007 Licht auf jene Paranoia, der das Trio in den letzten Tagen vorm flammenden Finale im Eisenacher Wohnmobil und in der Zwickauer Wohnung scheinbar anheimfiel. Zumindest eine seiner vier Überwachungskameras am Haus Frühlingsstraße hatte das Trio definitiv erst in der Woche vorm Auffliegen installiert. Das fanden Ermittler anhand von Fotos heraus, die das Bauordnungsamt am 24. Oktober 2011 von der Hausfront hatte machen lassen. Da fehlte die Kamera noch. Selbst am letzten Wohnmobil montierten Mundlos und Böhnhardt zwei Kameras, offenbar um zu sehen, ob sich draußen jemand näherte. Auch dass Beate Zschäpe schon in der Woche vorm letzten Überfall ihre Katzen unterbringen wollte, zeugte von Fluchtgedanken oder Sorge.

Und schließlich hatte die frühere Nachbarin Heike K., die von Zschäpe regelmäßig besucht wurde, noch etwas ausgesagt, das stutzen ließ. Drei Tage vorm Tod der Uwes sei Zschäpe bei ihr gewesen. Sie habe den Eindruck gehabt, Zschäpe wolle ihr etwas mitteilen. Ganz anders sei sie gewesen. Zum Abschied - überhaupt nicht ihre Art - habe Zschäpe sie lang und fest gedrückt, sagte Heike K.: "Ihr standen die Tränen in den Augen. Das ging bestimmt eine ganze Minute. Sonst war das nie so!"
https://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Wie-nah-kam-Sachsens-Geheimdienst-dem-NSU-schon-2006-artikel10092430.php

ZitatDer Skandal um den Brandenburger V-Mann ,,Piatto" zieht immer weitere Kreise und erfasst nun sogar die Justiz: Offenbar war der kriminelle Neonazi mit dem Decknamen schon 1992 V-Mann. Die Justiz schütze ihn vor der Strafverfolgung.

Der Skandal um den Brandenburger V-Mann ,,Piatto" weitet sich aus. Über die Landesgrenzen hinaus, und zu einem Justizskandal im Land: Ehe der militante, kriminelle Neonazi Carsten Szczepanski ab 1994 – trotz versuchten Mordes an einem Nigerianer – unter dem Decknamen ,,Piatto" für den brandenburgischen Verfassungsschutz gut bezahlt spitzeln durfte, war er womöglich schon zwei Jahre lang V-Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz oder einen anderen Dienst. Diesen Verdacht hat am Donnerstag der Berliner Anwalt Christoph Kliesing im NSU-Ausschuss des Landtages geäußert und plausibel begründet. Er verwies unter Verweis auf Akten auf insgesamt ,,über 20 Eigentümlichkeiten" beim Umgang von Sicherheitsbehörden und Justiz mit Szczepanski vor 1994, der Anwerbung als Brandenburger V-Mann.

Kliesing war Nebenkläger von Opfern rechtsextremer Gewalt. Er gilt bundesweit als einer der besten Kenner des Falls ,,Piatto". Bekannt wurde bereits, dass ,,Piatto" dem Landes-Verfassungsschutz 1998 einen konkreten Hinweis auf den Chemnitz-Aufenthalt des untergetauchten späteren NSU-Mordtrios lieferte, der vom Landes-Geheimdienst aber nur rudimentär und kaum verwertbar an Behörden anderer Länder weitergegeben wurde.
V-Mann ,,Piatto": Warum verliefen alle Gerichtsverfahren gegen ihn im Sande oder wurden eingestellt?

Schon 1991/1992 war gegen Szypanski, der eine deutsche Klu-Klux-Clan-Gruppe aufbaute, im Visier der Behörden. Er galt als gefährlich, sodass sogar die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen ihn wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Am 22. Februar 1992 gab es eine Durchsuchung bei Szypanski. Und auf die, der Anfang der Merkwürdigkeiten, hatte laut Kliesing – nachweisbar in der dem NSU-Untersuchungsausschuss nicht vorliegenden Handakte des Generalbundesanwaltes – vorher der Brandenburger Verfassungsschutz gedrungen. Schriftlich und direkt. Der damalige Chef Wolfgang Pfaff war sogar extra nach Karlsruhe gereist. Und auch das Bundesamt für Verfassungschutz und das Bundeskriminalamt hätten in Tagen davor auffällig oft beim zuständigen Bundesanwalt angerufen, so Kliesing. ,,Doch über den Tag nach der Festnahme, den 23. Februar, findet sich merkwürdigerweise nichts in den Akten."

Hat sich Szczepanski dem Verfassungsschutz in Brandenburg als V-Mann angeboten - oder wurde er von einem anderen Dienst ,,entsorgt"?

Und schon im Mai 1992 – keine drei Monate nach Freilassung – hatte Szczepanski mit einer Meute junger Neonazis in Wendisch-Rietz einen Nigerianer fast zu Tode geprügelt. Auch da sei zuerst gar nicht gegen Szczepanski ermittelt worden, und dann zunächst nur wegen Körperverletzung, sagte Kliesing, der das Opfer vertrat. Erst als eine andere Staatsanwältin den Fall übernahm, wurde er als ein Haupttäter angeklagt, 1995 wegen versuchten Mordes zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. In der U-Haft im Sommer 1994, so die bisherige offizielle Version, soll er sich dem Brandenburger Verfassungsschutz als V-Mann angeboten haben. ,,Eine Legende", glaubt Kliesing. ,,Ich denke, er ist von einem anderen Dienst entsorgt worden." Und zwar so, dass er nicht zur ,,tickenden Zeitbombe" wurde und mit dem Sälär das Verfassungsschutzes ein Einkommen hatte.

Spekulationen um eine frühere V-Mann-Tätigkeit von Szczepanski gab es schon früher. Der NSU-Untersuchungsausschusses hatte per Beweisbeschluss Auskunft vom Bundesamt für Verfassungsschutz verlangt, ob Szczepanski jemals V-Mann der Behörde war. Das Bundesamt lehnt eine Aussage darüber ab.

Und dann gibt es da noch ein Schreiben des damaligen Verfassungsschutzchefs Pfaff an die Frankfurter Staatsanwaltschaft im Jahr 1995, wo er während des Dolgenbrodt-Prozess darauf drang, den wegen versuchten Mordes in Wendisch-Rietz einsitzenden Szczepanski rauszuhalten – unter Verweis auf dessen Kontakte zu ,,Verfassungsschutzbehörden". Im Plural.
http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1248802/

Zitat

Atemberaubend ist, was Seda Basay-Yildiz dann im Zusammenhang mit dem Mord an Ismail Yasar vortrug, Sachverhalte, auf die sie erst kürzlich gestoßen ist. Yasar hatte wenige Monate vor seinem Tod eine Auseinandersetzung mit einem gewissen Jürgen F. Der hatte Yasars Imbiss beschädigt und wurde zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Der Name "Jürgen F." taucht nun im Zusammenhang mit einer Skinheadveranstaltung im Februar 1995 in der "Tiroler Höhe", einem NPD- und Neonazi-Lokal, auf. Und bei dieser Veranstaltung waren auch die Angeklagten Ralf Wohlleben und Holger Gerlach, Stefan A., der Cousin von Zschäpe, sowie Uwe Mundlos anwesend.

Das heißt: Vom späteren Mordopfer Yasar gibt es eine Personenkenn-Kette über einen Nürnberger Neonazi bis zu Mundlos. Auch Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft wissen davon, sind dem aber nicht nachgegangen.

Dass die unhaltbare wie fragile Drei-Täter-Theorie der Bundesanwaltschaft noch nicht zum Einsturz gekommen ist, hat keine kriminalistischen Gründe, sondern politische. Ein großer Teil von Politik und Medien akzeptiert sie, weil sonst die oberste Ermittlungsinstanz der Bundesrepublik fundamental in Frage gestellt wäre und dem Sicherheitsapparat der Kollaps drohte.
https://www.heise.de/tp/features/NSU-Prozess-Opferanwaeltin-nimmt-Bundesanwaltschaft-auseinander-3938367.html


Die Öffentlichkeitsarbeit (auch von uns!) in der Sache darf nicht nachlassen.

Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 21.02.2018, Seite 2   / Inland

NSU-Sumpf brodelt weiter
Ex-V-Mann: Geheimdienst wusste, wen er mitfinanzierte. Drohungen gegen Stuttgarter Untersuchungsausschuss und Zeugen



Ex-V-Mann Tino Brandt am Montag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg
Foto: dpa

Der Thüringer Verfassungsschutz hat nach Aussage seines früheren V-Mannes Tino Brandt wissentlich die untergetauchten Neonazis und »Bombenbastler« mitfinanziert, die 2011 als Kerntrio des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) bekannt wurden. Er habe als V-Mann Geld vom Amt bekommen, das er ihnen teilweise gespendet habe. Dies sei mit Wissen des Verfassungsschutzes geschehen, sagte der frühere Neonazi am Montag im Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag in Stuttgart. Brandt hatte in den 1990er Jahren die Kameradschaft »Thüringer Heimatschutz« aufgebaut, in der sich auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe radikalisierten. Bis zu seiner Enttarnung im Jahr 2001 galt er als Spitzenquelle und soll insgesamt rund 200.000 D-Mark an Honoraren kassiert haben. Dass er Teile davon in die »politische Arbeit« steckte, war schon länger bekannt. Die Vermutung, dass der Geheimdienst von der Verwendung der Gelder auch für illegale Zwecke wusste, hat er Brandt nun bestätigt. Der heute 43jährige wurde nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung mit Fußfesseln in den Sitzungssaal des Ausschusses geführt, denn er sitzt zur Zeit eine Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von minderjährigen Jungen ab. Der Stuttgarter NSU-Ausschuss befasst sich mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn, der neben der bundesweiten rassistischen Mord- und Anschlagsserie seit 2011 der Gruppe zugeordnet wird.

Wegen der möglichen Bedrohung eines Zeugen des Ausschusses hat diese Woche die Staatsanwaltschaft Gera Ermittlungen aufgenommen. Im Briefkasten des Zeugen Sven Rosemann, der viele Jahre zu den Anführern der Thüringer Neonaziszene gehört hatte, sei die Patrone einer Waffe gefunden worden, berichteten die Dienstagsausgaben von Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung. Rosemann war für Montag in den Ausschuss geladen, hatte sich aber krank gemeldet. Er sollte Auskunft über Waffengeschäfte im Umfeld des NSU geben.

