Real heuert Streikbrecher an

Begonnen von Rappelkistenrebell, 07:14:23 Fr. 03.Juli 2015

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Rappelkistenrebell

 02.07.15 - Real heuert Streikbrecher an

Im laufenden Tarifstreit mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di will die Metro-Tochter Real den Kampf der Beschäftigten mit Streikbrechern unterlaufen. Wie das "Handelsblatt" berichtet, beschäftigt der Einzelhandelskonzern in seinen Supermärkten Streikbrecher. Beschäftigte der Zeitarbeitsfirma "4U@work" und die Briefkastenfirma "Novum" erhalten für die Zeit des Streiks befristete Verträge mit einer zweiten Zeitarbeitsfirma. Auf diese Weise umgeht der Konzern den Tarifvertrag für Zeitarbeit, nach dem das Streikbrechen untersagt ist.

Quelle

http://www.rf-news.de/2015/kw-27/02.07.15-real-heuert-streikbrecher-an
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Real will eure Meinung wissen!
Schreibt an den Kundenservice was ihr von der Tarifflucht haltet.Sagt es euren Freunden Bekannten und Verwandten!Solidarisch teilen!Protest bundesweit!Danke!

Eure Meinung ist real,- wichtig! Na dann, sagen wir real,- doch mal unsere Meinung über den skandalösen Umgang mit den Beschäftigten! BITTE alle mitmachen --> http://www.real.de/kundenservice/ihre-meinung.html

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Rappelkistenrebell



Aus: Ausgabe vom 06.07.2015, Seite 8 / Inland

»Alle Verleihfirmen bei Real haben Scheinkonstruktionen«
Supermarktkette stellt durch Trick sicher, Leiharbeiter als Streikbrecher einsetzen zu können. Gespräch mit Rainer Kruschewski

Interview: Claudia Wrobel

Rainer Kruschewski ist ver.di-Bundesfachgruppensekretär für den Bereich Handel

Die Supermarktkette Real soll mit getricksten Verträgen dafür gesorgt haben, dass ihnen Leiharbeiter selbst im Falle eines Streiks zur Verfügung stehen, obwohl solch ein Einsatz gegen den Tarifvertrag verstößt. Das hat das Handelsblatt in der vergangenen Woche berichtet. Wie muss ich mir das vorstellen?

Real hat verschiedene Leiharbeitsfirmen unter Vertrag, eine von ihnen ist die 4U@work, deren Machenschaften nun aufgedeckt wurden. Ich gehe davon aus, dass zwischen fünf und sechs solche regionalen Überlassungskonzerne für Real arbeiten, 4U@work ist beispielsweise vor allem im süddeutschen Raum aktiv, in Rheinland-Pfalz, Hessen und Teilen von Bayern. Alle diese Firmen mussten nicht nur ihre Bonität nachweisen, sondern auch, dass sie mit den DGB-Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge anwenden. Hierzu muss man sagen, dass die DGB-Tarifgemeinschaft in ihre Verträge für die Zeitarbeit eine Klausel zur Unterbindung von Streikbruch aufgenommen hat, das heißt, wenn eine DGB-Gewerkschaft in einem Betrieb zum Ausstand aufgerufen hat, darf die Verleihfirma keine Arbeiter als Streikbrecher dort einsetzen. Und hier kommt nun der Trick: Man sucht sich Firmen oder schafft diese selbst, die nicht der Tarifbindung für Zeitarbeit unterliegen, und bietet den Beschäftigten einen virtuellen Betriebswechsel für die Zeit des Streiks an. Damit arbeiten sie weiter, und der Konzern verstößt zumindest auf dem Papier nicht gegen Tarifverträge, weil sie sagen, es handele sich um eine andere Firma.

Allerdings hat Real, obwohl es selbst die Tarifbindung verlassen hat, doch zumindest eine Selbstverpflichtung abgegeben, nur mit Verleihfirmen zu arbeiten, die sich genau daran halten ...