Am Montag hatte zudem ein Bedrohungsschreiben gegen den Untersuchungsausschuss und dessen Vorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) für Wirbel gesorgt. Nach dem Verfasser wurde nach Angaben der Polizei vom Dienstag noch gefahndet. (dpa/jW)

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/327719.nsu-sumpf-brodelt-weiter.html
Gegen System und Kapital!


www.jungewelt.de

Kuddel

Zitat von: Rappelkistenrebell am 20:42:25 Di. 20.Februar 2018
Ex-V-Mann: Geheimdienst wusste, wen er mitfinanzierte. Drohungen gegen Stuttgarter Untersuchungsausschuss und Zeugen

Die Brisanz dieser Feststellung muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
Es gibt nicht nur Querverbindungen zwischen staatlichen Institutionen und braunem Terror, der Staat selbst ist Teil der braunen Sumpfes.
Das muß man im Hinterkopf behalten, wenn man die momentanen poltitischen Entwicklungen betrachtet und wenn man neue Antifastrategien entwickelt.

Es ist idiotisch eine Beobachtung rechter Organisationen durch den Verfassungsschutz zu fordern.
Der Verfassungsschutz ist selbst eine rechtsradikale Organisation, die aufgelöst werden muß!

Rappelkistenrebell

100% Zustimmung....die ganzen geselbstmordeten Zeugen belegen klar,daß der NSU ein staatlich betreutes Morden war und heute wird vertuscht was geht und Akten geschreddert....man denke zB nur an "klein Adolf" Temme,Verfassungsschutzmitarbeiter und war selbst im Internetcafe als der NSU den Betreiber erschoß.Temme hat angeblich nichts gesehen und ist heute auf freien Fuß und weiterhin für den Staat tätig.
In einem Rechtsstaat wäre so jemand mindestens im Knast! >:(
Gegen System und Kapital!


www.jungewelt.de

Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 31.03.2018, Seite 4   / Inland

Absolution für 3.000 Euro
Verfahren gegen NSU-Aktenvernichter »Lothar Lingen« mit Geldauflage eingestellt
Von Markus Mohr




Aufklärungsverhinderer haben nichts zu befürchten, während die Opfer der Rechtsterroristen vom NSU - hier Angehörige des Opfers Elif Kubasik bei einer Gedenkveranstaltung in Dortmund - noch heute für ihre Rehabilitierung vom Tatverdacht kämpfen
Foto: Bernd Thissen/dpa


Der Initiator der »Operation Konfetti« im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) soll 3.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, dann wird das gegen ihn geführte Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt eingestellt. Der Referatsleiter Axel M. alias »Lothar Lingen« hatte im November 2011 Akten über V-Leute im Bereich Rechtsextremismus vernichten lassen – wenige Tage, nachdem durch den Tod der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) aufgeflogen war. Diese Woche berichtete die Tageszeitung Die Welt unter Berufung auf ein Schreiben der Kölner Staatsanwaltschaft von der Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage.

Über die Gründe der Aktenschredderei hatte »Lingen« 2012 den ersten Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU belogen: Er habe lediglich abgelaufene Aktenbestände aus Gründen des Datenschutzes löschen wollen. Ein direktes Vertuschungsmotiv sei ihm fremd gewesen, weil er dienstlich nichts mit dem Umfeld des NSU oder Mitgliedern der Gruppe selbst zu tun gehabt und dort keine V-Leute geführt habe. Eine »Deckblattmeldung« (Erkenntnismeldung von V-Leuten) des BfV vom 19. Dezember 2001 belegt jedoch, dass er »persönliche Gespräche« in Jena mit einem V-Mann namens »Teleskop«, einem Funktionär der NPD-Jugendorganisation JN, führen ließ. In dem vierseitigen Bericht geht es unter anderem um André Kapke, einen Jugendfreund der – hier als »noch flüchtige Rohrbombentäter« benannten – Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, sowie den inzwischen als NSU-Unterstützer angeklagten Ralf Wohlleben. Das Dokument ist von Axel M. unterschrieben. Am 8. November 2011, wenige Stunden nachdem sich Zschäpe auf einer Polizeistation in Jena den Sicherheitsbehörden gestellt hatte, ließ »Lothar Lingen« die Akten über V-Leute in der rechten Szene Thüringens durchsuchen und gegen den expliziten Widerspruch der Hausarchivarin eine Vielzahl davon vernichten.

Im zweiten Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU hielt die Obfrau der Fraktion Die Linke, Petra Pau, im September 2016 »Lingen« einen Auszug aus dem Protokoll seiner Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft vor. Hier hatte er ganz offen Vertuschungsabsichten bekundet: »Die bloße Bezifferung der seinerzeit in Thüringen vom BfV geführten Quellen mit acht, neun oder zehn Fällen hätte zu der – ja nun heute noch intensiv gestellten – Frage geführt, aus welchem Grunde die Verfassungsschutzbehörden über die terroristischen Aktivitäten der drei eigentlich nicht informiert gewesen sind. Die nackten Zahlen sprachen ja dafür, dass wir wussten, was da läuft, was ja aber nicht der Fall war. Und da habe ich mir gedacht, wenn (...) die Anzahl unserer Quellen (...) in Thüringen nicht bekannt wird, dass dann die Frage, warum das BfV von nichts gewusst hat, vielleicht gar nicht auftaucht.«

Daraufhin erstatteten die Witwe und die Tochter des in Dortmund vom NSU erschossenen Kioskbesitzers Mehmet Kubasik sowie die Anwälte der Familie bei der Kölner Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen »Lingen«. Das Ermittlungsverfahren soll nun nach einer am 16. März von Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn erlassenen Verfügung gegen die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro eingestellt werden.

Trotz der belastenden Aussage von M. bei der Bundesanwaltschaft sei laut Willuhn nahezu sicher ausgeschlossen, dass er bei der Aktenvernichtung in verschwörerischer Absicht gehandelt habe, berichtete die Welt. M. habe sich nach Einschätzung des Kölner Staatsanwalts nur Arbeit ersparen und den Aktenbestand bereinigen wollen.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/329989.absolution-für-3-000-euro.html
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Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 11.04.2018, Seite 2   / Inland

Neonazi in Panik
NSU-Prozess: Anwälte von André Eminger verzögern Plädoyers
Von Claudia Wangerin, München



Am Dienstag stellten die Verteidiger des als Terrorhelfer angeklagten André Eminger (hier während eines Verhandlungstermins im Februar, Bankreihe Mitte links) im Münchner NSU-Prozess diverse Befangenheitsanträge
Foto: Peter Kneffel/dpa

André Eminger geht das Nationalistengesäß offenbar auf Grundeis. Im Verteidigerteam des Mitangeklagten ist nach Beginn der Plädoyerphase im NSU-Prozess hektische Betriebsamkeit ausgebrochen – nach viereinhalb Jahren weitgehender Passivität. Am Dienstag lehnte das Oberlandesgericht München die Beiordnung eines dritten Pflichtverteidigers für den mutmaßlichen »Terrorhelfer« ab.

Einer von Emingers ursprünglichen Anwälten, Michael Kaiser, sitzt mittlerweile im Rollstuhl, kann seine Aufgabe aber nach Auffassung des Gerichts bis zum absehbaren Ende der Hauptverhandlung wahrnehmen, während sich der erst kürzlich zur Verstärkung geholte Rechtsanwalt Daniel Sprafke notdürftig einarbeiten muss. Für Sprafkes Aktenstudium beantragten die Verteidiger am Mittwoch eine Unterbrechung der Verhandlung für die zulässige Höchstdauer von vier Wochen, die das Gericht ebenso ablehnte wie ein Pflichtmandat für den Prozessneuling. Es folgte ein mehrstündiger Streit über Befangenheitsanträge, die Emingers Anwälte sofort gegen beteiligte Richter stellen wollten. Nach einer Beratungspause stellten sie zumindest ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, der Wert darauf gelegt hatte, dass vorher die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ihre Plädoyers halten könnten. Der Verhandlungstag war jedoch mit diesem Befangenheitsantrag gelaufen.

Erst seit dem Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft sitzt Eminger in Untersuchungshaft – zwölf Jahre haben die Ankläger im September 2017 für ihn verlangt. Genausoviel wie für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben, der aber schon mehr als die Hälfte des geforderten Strafmaßes in U-Haft verbüßt hat. Eminger konnte derweil die meisten Abende nach den Hauptverhandlungsterminen für gemeinsame Aktivitäten mit Münchner Szenegrößen wie Karl-Heinz Statzberger nutzen und nahm an Aufmärschen des bayerischen »Pegida«-Ablegers »Bagida« teil. Damals trug er auch im Gerichtssaal gerne T-Shirts mit gewaltverherrlichenden Motiven, nun sitzt er dort in biederen Pullovern und hat sichtlich abgenommen.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten hatte erst im Plädoyer mit der lange gepflegten These vom »NSU-Trio« gebrochen und den zunächst als »Helfer« angesehenen Eminger als mögliches viertes Mitglied der rechten Terrorgruppe benannt.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/330551.neonazi-in-panik.html


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DORTMUND
"Kein Schlussstrich": Ein bewegender Besuch bei den NSU-Monologen
Die Reihen im Dortmunder Theater sind voll. Die Theatertechniker haben eigens ihren Streik unterbrochen, um die Vorführung zu ermöglichen. Vor uns sitzt eine Schulklasse. Es wird gequatscht und rumgealbert und wir überlegen kurz, ob wir den Platz wechseln. Aber wir bleiben, und als die Vorstellung beginnt, wird es absolut still im Saal, auch in der Reihe vor uns.

Korrespondenz
Samstag,  14.04.2018,  15:00 Uhr


Demonstranten fordern lückenlose Aufklärung der faschistischen NSU-Morde (Foto: Bühne für Menschenrechte)

Opfer wurden kriminalisiert, terrorisiert und gedemütigt
Auf der Bühne: vier Schauspieler in Alltagskleidung, die in einem Lichtkegel stehen. Die vier repräsentieren Menschen, die teilweise vor Verfolgung in ihrem Heimatland nach Deutschland geflohen sind, friedliche Menschen. Menschen wie Adile Şimşek, die Frau des in Nürnberg ermordeten Enver Şimşek. Sie wird von der Polizei in den Wahnsinn getrieben, täglich befragt. Solange, bis sie selbst an ihrem Mann zweifelt und sein Bild zerreißt.

Alle Hinterbliebenen der NSU-Opfer hatten und haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Sie werden beschattet, ihre Wohnungen werden durchsucht, Freunde und Verwandte bis in die Türkei verhört. Durch die falschen Anschuldigungen in Richtung organisierte Kriminalität wenden sich Nachbarn, Freunde und Verwandte von ihnen ab. Die größte Demütigung aber ist, so berichtet die Dortmunderin Elif Kubaşık, als eine Nazi-Demonstration direkt an dem Kiosk vorbei marschiert, in dem ihr Mann Mehmet erschossen wurde. Die Polizei ermittelt nicht in Richtung der Faschisten und das, obwohl eine Nachbarin aussagt, sie habe unmittelbar vor dem Mord einen Mann gesehen, der vom Typ her ,,ein Junkie oder Nazi" war. Die Angehörigen der Opfer lassen sich trotz allem nicht unterkriegen. Sie organisieren Demonstrationen, gehen an die Öffentlichkeit und fordern immer wieder Aufklärung.

Der Drang, diese Zustände zu ändern, wird gestärkt
Es gibt viele Gänsehautmomente an diesem Abend. Die wortgetreue Wiedergabe der Interviews empört und macht wütend auf die Zustände, in denen so etwas möglich ist. Aber auch der Drang, diese Zustände zu ändern, wird gestärkt.

Quelle

https://www.rf-news.de/2018/kw15/kein-schlussstrich-ein-bewegender-besuch-bei-den-nsu-monologen

Quellen & Links
Die NSU-Monologe können in jeder Stadt gezeigt werden. Der Regisseur hat mittlerweile ein Netzwerk von mehreren hundert Schauspielerinnen und Schauspielern aufgebaut, die alle das Stück aufführen können. Mittlerweile werden so im Jahr über 100 Aufführungen ermöglicht.



Mehr Informationen unter www.buehne-fuer-menschenrechte.de
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Kuddel

Zitat Sollte der Rechtsstaat am Ende eines der größten Terroristenprozesse der bundesdeutschen Geschichte blamiert dastehen, weil kein der Mordtaten angemessenes Urteil gefällt werden kann, wäre das nicht die Schuld des Gerichts. Die Verantwortung hierfür würden Ermittlungsbehörden und Geheimdienste tragen, die eine für den gesellschaftlichen Rechtsfrieden nötige umfassende Sachverhaltsaufklärung blockiert haben, um staatliche Verstrickungen in die Mordserie des NSU zu vertuschen.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ein-opfer-der-liebe

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Aus: Ausgabe vom 16.05.2018, Seite 2   / Inland

»Realo« gegen »Schuldkult«
NSU-Prozess: Anwälte des Neonazis Wohlleben plädieren im Szenejargon
Von Claudia Wangerin



Ralf Wohlleben vor dem Oberlandesgericht München
Foto: Andreas Gebert/dpa

Das bisher ideologischste Verteidigerplädoyer im Münchner NSU-Prozess haben am Dienstag die Anwälte von Ralf Wohlleben begonnen. Obwohl der Ex-NPD-Funktionär während der fünfjährigen Hauptverhandlung weit weniger provokant den Neonazi heraushängen ließ als der Mitangeklagte André Eminger, setzt Wohlleben als einziger auf bekannte Szeneverteidiger. Rechtsanwältin Nicole Schneiders, die ihren Mandanten noch aus dem Jenaer NPD-Vorstand kennt, bezeichnete Wohlleben am Dienstag nicht nur als »unschuldig«, was den Anklagevorwurf der Beihilfe zu neun Morden angeht. Laut Protokoll der Initiative »NSU Watch« betonte Schneiders außerdem, er sei »kein Ausländerhasser«, sondern »vielmehr ein sogenannter Realo«. Die Beweislage reiche für eine Verurteilung nicht aus, sagte sie mit Blick auf die ihm vorgeworfene Lieferung der Tatwaffe an das mutmaßliche NSU-Kerntrio um die Jahrtausendwende.

Es habe aber von Anfang an eine massive Vorverurteilung gegeben – aus ihrer Sicht habe das Urteil schon vor der Hauptverhandlung festgestanden. In das eigentlich als Schlussvortrag gedachte Plädoyer flocht Schneiders Beweisanträge ein und präsentierte einen früheren Thüringer Neonazi als Alternativtäter. Die Zeugenvernehmung dieses Mannes und seiner Mutter werde beweisen, dass er und nicht Wohlleben die Ceska-Pistole übergeben habe, mit der später neun Migranten erschossen wurden. Sie versprach sich wohl selbst nicht viel von diesem Manöver – laut »NSU Watch« wurde Schneiders zu guter Letzt esoterisch. Sie erklärte dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München, er müsse sich »einst vor dem Richterstuhl des Ewigen verantworten«. Für ihren Mandanten, der wie die Hauptangeklagte Beate Zschäpe seit November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, verlangte Schneiders einen Freispruch.

Ihr Kollege Olaf Klemke lederte anschließend gegen die Medien, die »Lobby sogenannter Migrantenverbände«, »Politikerdarsteller der herrschenden Kaste« und den »Schuldkult« los. Den Deutschen drohe der »Untergang als Abstammungs-, Kultur- und Schicksalsgemeinschaft«. Am Nachmittag klagte Wohlleben über Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen, der Vorsitzende Richter Manfred Götzl beendete daraufhin den Verhandlungstag. Die Bundesanwaltschaft hat für Wohlleben schon vor Monaten eine zwölfjährige Haftstrafe gefordert.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/332511.realo-gegen-schuldkult.html
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Die Todesliste des NSU
Es geht um eine geheimnisvolle Liste. Auf ihr stehen die Namen von mehr als 10 000 Personen. Experten sind überzeugt: Der NSU plante weitaus mehr Attentate und muss Helfer gehabt haben.

Im Brandschutt der Wohnung von Beate Zschäpe fand die Polizei eine umfangreiche Adresssammlung, die später unter dem Namen "10 000er Liste" oder "Todesliste des NSU" in den Ermittlungsakten erwähnt wird.

Seit fünf Jahren läuft mittlerweile der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Doch bis heute ist völlig ungeklärt, was es mit dieser Liste auf sich hat. Und vor allen Dingen ist eine Frage bis heute nicht beantwortet: Wer hat diese umfangreiche Liste erstellt?

Anwälte der Opfer und auch Politiker aus dem Untersuchungsausschuss bezweifeln, dass diese Liste allein von den verstorbenen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos geschrieben wurde. Vielmehr glauben sie, dass der NSU eine Vielzahl von Helfern gehabt haben muss.

Opferanwalt Yavus Narin geht mit den Ermittlungsbehörden hart ins Gericht: "Wir wissen weder wie groß der NSU war, noch wissen wir, wer den NSU unterstützt hat. Und viele Fragen hätten die Behörden durch anständige kriminalistische Arbeit und durch weniger Borniertheit lösen und erklären können."

Auch Opferanwalt Sebastian Scharmer erhebt Vorwürfe: "Wir wissen von keinen gezielten Vernehmungen, von keinen gezielten Ermittlungen, die das Netzwerk NSU hätten erhellen sollen."
Nach Ansicht vieler Experten ist der NSU-Komplex noch lange nicht ausermittelt.


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https://www.youtube.com/watch?v=ba7BV1OL0yY


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Das brd Regime läßt weiter Zeugen und kritische Ermittler ermorden....

Ungeklärter Tod eines NSU-Brandermittlers
25. Juni 2018  Thomas Moser

Frank Dieter Stolt war Brandsachverständiger und kritisierte die offiziellen Ermittlungen - Familie hat Obduktion in Auftrag gegeben

Der international bekannte Brandermittler und Kriminaltechniker Frank Dieter Stolt ist im Alter von 62 Jahren in einem Krankenhaus in Mannheim gestorben. Weil die Todesursache unklar ist, hat die Familie von Stolt privat eine Obduktion in Auftrag gegeben.

Von öffentlichem Interesse ist der Fall, weil Stolt auch im Rahmen der NSU-Ermittlungen mit Untersuchungen beauftragt war. Dabei äußerte er sich öffentlich auch kritisch zu manchen Ermittlungen.

So beispielsweise im Zusammenhang mit dem Brand des Wohnmobils in Eisenach am 4. November 2011. In dem Fahrzeug waren die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot aufgefunden worden. In der ARD-Dokumentation "Die Akte Zschäpe" von 2015 kritisierte Stolt unter anderem das Verhalten des Polizeichefs Michael Menzel, der sich in das Wohnmobil begeben und mit einer Harke darin herum gesucht hatte.

Außerdem wurde eine dort entdeckte Polizeiwaffe herausgeholt, die später als die eines Polizeibeamten identifiziert wurde, der im April 2007 in Heilbronn Opfer eines Anschlages geworden war, bei dem seine Kollegin Michèle Kiesewetter starb.

"Ein Brandort ist ein Tatort"
"Ein Brandort ist ein Tatort", sagt Stolt in der Sendung dazu (ab Minute 24:20), es gelten bestimmte Vorgehensweisen, beispielsweise habe nicht jeder in einem Tatort "herumzurennen". Stolt, der auch ausgebildeter Feuerwehrmann und Feuerwehrlehrer ist, kritisiert vor allem auch den Umgang mit den Fotos, die die Feuerwehr am Tatort Eisenach im Inneren des ausgebrannten Fahrzeuges gemacht hat - sie wurden nämlich vom Einsatzleiter der Polizei, Menzel, beschlagnahmt. (Ab Minute 23:50) Alle Bilder, egal von wem sie gemacht wurden, müssten asserviert werden, so Stolt.

Kritik äußerte der Fachmann auch am Vorgehen in der Frühlingstraße in Zwickau. Dort explodierte ebenfalls am 4. November 2011 gegen 15 Uhr die gemeinsam von Beate Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos genutzte Wohnung. (Ab Minute 30:35 bis Minute 32:50) Im Brandschutt wurden zahlreiche Indizien und Beweisstücke für einen Zusammenhang mit der Ceska-Mordserie an neun Migranten und dem Polizistenmord von Heilbronn sichergestellt.