Real stellt sich als passiver Nutznießer dieses Konstrukts hin, denn diese Verträge mit den, ich nenne sie mal Strohmannfirmen, bestehen als Subverträge mit den tarifgebundenen Verleihfirmen. Diese – von 4U@work lag uns das vor – schreiben ihre Mitarbeiter an und fragen sie, ob sie während des Streiks weiterarbeiten wollen. »Dafür arbeiten wir mit einer anderen Firma zusammen«, heißt es sinngemäß in dem Text. Wenn die Beschäftigten dazu bereit seien, würden für sie Verträge ausgefertigt, die beim Real-Geschäftsführer bereitliegen. Wenn der Arbeitskampf beginnt, sollen sie dorthin gehen, um die neuen Verträge zu unterschreiben. Sie müssen also schon zu Beginn ihrer Tätigkeit bei Real angeben, dass sie Streikbrecherarbeit leisten würden.

Kennen Sie solche Strategien auch von anderen Firmen?

Wir wissen, dass alle Verleihfirmen, die bei Real unter Vertrag stehen, solche Scheinkonstruktionen haben, um dem Konzern zu garantieren, parat zu stehen, selbst wenn gestreikt wird. Real wäscht da seine Hände in Unschuld, aber Tatsache ist, dass die Geschäftsleiter vor Ort zwar den Arbeitgeber mimen, aber nicht frei sind in ihrem Tun.

Haben Sie als Gewerkschaft oder hat der Betriebsrat überhaupt Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, oder hat Real das eine ultimative Schlupfloch gefunden?

Das hat der Konzern schon, aber genau deshalb hat Arbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, angekündigt unsere Klausel gegen den Streikbruch ins Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aufnehmen zu wollen. Dagegen laufen die Arbeitgebervertreter schon jetzt Sturm. Und ob sich Frau Nahles gegen Frau Merkel durchsetzen kann, wage ich nicht zu beurteilen.

Doch man merkt sofort, dass da etwas nicht stimmt: Die Beschäftigten bekommen kein Exemplar des neuen Vertrags ausgehändigt. Außerdem steht dort, dass er ausläuft, wenn der Streik zu Ende ist. So etwas ist aber arbeitsrechtlich gar nicht möglich. Ich glaube außerdem nicht, dass diese Arbeitgeber in der Lage sind, ihre Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden. Dahinter steckt ein Verwaltungsaufwand, den eine reine Briefkastenfirma nicht bewältigen kann. Ich vermute daher, dass diese Tätigkeiten von der richtigen Verleihfirma ausgeübt werden. Das sollten sich deren Betriebsprüfer einmal genauer ansehen.

Quelle

https://www.jungewelt.de/2015/07-06/014.php

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dagobert

Zitat von: Rappelkistenrebell am 08:04:28 Di. 07.Juli 2015
Real stellt sich als passiver Nutznießer dieses Konstrukts hin, denn diese Verträge mit den, ich nenne sie mal Strohmannfirmen, bestehen als Subverträge mit den tarifgebundenen Verleihfirmen. Diese – von 4U@work lag uns das vor – schreiben ihre Mitarbeiter an und fragen sie, ob sie während des Streiks weiterarbeiten wollen. »Dafür arbeiten wir mit einer anderen Firma zusammen«, heißt es sinngemäß in dem Text. Wenn die Beschäftigten dazu bereit seien, würden für sie Verträge ausgefertigt, die beim Real-Geschäftsführer bereitliegen. Wenn der Arbeitskampf beginnt, sollen sie dorthin gehen, um die neuen Verträge zu unterschreiben.
Leiharbeiter die nicht nach einem ZAF-Tarif bezahlt werden müssen den Festangestellten bei den Arbeitsbedingungen (einschl. Bezahlung) mindestens gleichgestellt sein. Eine Schlechterstellung ist laut AÜG untersagt und der Entleiher (hier REAL) ist diesbezüglich zur Auskunft verpflichtet.
Zitat
Außerdem steht dort, dass er ausläuft, wenn der Streik zu Ende ist. So etwas ist aber arbeitsrechtlich gar nicht möglich. Ich glaube außerdem nicht, dass diese Arbeitgeber in der Lage sind, ihre Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden. Dahinter steckt ein Verwaltungsaufwand, den eine reine Briefkastenfirma nicht bewältigen kann. Ich vermute daher, dass diese Tätigkeiten von der richtigen Verleihfirma ausgeübt werden. Das sollten sich deren Betriebsprüfer einmal genauer ansehen.
Seh ich auch so.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