Stolt kritisiert, dass die ausgebrannte Wohnung mit schwerem Gerät (Bagger) ausgeräumt wurde: "Alles, was Sie da rausholen, können Sie nicht wieder richtig zuordnen." Darüber hinaus zieht der Experte die Erklärung der Angeklagten Zschäpe in Zweifel, sie habe das Benzin in der Wohnung ausgeschüttet und dann entzündet. Stolt meint, dann hätte sie sich selber verletzen müssen. Tatsächlich können die Brandermittler bis heute nicht sagen, wie die Wohnung zur Explosion gebracht wurde. Dass es durch einen Menschen in der Wohnung mit offener Flamme geschah, schließen sie aus.

Selber direkt in Ermittlungen zum NSU-Komplex einbezogen
Die Frage soll nach Abschluss der Plädoyers an diesem Dienstag erneut das Oberlandesgericht in München, vor dem Beate Zschäpe angeklagt ist, beschäftigen. Die Richter wollen noch einmal einen Brandsachverständigen dazu hören. (Siehe Schluss des Artikels.)

Frank Dieter Stolt war aber auch selber direkt in Ermittlungen zum NSU-Komplex einbezogen. Er untersuchte im Jahr 2015 das ausgebrannte Auto, in dem der 21jährige Florian H., ein Aussteiger aus der rechten Szene, ums Leben gekommen war. Der Tod hatte sich im September 2013 auf dem Festgelände Wasen in Stuttgart ereignet, am Nachmittag sollte er vom Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart zum Komplex NSU/Polizistenmord befragt werden. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlung schnell eingestellt, nicht einmal alle Gegenstände im Fahrzeug waren gesichtet worden. Das tat hinterher die Familie des Toten. Sie stellte auch das Auto sicher, das die Polizei sonst hätte verschrotten lassen.

Als über ein Jahr danach der Landtag von Baden-Württemberg einen NSU-Untersuchungsausschuss einsetzte, nahm sich das Gremium auch des Falles Florian H. an. Es beauftragte Frank Dieter Stolt mit den (Nach-)Untersuchungen.

Stolt stützt in diesem Falle die offizielle Version der Staatsanwaltschaft Stuttgart, beim Tod von Florian H. habe es sich um Suizid gehandelt. Der Rechtsmediziner Heinz-Dieter Wehner hatte dagegen festgestellt, dass der Tote zwar noch lebte, als er verbrannte, aber einen tödlichen Medikamentencocktail in sich hatte und handlungsunfähig gewesen sei. Nach Wehner, der inzwischen ebenfalls verstorben ist, wäre ein Selbstmord also keinesfalls erwiesen.

Der Sachverständige Stolt kommt allerdings zu dem Schluss, dass Florian H. den Brand selbst ausgelöst habe. Nach seiner Bewertung durch eine "offene Flamme", für eine "mögliche Fernzündung" hätten "keine hinreichenden Anhaltspunkte festgestellt" werden können. (Siehe im Abschlussbericht des PUA u.a. S. 938 und S. 1487 ff..

Frank Dieter Stolt ist nach Auskunft der Familie am 15. Juni in einem Mannheimer Krankenhaus gestorben. Nach seiner Einlieferung sei er ins Koma gefallen und nicht mehr aufgewacht. Der Tod kam für die Familie "sehr überraschend". Weil die Ärzte nicht sagen können, woran der Patient starb, hat die Familie auf eigene Kosten eine Obduktion in Auftrag gegeben. Bei der Staatsanwaltschaft Mannheim ist der Fall nicht bekannt, ein Todesermittlungsverfahren nicht anhängig.

Stolts Institut in Mannheim ist inzwischen "dauerhaft geschlossen". (Thomas Moser)

Quelle

https://www.heise.de/tp/features/Ungeklaerter-Tod-eines-NSU-Brandermittlers-4091711.html
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counselor

ZitatNSU-Attentat in Nürnberg: Spur führt zu Zschäpes enger Freundin

Nürnberger Anschlagsopfer erkannte auf Foto des BKA eine Frau wieder

NÜRNBERG - 19 Jahre nach dem Rohrbombenattentat auf den Pächter einer Nürnberger Pilskneipe hat ein gemeinsames Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk das Opfer von damals ausfindig gemacht. Der junge Türke hat — ohne es zu wissen — dem Bundeskriminalamt den entscheidenden Hinweis auf die Täter aus dem NSU-Umfeld gegeben. Bis jetzt scheinen die Ermittlungsbehörden jedoch kein großes Interesse an den Tag zu legen, der Spur nachzugehen.

Quelle: http://www.nordbayern.de/stories/nsu-attentat-in-nurnberg-spur-fuhrt-zu-zschapes-enger-freundin-1.7748921
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Zitat"Die Beamten haben gemeint, bis die Sache geklärt wird, bitte nicht mit den Medien reden, nicht, dass unsere Ermittlungen kaputtgehen. Sie haben gesagt, sie melden sich wieder", berichtete er jetzt dem Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und und Bayerischen Rundfunk. Gemeldet haben sich die Beamten allerdings dann nie wieder.
http://www.nordbayern.de/stories/nsu-attentat-in-nurnberg-spur-fuhrt-zu-zschapes-enger-freundin-1.7748921

Wie gehabt: Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!

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Aus: Ausgabe vom 27.06.2018, Seite 4   / Inland

Neuer Verdacht
NSU-Prozess: Letztes Wort der Angeklagten steht bevor – vier wollen sich äußern. Brisante Zeugenaussage zu Anschlag in Nürnberg bekanntgeworden
Von Claudia Wangerin


Die meisten Prozessbeobachter erwarten keine bahnbrechenden Enthüllungen, wenn Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess das letzte Wort erteilt wird. Ihr Anwalt Mathias Grasel kündigte am Dienstag laut Nachrichtenagentur dpa eine rund fünfminütige Erklärung seiner Mandantin an. Auch die Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Holger Gerlach und Carsten S. wollen sich äußern – nur nicht der Mitangeklagte André Eminger.

Gegen dessen Frau wurde am Dienstag ein seit 2013 bestehender Verdacht bekannt. Susann Eminger ist im NSU-Prozess nicht angeklagt, aber eine von neun weiteren Beschuldigten, gegen die wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt wurde oder wird. Ein Betroffener des mutmaßlichen NSU-Anschlags mit einer Taschenlampenbombe 1999 in Nürnberg soll Susann Eminger 2013 auf einem von mehreren Fotos wiedererkannt haben, die ihm das Bundeskriminalamt vorgelegt habe. Der türkeistämmige Pächter der damals zerstörten Nürnberger Kneipe »Sonnenschein« habe mit Blick auf Susann Eminger gesagt, »dieses Mädchen« komme ihm »dermaßen bekannt vor« und gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf, berichteten die Nürnberger Nachrichten und der Bayerische Rundfunk (BR) am Dienstag. Das Rechercheteam hatte demnach selbst mit dem Zeugen gesprochen.

Dieser womöglich erste NSU-Anschlag ist in der Anklageschrift nicht aufgeführt, da erst vor Gericht durch die Aussage des Mitangeklagten Carsten S. ein Bezug zu der Gruppe hergestellt wurde. Die untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten im Gespräch mit dem jungen S. um die Jahrtausendwende auf eine solche Sprengfalle angespielt.

Weitere Anklagepunkte können aber während der Hauptverhandlung nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung der Angeklagten hinzugefügt werden. Inwieweit dem Verdacht gegen Susann Eminger nachgegangen wurde, ist nicht bekannt. Über den Stand laufender Ermittlungen geben Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft in der Regel keine Auskunft.

Auf Antrag der Verteidigung von Beate Zschäpe wurde am Dienstag nach Abschluss der Plädoyers noch ein Brandsachverständiger gehört – allerdings nicht mit dem gewünschten entlastenden Ergebnis. Es ging um das Feuer, das Zschäpe nach dem Tod ihrer Untergrundgefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt legte, um die gemeinsame Wohnung in Zwickau zu zerstören und Beweismittel zu vernichten. Hätte die Feuerwehr nur wenige Minuten später eingegriffen, hätten die Flammen auch die Wohnung der betagten Nachbarin Zschäpes erfasst, sagte der Sachverständige laut dpa-Bericht. Die Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm hatten dafür plädiert, Zschäpe lediglich wegen einfacher Brandstiftung zu einer moderaten Gefängnisstrafe zu verurteilen, die durch die Untersuchungshaft von sechseinhalb Jahren bereits verbüßt sein dürfte. Die Bundesanwaltschaft sieht die Brandstiftung dagegen als versuchten Mord, weil Zschäpe damit den Tod von drei Menschen in Kauf genommen habe, darunter den der Nachbarin. Bei der Gesamtstrafenbildung dürfte aber auch das eine untergeordnete Rolle spielen, wenn sie als Mittäterin bei zehn vollendeten Morden, zwei Sprengstoffanschlägen in Köln und mehreren Raubüberfällen verurteilt wird. Die Bundesanwaltschaft hat für sie eine lebenslange Haftstrafe und Sicherungsverwahrung gefordert. Ihre drei Altverteidiger verlangten in allen Anklagepunkten außer der Brandstiftung Freispruch. Zschäpe sei nicht Mitglied in einer terroristischen Vereinigung, sondern lediglich in einer Wohngemeinschaft gewesen, hatte Sturm vergangene Woche erklärt. Zschäpe sei auch nur verwechselt worden, als ein Wachpolizist sicher war, sie beim Auskundschaften der Berliner Synagoge in der Rykestraße im Mai 2000 gesehen zu haben, so Sturm. Es sei schließlich gar nicht ihr Kleidungsstil gewesen, was der Zeuge beschrieben habe. Dabei war dessen Erinnerung »frisch« gewesen, als er sie erstmals zu Protokoll gegeben hatte: Am Tag, nachdem er am Vorabend Fahndungsfotos der damals gesuchten Jenaer »Bombenbastler« in der MDR-Sendung »Kripo live« gesehen hatte.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/334892.neuer-verdacht.html
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Aus: Ausgabe vom 29.06.2018, Seite 4   / Inland

Tod eines Brandermittlers
Familie des Kriminaltechnikers, der NSU-Ermittlungen kritisierte, gab Obduktion in Auftrag



Foto: Carolin Lemuth/dpa

Manche Todesfälle im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen sind sicher Zufall. Allerdings sind es inzwischen ziemlich viele: Zum Beispiel der Neonaziausteiger Florian Heilig, der 2013 wenige Stunden vor einer geplanten Vernehmung in seinem Auto auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart verbrannte, dessen Exfreundin, die an einer Lungenembolie verstorben sein soll, sowie deren Verlobter, mutmaßlich Selbstmörder – oder der Ex-V-Mann »Corelli«, der 2014 einer unentdeckten Diabeteserkrankung erlegen sein soll.