eichkatz

Ich habe das Vorgehen von real so verstanden, dass die Briefkastenfirma, die die Streikbrecher_innenarbeit erledigt, durchaus einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, nur eben nicht mit einer DGB-Gewerkschaft, und somit die Klausel gegen Streikbruch in diesem TV nicht enthalten ist. Dann würde equal pay nicht greifen.
Ich hoffe, dass der real-Betriebsrat zu diesem Konstrukt ein Rechtsgutachten in Auftrag gibt. Das kostet real zumindest Geld und kann für die Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden.

dagobert

Das müsste dann ein Haustarifvertrag sein in dem keine Streikklausel drinsteht.
Wäre die Frage welche Gewerkschaft sich für sowas hergibt, die unchristlichen Dumpinglohn-Gewerkschaften sind ja aus der Zeitarbeit raus (und auch sonst fast nicht mehr vorhanden).
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Kuddel


ZitatReal-Streik:
Arbeitskampf am Stadtrand

Der Kostendruck im Einzelhandel ist enorm – trotz boomender Wirtschaft. Die Supermarktkette Real will deshalb die Löhne deutlich kürzen und ist damit nicht allein.


Die Beschwerden klingen alle ähnlich. "Seit zwölf Jahren arbeite ich in einem Real-Markt und mit den Jahren ist es immer schwieriger geworden, erfolgreich zu sein", berichtet ein Angestellter der Supermarktkette. Seinen Namen will er nicht preisgeben. Es würden zunehmend weniger Verkäufer im Markt eingesetzt: "Geht jemand in Rente oder orientiert sich neu, werden diese Mitarbeiter nicht ersetzt."

"Bin schon 35 Jahre dabei", schreibt ein anderer in dem Forum, das die Gewerkschaft ver.di für die Real-Angestellten aufgesetzt hat. In den vergangenen fünf Jahren sei vieles "völlig aus dem Ruder gelaufen". Die Läden würden "mit einem gigantischen Warenvolumen vollgeknallt", ohne zu prüfen, ob das bestehende Personal dafür ausreiche.

Was ist los bei Real? Diesem Mammut unter den Supermärkten, in denen Verbraucher nicht nur Lebensmittel, sondern auch zum Backpulver den passenden Mixer, zur Jeans die passende Wachmaschine kaufen können. Das Handelskonzept entstammt dem Konsumverhalten US-amerikanischer Vorstädte der 1980er Jahre: Tausende Quadratmeter große Wellblechhallen, umgeben von noch größeren Parkplätzen, die zum großen Wochenendeinkauf einladen. Etwa 38.000 Mitarbeiter und 300 Märkte unterhält das Unternehmen, das zum Metro-Konzern in Düsseldorf gehört.

Über Jahre kaum investiert

Was in den 1990er Jahren vielleicht noch funktioniert hat, stellt das Unternehmen mittlerweile vor immer größere Probleme: Seit Jahren sind die Umsätze rückläufig. Bis Ende 2016 will Real weitere acht Filialen schließen. "Es hat in den vergangenen Jahren kaum Investitionen, kaum Erneuerung gegeben. Das sieht man den Märkten auch an", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Christian Wey von der Universität Düsseldorf. Konkurrenten wie Edeka oder Rewe mit einem ähnlichen Vollsortiment hätten hingegen stark ausgebaut, auch durch Zukäufe: "Gerade im Lebensmittelhandel braucht man inzwischen eine gewisse Größe, um genügend Einkaufsmacht zu besitzen", sagt Wey. Nur so könnten die Preise niedrig gehalten werden.

Hinzu kommt, dass das Geschäftsmodell des Generalisten Real nicht mehr zum Lifestyle vieler Menschen passt – das zumindest konstatiert das Hamburgische WeltWirtschaftsinstitut (HWWI) in einer Studie: "Der Einzelhandel kehrt von der grünen Wiese und vom Stadtrand wieder in die Städte zurück." Die Verbraucher kauften Lebensmittel wieder stärker in der Nähe ihres Wohnortes, die Fahrt zum Stadtrand sei lästig geworden. Andere Waren, die Real auch anbietet, werden im Internet bestellt oder gleich im Fachhandel gekauft.