Nach all dem hat nun die Familie des international bekannten Brandermittlers und Kriminaltechnikers Frank Dieter Stolt privat eine Obduktion in Auftrag gegeben, weil der 62jährige kürzlich in einem Krankenhaus bei Mannheim gestorben und die Todesursache unklar ist, dies berichtete am Montag das Internetmagazin Telepolis.

Von öffentlichem Interesse sei der Fall, weil Stolt auch im Rahmen der NSU-Ermittlungen mit Untersuchungen beauftragt war. Dabei äußerte er sich öffentlich auch kritisch zu manchen Ermittlungen. So beispielsweise im Zusammenhang mit dem Brand des Wohnmobils in Eisenach am 4. November 2011. In dem Fahrzeug waren die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot aufgefunden worden. In der ARD-Dokumentation »Die Akte Zschäpe« von 2015 kritisierte Stolt unter anderem das Verhalten des Polizeichefs Michael Menzel, der sich in das Wohnmobil begeben und mit einer Harke darin herumgesucht hatte.

Außerdem wurde eine dort entdeckte Polizeiwaffe herausgeholt, die später als die des Polizeibeamten Martin A. identifiziert wurde, der im April 2007 in Heilbronn Opfer eines Anschlags geworden war, bei dem seine Kollegin Michèle Kiesewetter starb.

»Ein Brandort ist ein Tatort«, sagte Stolt in der Sendung. Dort habe beispielsweise nicht jeder »herumzurennen«. Stolt, der auch ausgebildeter Feuerwehrmann und Feuerwehrlehrer war, kritisierte auch den Umgang mit den Fotos, die die Feuerwehr am Tatort Eisenach im Inneren des ausgebrannten Fahrzeuges gemacht hat. Die wurden nämlich vom Einsatzleiter der Polizei, Menzel, beschlagnahmt.

Kritik äußerte der Fachmann auch am Vorgehen in der Zwickauer Frühlingstraße. Dort war ebenfalls am 4. November 2011 die gemeinsam von Beate Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos genutzte Wohnung explodiert. Im Brandschutt wurden zahlreiche Indizien und Beweisstücke für einen Zusammenhang mit der Ceska-Mordserie an neun Mi­granten und dem Polizistinnenmord von Heilbronn sichergestellt. (jW)

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/335107.tod-eines-brandermittlers.html

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Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 11.07.2018, Seite 1   / Titel

Nichts vergeben, nichts vergessen!
Mindestens 174 Menschen wurden Recherchen zufolge seit 1990 von Neonazis ermordet, zehn Tote hat der »NSU« zu verantworten
Von Sebastian Carlens



Am heutigen Mittwoch endet eines der großen Gerichtsverfahren in der Geschichte der BRD. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte, denen vorgeworfen wird, die Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) mit gegründet oder unterstützt zu haben, hat mehr als fünf Jahre gedauert. Zschäpe, mutmaßlich einzig Überlebende des harten Kerns der Gruppe, die für mindestens zehn Morde und mehrere Anschläge verantwortlich ist, hat bis zuletzt keine der vielen Gelegenheiten genutzt, um die Motive für ihr Tun offenzulegen. Zehn Tote, keine Begründung. Sie gehören zu den mindestens 174 Menschen, die laut unabhängigen Recherchen seit 1990 von Neonazis ermordet wurden. Staatlicherseits sind lediglich 83 von ihnen als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.

Ende 2011, nach dem Tod der beiden NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, wurden die Verstrickungen der Geheimdienste in den braunen Untergrund sichtbar. Die Spur des NSU war von »V-Leuten« gesäumt: Waffen, Pässe und Geld wanderten vom Staat an gewaltbereite Rechte. In dieser Situation auch internationaler Öffentlichkeit für die deutsche Neonaziszene verlangte selbst die FAZ die Auflösung des Verfassungsschutzes. Geheimdienstchefs stürzten, ein Untersuchungsausschuss folgte auf den nächsten. Unterdessen wurden systematisch und ohne Konsequenzen Akten, also Beweismittel, vernichtet.

Das Urteil gegen Zschäpe bildet den Abschluss der staatlichen NSU-»Aufarbeitung«. Die wirklich Verantwortlichen standen hier nie vor Gericht. Der Inlandsgeheimdienst, ohne den es nicht zur Attentatsserie gekommen wäre, ist mächtiger denn je. Die Ideologie des NSU hingegen ist keine absonderliche Meinung von gesellschaftlichen Außenseitern mehr – sie wird von denjenigen, die Asylbewerberheime in Brand stecken und dabei Tote billigend in Kauf nehmen, genauso vertreten wie von Hetzern in Medien und Bundestag, die an der Grenze schießen wollen, um Migranten abzuhalten, oder Flüchtlinge lieber im Mittelmeer ertrinken lassen, als sie zu retten.

Die Todesopfer des NSU-Terrors, die Toten rassistischer Gewalt mahnen uns: Nie wieder Faschismus!

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/335727.nichts-vergeben-nichts-vergessen.html

Aus: Ausgabe vom 11.07.2018, Seite 4   / Inland

Gegen Schlussstrichmentalität
Zur Urteilsverkündung im NSU-Prozess sind heute zahlreiche Demonstrationen und Aktionen geplant
Von Sebastian Lipp



Unter diesem Motto engagieren sich bereits seit dem vergangenen Jahr bundesweit Menschen für weitere Ermittlungen in Sachen Neonaziterror, hier im August 2017 bei einer Kundgebung in Wiesbaden
Foto: Boris Roessler/dpa

»Solange die Fragen der Betroffenen und Hinterbliebenen nicht gehört und beantwortet wurden, die staatliche Rolle und Verwicklungen des Verfassungsschutzes nicht aufgeklärt sind, solange das Netzwerk des NSU und seiner Unterstützer nicht enttarnt ist, so lange darf es keinen Schlussstrich unter das Kapitel NSU-Komplex geben.« Deswegen ruft das Bündnis gegen Naziterror und Rassismus am heutigen Mittwoch zu Aktionen während der Urteilsverkündigung im Jahrhundertprozess gegen die neofaschistische Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) und zu einer Großdemonstration am Abend in München auf. Darüber informierte Bündnissprecherin Patrycja Kowalska am Dienstag in der bayerischen Landeshauptstadt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nebenklägern und deren Anwälten.

»Jetzt müssen sofort alle bekannten Helfer angeklagt werden«, forderte Gamze Kubasik, die Tochter des vom NSU im Jahr 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik. Danach müssten sämtliche weiteren Täter endlich ermittelt werden. »Ich will nicht das Gefühl haben, jeden Tag weitere Täter auf der Straße zu treffen. Das muss aufhören. Ich will wissen, warum mein Vater ausgewählt wurde.«

Anders als die Generalbundesanwaltschaft gehen die Nebenkläger davon aus, dass der NSU aus weit mehr Personen als dem »Kerntrio« Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bestanden haben muss, erläuterte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann. Die Anklage gegen nur drei Personen sei falsch gewesen. Dadurch seien viele wichtige Fragen immer wieder als nebensächlich zurückgewiesen worden. Dabei gebe es zahlreiche konkrete Hinweise auf weitere Unterstützer an den jeweiligen Tatorten, denen aber nicht ausreichend nachgegangen worden sei. Denn irgendjemand habe die Opfer auswählen und die Tatorte ausspähen müssen.

»Ausreichende Anworten haben wir entgegen aller Aufklärungsversprechen bis heute nicht bekommen«, sagte Nebenklagevertreterin Seda Basay-Yildiz. »Wir haben eine Art Gedächtnisschredder bei V-Leuten erlebt.« Gamze Kubasik brachte auf den Punkt, was viele Hinterbliebene kritisieren: »Der NSU hat meinen Vater ermordet, die Ermittler seine Ehre kaputt gemacht. Sie haben ihn damit ein zweites Mal ermordet.« In der Art und Weise, wie die Ermittlungen bis zum Tod der NSU-Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im November 2011 geführt worden seien, zeige sich struktureller und institutioneller Rassismus. Jahrelang seien die Betroffenen selbst im Visier der Behörden gewesen. Dadurch sei bei Migranten das Vertrauen in die Institutionen verlorengegangen, sagte Alexander Hoffmann. Der NSU habe so mindestens eines seiner Ziele erreicht. Dieses Vertrauen müsse wiederhergestellt werden. Das aber könne »nicht ein Urteil bewirken«. Vielmehr müsse der »Kampf um Aufklärung« als »gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden«.

Viele Erkenntnisse über den NSU-Komplex seien außerhalb des Prozesses gewonnen, aber gezielt beiseite geschoben und nicht behandelt worden«, erklärte Caro Keller, die für »NSU-Watch« den Prozess beobachtet. Das habe »handfeste Konsequenzen für die heutige Zeit.« Viele Neonazis hätten Erfahrungen mit für sie erfolgreichen terroristischen Akten gesammelt. Sie seien weiter auf freiem Fuß. Es könne also jederzeit weitere Anschläge geben, warnte Keller. Zusammen mit den Hinterbliebenen werde NSU-Watch weiter vehement für eine staatliche Aufklärung, weitere Prozesse und Untersuchungsausschüsse kämpfen.

Die Aktionen heute vor dem Strafjustizzentrum München beginnen nach Angaben von Patrycja Kowalska um 8 Uhr morgens mit der Verlesung der Namen der Opfer und einer Gedenkminute. Den ganzen Tag über sollen politische Reden und ein abwechslungsreiches kulturelles Programm folgen. Die Demonstration werde ab 18 Uhr durch das migrantisch geprägte Bahnhofsviertel zum Bayerischen Innenministerium ziehen. Parallel zu den Veranstaltungen in München werden in mehr als 25 Städten Aktionen und Demonstrationen stattfinden.