Auch die Unternehmensführung hat das erkannt und will die Filialen modernisieren. "Die Reaktion der Kunden sowie die Umsatzentwicklung dieser Märkte sind durchweg positiv", sagt Real-Sprecher Markus Jablonski ZEIT ONLINE. Allerdings könne der Umbau bis zu eine Million Euro pro Markt betragen. Kosten, die an anderer Stelle wieder eingespart werden müssen. Die Gewerkschaft ver.di wirft dem Unternehmen vor, den Umbau zu finanzieren, indem es die Gehälter der Mitarbeiter zusammenstreiche. Und das in einer Zeit, da die deutsche Wirtschaft boomt, die Löhne steigen und die Arbeitslosigkeit sinkt.

Aber nicht nur Real hat Probleme. Das Unternehmen steht vielmehr stellvertretend für die Misere im Handel insgesamt. Der Kostendruck ist riesig: Real hat im Juni verkündet, sich nicht mehr an den Tarifvertrag für den Einzelhandel zu halten, und muss dazu noch nicht einmal den Arbeitgeberverband verlassen. Praktischerweise bietet der Handelsverband Deutschland (HDE) eine besondere Art der Mitgliedschaft an: OT – ohne Tarifbindung. Das Unternehmen profitiert damit weiterhin von der Lobbyarbeit des Verbandes, muss sich aber nicht mehr an den Flächentarif der Branche halten. Auch in anderen deutschen Industrie- und Dienstleistungszweigen ist eine solche Praxis seit einiger Zeit üblich.

Trotz der guten Wirtschaftsentwicklung wachsen die Gehälter der Beschäftigten im Handel nur sehr langsam oder gar nicht. Immer mehr Unternehmen zahlen keine Tariflöhne mehr. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums lag der Anteil der Beschäftigten mit Tarifbindung im Handel 1996 noch bei 64 Prozent im Westen und 46 Prozent im Osten. 2013 sind es im Westen nur noch 39 Prozent und im Osten Deutschlands 23 Prozent. Außerdem, so hört man in der Branche, gebe es viele Unternehmen, die den Tarifvertrag unterliefen. Die Mitarbeiter würden einfach in niedrigere Entgeltgruppen einsortiert. Laut Tarif bekommt ein Verkäufer in Vollzeit nach fünf Berufsjahren 2.300 Euro brutto monatlich. Nur können Angestellte auch als Verräumer eingruppiert werden, also als einfache Mitarbeiter, die Regal auffüllen. Bruttomonatslohn: 1.900 Euro. Hinzu kommen Zehntausende Minijobber und Leiharbeiter, mit denen sich weitere Kosten sparen lassen.

"Fast die Hälfte der Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel zahlt seit Jahren nicht mehr nach Flächentarifvertrag", sagt Real-Sprecher Jablonski. "Unsere Personalkosten liegen dadurch bis zu 30 Prozent über denen der Wettbewerber." Diese Situation sei nicht länger tragbar. Real plant nach Angaben der Gewerkschaft daher das Urlaubs- und Weihnachtsgeld an den Unternehmenserfolg zu koppeln, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu erhöhen und Spätzuschläge zu kürzen. Ein harter Einschnitt für die Mitarbeiter, denn bisher, so bekräftigen selbst Real-Betriebsräte, sei das Unternehmen immer fair mit seinen Beschäftigten umgegangen.

Die Gewerkschaft ver.di will auf keinen Fall zulassen, dass Real dauerhaft aus der Tarifbindung aussteigt. Es wäre ein fatales Signal für die ganze Branche. Deshalb hat es erste Streikaktionen und eine große Demonstration vor der Metro-Zentrale gegeben. Alles läuft auf einen langwierigen Arbeitskampf hinaus. Sollte Real mit seiner Tarifflucht durchkommen, könnten schon bald andere große Player der Branche nachziehen – mit dem gleichen Argument, das Real gerade vorbringt: Konkurrenz- und Kostendruck. Das fürchtet man zumindest bei ver.di.