Demostart in München: 18 Uhr, Nymphenburger Straße 16

Demo in Berlin: 17 Uhr, Platz der Luftbrücke; Bremen: 19 Uhr, Ziegenmarkt; Dortmund: 19 Uhr, Reinoldikirche; Frankfurt am Main: 18 Uhr, Willy-Brandt-Platz; Hamburg: 18 Uhr, Alma-Wartenberg-Platz

Weitere Infos: nsuprozess.net

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/335742.gegen-schlussstrichmentalität.html

Aus: Ausgabe vom 11.07.2018, Seite 8   / Inland

»Der Staat hat keines seiner Versprechen gehalten«
Abschluss des NSU-Prozesses: Terroropfer fordern echte Aufarbeitung und Entschädigung. Ein Gespräch mit Candan Özer
Interview: Savannah Helena Alphonso



Eine Installation auf dem Hauptmarkt im sächsischen Zwickau zeigt die zehn bekannten Todesopfer der rechten Terrororganisation NSU. In Zwickau befand sich die Wohnung des »NSU-Trios«
Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Wie haben Sie die Zeit nach dem Anschlag erlebt?

Wir waren traumatisiert und mussten gleichzeitig erleben, dass uns nicht geholfen wurde. Statt dessen wurden wir verdächtigt. Es kamen so viele Fragen auf. Warum wurde dieser Antrag auf Unterstützung schon wieder abgelehnt? Warum kriegst du keine Hilfe? Warum sollst du jetzt ganz normal zur Arbeit gehen? Jedes Mal wurde uns gesagt: Sie hatten nur äußerliche Wunden. Das ist jetzt schon Jahre her. Das ist geheilt. Auf die psychischen Verletzungen ist niemand eingegangen.

War zu dem Zeitpunkt schon bekannt, dass der Anschlag vom NSU verübt wurde?

Nein, das wurde erst nach dem Tod der beiden NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende 2011 bekannt. Aber Atilla und seinen Freunden war von Anfang an klar, dass die Täter Rassisten waren.

Wie haben Behörden und Polizei sich verhalten?

Sechs bis sieben Jahre wurden Atilla und seine Freunde nicht als Opfer behandelt, sondern als Täter. Er musste sich sehr häufig bei der Polizei melden, um noch einmal auszusagen. Dokumente, die er bereits unterschrieben hatte, verschwanden plötzlich.

Warum kam niemand darauf, dass es rassistische Anschläge waren?

Ich hatte den Eindruck, dass die Polizei wirklich gehofft hat, dass bei den Vernehmungen irgend etwas gesagt wird, auf das man seine Aufmerksamkeit verlagern könnte. Auf das, was Deutschland hören wollte.

Wie haben Sie den NSU-Prozess in München wahrgenommen?

Ich habe insbesondere wahrgenommen, dass er immer wieder aufs neue vertagt wurde. Vor jeder Verhandlung trugen wir die Hoffnung in uns, dass es endlich ein Schlusswort geben würde. Vergeblich. Entweder ging hier eine Akte verloren, oder da gab es noch einen Beweispunkt, der für die deutsche Justiz zuwenig aussagekräftig war.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Opfern und ihren Angehörigen Ende 2011 vollständige Aufarbeitung der Verbrechen und Hilfe versprochen. Wurde das eingelöst?

Uns wurde versprochen, dass alle zu ihrem Recht kommen. Dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass die Familien, die ihre Angehörigen verloren haben, angemessene Unterstützung erhalten. Dass auch diejenigen Unterstützung erhalten, die nicht mehr arbeiten können. Aber der Staat hat keines dieser Versprechen gehalten.

Was sendet der Prozess für eine Botschaft an die Gesellschaft?

Ich finde es peinlich für einen Staat wie Deutschland, dass er mehr als fünf Jahre gedauert hat. Und dass ich meinen Mann 13 Jahre nach dem Anschlag begraben musste, ohne dass er Hilfe bekommen hätte. Der Prozess ändert für die Gesellschaft gar nichts. Es ist auch traurig, dass so vielen Deutschen der NSU immer noch kein Begriff ist. Denn wer so etwas nicht weiß, muss ja blind durch die Welt laufen.

Woran mangelt es in der Gesellschaft?

Wenn ein Anschlag einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat, wird entweder gar nicht darüber gesprochen, oder es wird ganz schnell vertuscht. Wenn es islamistische Anschläge gewesen wären, dann würde es dreifach in die Länge gezogen werden.

Ich habe einen achtjährigen Sohn, dem ich in Zukunft immer wieder werde erklären müssen, was mit seinem Vater war. Und keiner kümmert sich wirklich darum. In der Presse wird häufig ein Bild vom »heilen Deutschland« gezeichnet. Wie damals unter Hitler.

Was hat sich für Sie und Ihre Familie nach dem Anschlag verändert?

Ich musste mitansehen, wie nichts für Atilla getan wurde. Er ist an den Folgen gestorben.

Er hat seine Arbeit verloren, er hat keine Unterstützung bekommen, er ist immer mehr zugrunde gegangen. Egal, welche Anträge er gestellt hat – sie wurden alle abgelehnt.

Was bedeutet das Prozessende für Sie?

Es wird nicht zu Ende gehen. Die Opfer waren Leute, die hier ihr Leben verbracht haben, die gearbeitet haben, sich immer an die Gesetze hier gehalten haben. Sie wurden verletzt oder umgebracht, um dann als Täter dargestellt zu werden. Deutschland darf sich nicht wundern, wenn wir irgendwann aufstehen und unser Recht einfordern.

Candan Özer arbeitet in Köln als Kosmetikerin. Ihr Ehemann Atilla Özer wurde bei dem mutmaßlich von der rechten Terrororganisation NSU verübten Nagelbombenattentat am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße schwer verletzt. Er starb im September 2017

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https://www.jungewelt.de/artikel/335764.der-staat-hat-keines-seiner-versprechen-gehalten.html

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Aus: Ausgabe vom 12.07.2018, Seite 1   / Titel

Freispruch für den Staat
Lebenslänglich für Beate Zschäpe: NSU-Prozess ist vorbei, die Aufklärung blieb jedoch auf der Strecke
Von Sebastian Carlens, München



Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl (2. v. r.) und die Vertreter seines Staatsschutzsenats am Mittwoch in München
Foto: Peter Kneffel/dpa
Am Mittwoch ist der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitbeschuldigte mit einem Urteil auf lebenslange Haft für die Hauptangeklagte vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) zu Ende gegangen. Seit Mai 2013 standen Zschäpe sowie Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger Gerlach und Carsten S. wegen Bildung beziehungsweise Unterstützung der rechtsterroristischen Gruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) vor Gericht. Dem NSU wurden zehn Morde, weitere Mordversuche, Sprengstoffanschläge sowie bewaffnete Raubüberfälle zur Last gelegt. Das OLG unter Richter Manfred Götzl folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft über weite Strecken und verurteilte Zschäpe wegen gemeinschaftlichen Mordes, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und schwerer Brandstiftung. Die Beschuldigte »habe alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mitbewirkt«, so Richter Götzl. Allerdings verzichtete das Gericht auf die geforderte Verhängung von Sicherheitsverwahrung für Zschäpe. Sie kann nun theoretisch nach 15 Jahren verbüßter Haft freikommen, auch wenn dies durch die erkannte »besondere Schwere der Schuld« unwahrscheinlicher wird. Die Untersuchungshaft von knapp sieben Jahren wird dabei angerechnet.

Zschäpes Mitbeschuldigte erhielten teilweise deutlich geringere Strafen als gefordert. Insbesondere André Eminger, der der untergetauchten Gruppe vielfach geholfen hatte, kommt mit zwei Jahren und sechs Monaten davon, die zum Teil bereits durch seine Untersuchungshaft abgebüßt sind. Eminger sei in den meisten Fällen von Unterstützungsleistungen für den NSU »nicht nachzuweisen«, dass er dabei später begangene Straftaten billigend in Kauf genommen habe. Diese Argumentation des Richters stieß unter den Nebenklägern und Opferfamilien auf Protest. »Meine Mandantin kann dem nicht folgen«, sagte der Anwalt von Gemse Kubasik, Tochter des 2006 vom NSU ermordeten Mehmet Kubasik, vor dem Gerichtsgebäude. Der Unterstützer Holger Gerlach, der den NSU-Mitgliedern mit falschen Pässen und Geld half, muss für drei Jahre in Haft. Eine recht hohe Strafe nach Jugendstrafrecht von drei Jahren erhielt auch Carsten S., der sich als einziger glaubhaft reuig gezeigt und in seinen Aussagen über die Anklage hinaus belastet hat. S. war zum Zeitpunkt, als er dem NSU bei der Beschaffung der späteren Tatwaffe vom Typ »Ceska« behilflich war, minderjährig. Ralf Wohlleben, der den Kauf der Pistole und die Auslieferung an die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard veranlasst hatte, muss zehn Jahre in Haft. Er ist der Beihilfe zu mehreren Morden schuldig gesprochen worden.

Revision angekündigt
Die Staatsanwaltschaft zeigte sich zufrieden. »Dass wir dieses Urteil haben, ist ein Erfolg des Rechtsstaats«, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. Das Gericht sei der Argumentation der Bundesanwaltschaft gefolgt. Beate Zschäpes »Altverteidiger« Anja Sturm und Wolfgang Heer kündigten an, Revision gegen das Urteil einzulegen. Zschäpe hatte ihren insgesamt drei ursprünglichen Verteidigern im Laufe des Verfahrens das Misstrauen ausgesprochen und zwei weitere Anwälte hinzugezogen. Matthias Grasel, einer der Anwälte, die 2015 zum Verfahren stießen, will ebenfalls in Berufung gehen. Hierfür ist der Bundesgerichtshof zuständig, der erst nach der schriftlichen Urteilsbegründung des OLG tätig werden kann. Diese Begründung wird in den nächsten Monaten erwartet. Auch wenn Götzls Urteile in der Regel als »revisionssicher« gelten, wird sich die Justiz auch nach Ende des Prozesses noch lange Zeit mit dem Fall NSU beschäftigen.