"Was wir unbedingt verhindern müssen, sind Szenarien wie die von Schlecker, Praktiker oder Karstadt", sagt Real-Gesamtbetriebsrat Werner Klockhaus. Er plädiert dafür, die Einschnitte bei den Personalkosten zeitlich zu begrenzen. Eine Möglichkeit dazu wäre, einen Sanierungstarifvertrag auszuhandeln. Dazu aber müsste die Real-Geschäftsführung öffentlich einräumen, dass das Unternehmen ein Sanierungsfall ist. "Wir brauchen keine temporäre Lösung, um eine Phase zu überbrücken", entgegnet Unternehmenssprecher Jablonski. Was Real benötige, seien dauerhafte strukturelle Veränderungen, um die Ungleichheiten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu beseitigen.

Das Problem erreicht so auch die Politik. Muss die Tarifflucht gesetzlich begrenzt werden? Kann man Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung verbieten? Aus dem SPD-geführten Bundesarbeitsministerium ist zu hören, dass entsprechende Projekte gerade nicht auf der Agenda stünden – zumal man sich nur ungern in die Autonomie der Tarifparteien einmische. Tatsächlich gilt diese als hohes Gut. Den Verkäufern von Real allerdings wird dies kaum nutzen.
http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2015-10/real-streik-handel-loehne-tarifflucht

Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 14.06.2016, Seite 9 / Kapital & Arbeit

Rammbock Real
»Zukunftstarifvertrag« bei SB-Warenhauskonzern könnte zur Verschlechterung der Lohnstruktur im gesamten Einzelhandel führen
Von Herbert Wulff



Düsseldorf im Juli 2013: Arbeitskämpfe bei Real zählen zu den härteren Auseinandersetzungen in der Branche
Foto: Christian Reimann/dpa

Auf den ersten Blick erscheint die kürzlich öffentlich gemachte Einigung über Eckpunkte für einen »Zukunftstarifvertrag« bei Real wie ein gewerkschaftlicher Erfolg. Immerhin sollen bei der Metro-Tochter – die vergangenen Sommer in den Status »Ohne Tarifbindung« (OT) des Unternehmerverbands wechselte – wieder Tarifverträge gelten. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass die rund 38.000 Beschäftigten der Supermarktkette dies mit Lohneinbußen bezahlen sollen. Auf den dritten Blick dann bekommt die Vereinbarung eine weitere, sehr weitreichende Dimension: Sie könnte die Durchsetzung einer neuen, deutlich schlechteren Entgeltstruktur im gesamten Einzelhandel befördern.

Bis Ende Juni sollen die Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bei Real befragt werden, wie sie zu den Eckpunkten der Vereinbarung stehen. Auf dieser Grundlage soll die unternehmensweite Tarifkommission der Beschäftigtenvertretung eine Entscheidung treffen. Die Diskussionen werden sich vor allem um die unmittelbaren Folgen für die Betroffenen drehen: Sind die versprochenen Investitionen und die Standortgarantie für 265 der 283 Märkte es wert, auf erhebliche Teile des Lohns zu verzichten? Das darf bezweifelt werden. Denn die Einschnitte sind drastisch: 2015, 2016 und 2017 werden die Gehälter eingefroren. Das Urlaubsgeld soll in den kommenden drei Jahren um 60 Prozent gekürzt werden, das Weihnachtsgeld 2016 bis 2018 ebenfalls nur zu 40 Prozent, 2019 zu 70 Prozent ausgezahlt werden.

Das sind deutlich spürbare Kürzungen, zumal Weihnachts- und Urlaubsgeld im Einzelhandel in der Regel nicht nur für Flugtickets und Geschenke verwendet werden. Bei den meisten Verkäuferinnen und Kassiererinnen dürften die Jahressonderzahlungen vielmehr voll fürs alltägliche (Über)leben verplant sein. Da nutzt es ihnen nichts, dass leitende Angestellte ebenfalls einen Beitrag zur Sanierung des angeschlagenen Unternehmens leisten sollen. Und auch die Sonderzahlung von einem bzw. 1,5 Prozent des Jahresentgelts für »Beschäftigte, die eine ver.di-Mitgliedschaft nachweisen«, gleicht nur einen kleinen Teil der Verluste aus. Diese Regelung soll vor allem bewirken, dass die Beschäftigten sich nicht als erstes den Gewerkschaftsbeitrag sparen.