Dass die Terrorserie des NSU mit einem Strafprozess gegen nur fünf Beschuldigte abgearbeitet worden ist, muss als Niederlage der Aufklärung gewertet werden – der Urteilsspruch selbst ist dabei nicht das Entscheidende. Für die Angehörigen der Opfer ist die Frage, warum ausgerechnet ihre Verwandten zu Zielen der Killer wurden, bis heute nicht beantwortet. Die NSU-Mitglieder haben sich teils monatelang akribisch auf ihre Mordanschläge vorbereitet; es ist unglaubhaft, dass es sich um reine Zufallsopfer handelte, wie das Gericht behauptet. Den vielfältigen Beziehungen zwischen der NSU-Gruppierung und lokalen Neonazistrukturen an den Orten der Morde ist nicht entscheidend nachgegangen worden.

Das Gericht klammerte in der mündlichen Urteilsbegründung jegliche Bezüge des NSU zum deutschen Staat aus. So erwähnte Richter Götzl den Mord an Halit Yozgat in Kassel 2006, ohne die Anwesenheit des Verfassungsschutz-Mitarbeiters Andreas Temme am Tatort zu erwähnen. Götzl schilderte ausführlich die Gründung der Gruppe und das Abtauchen der späteren Kernmitglieder in den Untergrund, ohne die mehreren Dutzend sogenannten Vertrauensleute der deutschen Inlandsgeheimdienste zu erwähnen, die den Rechtsterroristen vielfach mit Geld, Sprengstoff, Waffen und Unterkünften halfen. Ohne diese Förderung wäre der NSU außerstande gewesen, mehr als zehn Jahre im Untergrund zu verbringen und sich der polizeilichen Fahndung immer wieder zu entziehen.

Auch die bislang völlig unklaren Abläufe des Mordanschlags auf zwei Polizisten in Heilbronn 2007 glättet Götzl mit der Behauptung, der NSU habe durch das Attentat den Staat vorführen und hilflos erscheinen lassen wollen. Die ursprüngliche Argumentation der Staatsanwaltschaft, Mundlos und Böhnhardt hätten auf die Beamten geschossen, um an ihre Dienstwaffen zu gelangen, hielt das Gericht wohlweislich nicht aufrecht. Schließlich war der NSU im Jahr 2007 bereits im Besitz eines umfangreichen Waffenlagers, darunter etliche Pistolen. Der »Fall Heilbronn« ist und bleibt mysteriös – und das Sterben mehrerer Zeugen in den letzten Jahren weckt den Verdacht, dass weiterhin hinter den Tätern »aufgeräumt« wird. Für das OLG war all dies keine Erwähnung wert.

Behördenverbrechen
»Keinen Schlussstrich ziehen«, forderten Demonstranten am Mittwoch vor dem Gerichtsgebäude. Der NSU-Komplex, ein Fall multipler Behördenverbrechen, ist nicht ansatzweise geklärt. Nicht nur die Rolle und das Wirken der Geheimdienste, auch die Vorgänge in Behörden und Ministerien, die nachweislich durch Aktenvernichtungen die Aufklärung der Morde behinderten, liegen weiterhin im dunkeln. Dem deutschen Staat, der sich nach der Enttarnung des NSU internationaler Aufmerksamkeit ausgesetzt sah, ist es gelungen, die beispiellose neonazistische Mordserie zu einem ordinären Kriminalfall zusammenzuschnurren. Das Verfahren selbst war bereits Teil der Vertuschung. Ein bürgerlicher Staat, der sich als demokratisch versteht und dessen Geheimdienste neofaschistische Killerkommandos ausrüsten und decken – das hat das Potential, viele Menschen über den Charakter dieser Gesellschaftsordnung nachdenken zu lassen. Das musste unbedingt verhindert werden – mit einem Freispruch für den Staat.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/335796.freispruch-für-den-staat.html

Aus: Ausgabe vom 12.07.2018, Seite 8   / Ansichten

Methode und Tradition
NSU-Prozess und bundesdeutsche Justizgeschichte
Von Arnold Schölzel


Kunstaktion von Günter Wangerin am 11. Juli 2018 vor dem Gerichtsgebäude in der Nymphenburgerstraße in München
Foto: Reinhold Rühl
Der Feind steht links. Der erste NSU-Prozess – Revisionen sind angekündigt – belegt das indirekt. Das Urteil vom Mittwoch kam zustande, weil der Ermittlungseifer in höheren Polizei-, Geheimdienst- und Justizkreisen nahezu erlischt, wenn es um neofaschistischen Terror geht. Es galt die Maxime, die der Anwalt der Nebenklage Mehmet Daimagüler in einem RBB-Interview am Mittwoch so formulierte: »Wenn man dem Staat gefährlich nahekam, hörte die Aufklärung auf.« Deutschlandfunk-Korrespondent Michael Watzke hatte nur noch Hohn übrig: »Dass ein V-Mann-Führer wie Andreas Temme, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel anwesend war, ›sachlich, nachvollziehbar und plausibel seine Wahrnehmungen am Tatort geschildert‹ habe – diese Erkenntnis hat das OLG München ziemlich exklusiv.«

Zudem: Kümmert sich irgendeine »Sicherheits«behörde um die seit 1990 von Neonazis Ermordeten und Totgeschlagenen, wahrscheinlich etwa 200? Ja, man vertuscht und verschleppt intensiv.

Wo die Dinge so liegen, bedeutet das zugleich: Je wilder sich Politiker nach dem Zusammenstöße auslösenden Polizeieinsatz beim G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg äußerten, desto drastischer die Urteile gegen tatsächliche oder vermeintliche Linke, desto zärtlicher der Umgang mit den von V-Leuten gepäppelten Neonazis.

Das hat Methode und Tradition: Das KPD-Verbot war 1956 auch nötig, damit ein Hans Globke, der die faschistischen »Rasse«gesetze entworfen hatte, weiter im Bundeskanzleramt der höchste Beamte der BRD bleiben konnte. Leute wie Globke waren Anlass für die Aussage des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, er betrete feindliches Ausland, wenn er sein Dienstzimmer verlasse. Ausschließlich diesem Justizaußenseiter ist zu verdanken, dass 1963 der Auschwitz-­Prozess in Frankfurt am Main beginnen konnte. Die Strafen fielen mild aus. In dem Land, in dem kein Richter des »Volksgerichtshofes« vor Gericht gestellt wurde, galt folgerichtig in den 1970ern als Staatsfeind, wer als »Sympathisant« der RAF auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. Sympathie mit Sozialismus führte mindestens zum Berufsverbot. Jeder Stein wurde in den RAF-Prozessen umgedreht, um das »Umfeld« aufzuklären. Seit 1990 herrscht Verfolgungswut gegen engagierte DDR-Bürger, die mit Hilfe der Strafjustiz und mit Terrorurteilen in Sozial- und Arbeitsrechtsverfahren niedergehalten wurden. Wer die DDR-Staatsführung der Strafjustiz zuführt, will Neonazis, die auf Rechnung des Verfassungsschutzes arbeiten und deren Ideologie nun im Bundestag angekommen ist, nicht ernsthaft verfolgen – Sündenböcke ausgenommen.

Einen Fritz Bauer gibt es heute nicht. »Erhalt der Nation«, ein NSU-Programmpunkt, wird gesellschaftlicher Konsens. Der bürgerliche Reichskanzler Joseph Wirth erklärte nach dem Faschistenmord an Außenminister Walter Rathenau 1922, der Feind stehe rechts. Das gilt in der Bundesrepublik nach dem NSU-Prozess weniger denn je.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/335831.methode-und-tradition.html
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admin

Ich war gerade auf der "Kein Schlußstrich!" Demo in Kiel. Es war beeindruckend. Die Veranstalter sprachen von über 600 Teilnehmern, meine persönliche Schätzlung liegt bei rund 100 weniger, aber ich will nicht kleinlich sein, denn in jedem Falle waren es für Kiel eine ganze Menge. Die Teilnehmer waren recht gemischt, die Antifa, Gewerkschafter, Leute aus verschiedensten linken Organisationen, Migranten und Unorganisierte, die den Naziterror nicht hinnehmen wollen. Laute Sprechchöre, gute Transparente und ebenso gute Reden. Flugblätter wurden von den Passanten meist angenommen.

Die gute Beteiligung und kämpferische Stimmung spricht dafür, daß es dem Staat nicht gelingt, nach dem Urteil nun den NSU Komplex unter den Teppich zu kehren. Die Fragen nach der Beteiligung des Staates und seiner Geheimdienste wurden deutlich formuliert.

Bereits auf der Heimfahrt hörte ich folgenden Kommentar im Autoradio:
ZitatDem Gericht fehlte es an Mut

Manfred Götzl ist ein resoluter Richter.  Wenn der Vorsitzende im NSU-Verfahren etwas wollte, dann bekam er das. Zur Not ließ Götzl seine fränkische Stimme laut und schneidend durch den Saal 101 des Oberlandesgerichts München dröhnen. Wie heute bei der Urteilsverkündung, als plötzlich Ismail Yozgat vor Schmerz zu schluchzen und klagen begann. Der Vater des vom NSU ermordeten Internetcafe-Betreibers Halit Yozgat beschwor wieder und wieder seinen toten Sohn. Da rief Götzl streng: "Wenn nicht auf der Stelle Ruhe herrscht, muss ich sie aus dem Saal entfernen lassen!"  Sofort herrschte Ruhe.

Ach, hätte Manfred Götzl diese Willensstärke doch auch an anderer, entscheidenderer Stelle eingesetzt. Hätte er seine Autorität mal gegenüber Ämtern und Behörden spielen lassen. Es ist unverständlich und unverzeihlich, warum ein so starker, selbstbewusster Richter kleinlaut kuscht, wenn es um die wichtigen Fragen geht. Etwa um die Rolle des Verfassungsschutzes.
Ein starker Richter hätte nicht nachgegeben

Beispiel neunter NSU-Mord. Der Fall Halit Yozgat. Da sitzt V-Mann-Führer Andreas Temme vom hessischen Landesverfassungsschutz während eines NSU-Mordes keine zehn Meter vom Tatort entfernt. Danach verstrickt er sich in ein geradezu lächerliches Netz von Lügen und Ausflüchten. Sowohl Ermittler der Polizei als auch externe Gutachter halten die Story des Andreas Temme, er habe nichts mitbekommen, für hanebüchen. Obendrein hat der V-Mann-Führer kurz vor und nach der Tat mit einer Quelle aus dem rechtsradikalen Milieu telefoniert. Was er dabei besprochen hat - Zeuge Temme konnte sich im NSU-Prozess erstaunlicherweise nicht mehr erinnern.