Es gibt an der Vereinbarung also viel zu kritisieren. Und zwar nicht nur aus Sicht der Real-Beschäftigten selbst. Denn der Kontrakt enthält eine Klausel, die weit über das Einzelhandelsunternehmen hinaus Bedeutung erlangen könnte: Ab Oktober soll dort über eine neue Entgeltstruktur verhandelt werden. Deren »herausgehobene Bedeutung« stellen beide Seiten bereits in der Präambel des Eckpunktepapiers klar. »Deshalb werden die Vertragspartner auch auf Flächentarifvertragsebene darauf hinwirken, eine neue Entgeltstruktur zu schaffen, die geeignet ist, für allgemeinverbindlich erklärt zu werden«, heißt es darin.

Das bedeutet: Bei Real soll eine grundlegende Tarifreform ausgehandelt werden, die dann auf die Flächentarifverträge übertragen werden könnten. Ausgerechnet bei Real – dem Unternehmen, das als marodestes der Zunft gilt. Schon jetzt ist klar, dass unter diesen Bedingungen für die Beschäftigten nichts Positives herauskommen kann. Ihre Ziele hat die Unternehmensleitung in den Tarifverhandlungen der vergangenen Jahre mehr als einmal deutlich gemacht: Sie will vor allem die Kassiererinnen abgruppieren. Als sich das Real-Management mit dieser Forderung in der Tarifrunde 2015 nicht durchsetzen konnte, erklärte es noch während der Verhandlungen den Ausstieg aus der Tarifbindung. Jetzt soll dasselbe offenbar auf dem Weg eines unternehmensweiten Tarifvertrags erreicht werden.

Nicht nur für die Betroffenen, auch für ver.di wäre eine Schlechterstellung der vergleichsweise gut bezahlten Kassiererinnen eine Katastrophe. Denn diese stellen in vielen Betrieben den Kern der gewerkschaftlich Aktiven. In Arbeitskämpfen spielen sie eine entscheidende Rolle.

Es besteht die Gefahr, dass in dieser und in anderen Fragen durch eine Vereinbarung bei Real Fakten geschaffen werden, die dann durch die Hintertür für die gesamte Branche zur Geltung kommen. Denn andere Konzerne werden es sich nicht nehmen lassen, Verschlechterungen für die Beschäftigten der Metro-Tochter im Namen der Wettbewerbsfähigkeit auch bei ihren Belegschaften durchzusetzen verlangen.

Vor diesem Hintergrund könnten – und sollten – die Entwicklungen bei Real innerhalb von ver.di zu Debatten führen. Nicht umsonst wird über die Frage der Entgeltreform schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Bislang haben die Kritiker den von Teilen der ver.di-Spitze propagierten Systemwechsel verhindert, von dem sie massive Nachteile befürchten (jW berichtete). Würde dieser nun über den Umweg Real durchgesetzt, wäre das auch ein Schlag gegen die innergewerkschaftliche Demokratie.

Quelle

https://www.jungewelt.de/2016/06-14/039.php
Gegen System und Kapital!


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dagobert

Zitat von: Rappelkistenrebell am 19:53:54 Mo. 13.Juni 2016
Es besteht die Gefahr, dass in dieser und in anderen Fragen durch eine Vereinbarung bei Real Fakten geschaffen werden, die dann durch die Hintertür für die gesamte Branche zur Geltung kommen. Denn andere Konzerne werden es sich nicht nehmen lassen, Verschlechterungen für die Beschäftigten der Metro-Tochter im Namen der Wettbewerbsfähigkeit auch bei ihren Belegschaften durchzusetzen verlangen.
Das wird so kommen, und auf Verdi sollte sich da keiner verlassen.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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