Ein starker Richter hätte hier nicht nachgegeben. Er hätte mit derselben Unnachgiebigkeit gehandelt wie gegen lästige Ruhestörer. Er hätte Ordnungsgelder oder Beugehaft verhängt. Er hätte Verfassungsschutzämter unter Druck gesetzt, ihre Vertreter vorgeladen, wenn nötig bis rauf zum Präsidenten. Er hätte sich nicht damit abspeisen lassen, dass wichtige Akten tabu sind. Was aber tat Richter Götzl? Er gab klein bei. Nach sechs Vernehmungstagen attestierte er Andreas Temme, seine Erklärungen seien "plausibel, glaubhaft und nachvollziehbar". Man muss nicht an Verschwörungstheorien glauben, um das absurd zu nennen.

Richter Götzl hat es sich in dem ohne Zweifel hoch komplizierten NSU-Verfahren an den entscheidenden Wegmarken zu einfach gemacht. Mag sein, dass er sein Hauptziel erreicht hat - keine Verfahrensfehler zu produzieren, die eine Revision vor dem BGH ermöglichen. Aber das ist zu wenig für einen Mammutprozess, der viele Fragen aufwirft - etwa die nach der Zukunft des V-Mann-Prinzips der Verfassungsschutzämter.

Der NSU-Prozess zeige, so haben heute viele türkisch-stämmige Prozessbeobachter geraunt, dass in Deutschland der "tiefe Staat" existiere wie in der Türkei. Das ist Unsinn. Es gibt hier keinen tiefen Staat. ...
https://www.deutschlandfunk.de/urteil-im-nsu-prozess-dem-gericht-fehlte-es-an-mut.720.de.html?dram:article_id=422698

In den Medien wurde der Prozeß meist gelobt, insbesondere die Rolle des Richters Götzl. In diesem Kommentar wird aber angedeutet, daß der Prozeß die Aufdeckung der staatlichen Verstrickungen mit dem Terror vermeiden wollte und Götzl eine wahrlich unsägliche Rolle dabei spielte.

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Diese gute deutsche Tradition hat Kontinuität im brd Regime

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NSU-Affäre – Kein Schlusstrich!



Verhinderte Aufklärung

von Claus Ludwig, Köln

Anlässlich des heute morgen (11.07.18) verhängten Urteilsspruches im Münchener NSU-Prozess finden derzeit in vielen Städten Demonstrationen unter dem Motto ,,Kein Schlussstrich" statt – zu Recht. Medial wird es nach dem Prozessende stiller werden um den NSU. Doch der Skandal ist noch nicht längst nicht beendet.

Für die Angehörigen der Opfer mag ein wenig Erleichterung bringen, dass eine Nazi-Terroristin wie Beate Zschäpe lebenslang hinter Gitter muss und auch Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren verurteilt wurde. André Eminger wurde allerdings nicht wegen Beihilfe, sondern nur wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung veurteilt. Seine zweieinhalb Jahre hat er längst abgesessen. Auch Wohlleben sitzt nun schon fast sieben Jahre in U-Haft.

Zur Aufklärung der Affäre hat der Prozess nur wenig beigetragen. Anklage und Prozessführung basierten auf der These der Bundesanwaltschaft, es hätte eine einzige Terrorzelle gegeben, nur aus dem Trio Mundlos, Böhnardt und Zschäpe bestehend, alle anderen wären nur Unterstützer gewesen.

Es ging in diesem Prozess nicht um die Ausleuchtung des NSU, sondern nur den Schuldnachweis Zschäpes, der angeblichen einzigen Überlebenden. Der Prozess wurde dafür in ein extrem enges juristisches Korsett gesteckt, der Vorsitzende Richter Goetzl erfüllte diesen Auftrag der Nicht-Aufklärung stur. Fünf Jahre, über vierhundert Verhandlungstage, doch neue Erkenntnisse gab es nur durch die ungeheure Fleißarbeit der Nebenklage.

Die These vom isolierten Trio ist nicht haltbar. Der NSU war in der Szene vernetzt. Es gibt einen großen Unterschied in der Vorgehensweise zwischen den Banküberfällen und den Morden, die sämtlich dem Trio zugeordnet wurden. Es gibt Hinweise auf Kontaktleute in den unterschiedlichen Städten. Anwälte der Nebenklage aus Dortmund gehen davon aus, dass dort lokal NSU-Aktive stationiert waren und noch sind.

Schon im Dezember 2011 schrieben wir: ,,Welches Muster kann der bundesweiten Ausbreitung der Morde zu Grunde liegen? (...) Ist es plausibel, dass sie alle Ziele persönlich ausgespäht, alle Anschläge selbst vorbereitet und eigenhändig durchgeführt haben? (...) Wahrscheinlicher ist, dass sie nur ein Teil eines terroristischen Netzwerks waren und Andere an Auswahl, Vorbereitung und zumindest absichernd an der Durchführung beteiligt waren. Darauf deutet auch die regionale Verteilung der Morde und der beiden Bombenanschläge in Köln. Man kann sich auch vorstellen, dass hier regionale Nazi-Gruppen nacheinander einen Beweis ihrer Handlungsfähigkeit und dem, was Nazis unter ,Mut' verstehen, erbracht haben. Vorstellbar ist, dass die Morde durch andere vorbereitet wurden und die Killer aus Sachsen zu deren Vollendung anreisten."

Rund um das Trio waren Dutzende Spitzel diverser staatlicher Geheimdienste positioniert. Einige von diesen wussten nachweislich um Existenz und Verbleib des NSU.

Es heißt, der Prozess hätte all dies nicht aufklären können, das wäre die Aufgabe der parlamentarischen Ausschüsse gewesen. Doch VS-Spitzel- und Beamte hätten mehr in die Mangel genommen werden können. Die These vom isolierten Trio, die von den Angehörigen und den Anwälten der Nebenklage hinterfragt und demontiert wurde, hätte hinterfragt und umfassendere Beweisanträge zugelassen werden können.

Der Münchener Prozess ist Teil der staatlichen Legende von der Bewältigung der Affäre. Es ging und geht es darum, den Skandal in geordnete Bahnen zu lenken, Schuldige zu finden und die Funktionsfähigkeit von Polizei und Geheimdiensten aufrecht zu erhalten.

Mehr Fragen als Antworten
Jede neue Runde der Untersuchung hat mehr Fragen aufgeworfen als Antworten zutage gefördert. Beim Mord an Halit Yozgat in Kassel war ein Beamter des hessischen Verfassungsschutzes anwesend. Das offizielle Motiv für den Mord an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter – ,,Hass auf den Staat" ist offensichtlicher Unsinn. Es gibt mehrere Verbindungen zwischen Kiesewetter und dem NSU. Mehrere Zeugen sind unter seltsamen Umständen verstorben, jeweils kurz vor ihrer Aussage, darunter V-Mann ,,Corelli" (Thomas Richter), der definitiv früh Kenntnisse vom NSU hatte. Darunter drei junge Menschen aus Baden-Württember, die miteinander in Kontakt standen. Der erste, Florian H., verbrannte im September 2013 in seinem Auto am Tag vor seiner Aussage. Er hatte Kontakte zur Nazi-Szene im Südwesten und gab an, etwas über die Ermordung Kiesewetters zu wissen.

Die Umstände des Todes von Mundlos und Böhnhardt selbst sind weiter ungeklärt. Es gibt offene technische Fragen und Unklarheiten beim Ablauf, die eher darauf hin deuten, dass jemand anders seine Finger im Spiel hatte.

Die Vernichtung von Akten und Verwischung der Spuren hatte schon vor der ,,Aufdeckung" begonnen und sie läuft bis heute weiter.

Der NSU-Skandal ist eine Staatsaffäre. Staatliche Stellen und Agenten haben vieles über den NSU gewusst, nichts unternommen, haben die Morde des NSU gedeckt oder diese sogar aktiv unterstützt, aus welchen Motiven auch immer.

Ziel des Staates war es nie, die Verbrechen vollständig aufzuklären, im Gegensatz zu Merkels vollmündiger Ankündigung. Es ging immer darum, die Schuld staatlicher Organe zu verstecken oder im Nebulösen zu lassen.

Der zentrale Aspekt von Zschäpes ,,Aussage" im Dezember 2015 war, dass sie in nahezu allen Aspekten eine Version lieferte, die mit der offiziellen Version der staatlichen Organe kompatibel war. Sie schilderte den NSU als völlig isolierte Gruppe, stellte Böhnhardt und Mundlos als Täter in allen Fällen dar, die ihnen zugeordnet werden – auch bei Michèle Kiesewetter und beim Anschlag auf einen Kiosk in Köln 2001 (bei denen andere bzw. TäterInnen vermutet werden) – ging weder auf ihre eigenen Aktivitäten nach dem 4. November noch auf den seltsamen Selbstmord der Uwes ein.

Sie lieferte mit ihrer Selbstdarstellung als angeblich hilflose und fremdbestimmte Frau ein Rückzugsgefecht, um eventuell noch bestehende Strukturen von Nazi-Terroristen, deren Umfeld und die Beteiligung staatlicher Organe daran aus dem Blick der Öffentlichkeit zu rücken. Die Frage ,,Wem nutzt es?" führt damit erneut zu Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden.

Es gibt keine Zweifel an der Schuld von Beate Zschäpe. Doch sie ist letztendlich das Bauernopfer dieses Prozesses, um die Fragen an VS und Polizei endlich vom Tisch zu wischen. Ihre Bereitschaft, lebenslang ins Gefängnis zu gehen (wobei es sein kann, dass sie bereits 2028 auf Bewährung freigelassen wird!), ihr Schweigen im Prozess, ihr Getue um ihre moralischen Zweifel, ihre Show, um als Person im Mittelpunkt zu stehen, ist mutmaßlich ihre Serviceleistung dafür, dass sie im Gegensatz zu ihren Komplizen noch am Leben ist.

Im Gedenken an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michèle Kiesewetter. Diese Namen dürfen nie in Vergessenheit geraten.

Quelle

https://www.sozialismus.info/2018/07/nsu-affaere-kein-schlusstrich/
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