Ausschlussfristen bei Arbeitsverträgen

Begonnen von dagobert, 14:56:05 Mo. 30.November 2015

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dagobert

Zitat
Zankapfel Ausschlussfristen – Welche ist wirksam bei einem Widerspruch zwischen arbeitsvertraglicher Regelung und abweichender tariflicher Regelung?

In einigen Fällen sieht der Arbeitsvertrag eine Ausschlussfrist vor, die von der Ausschlussfrist des in Bezug genommenen Tarifvertrages abweicht.
Die Parteien streiten dann oftmals über Vergütungsansprüche und den Ausschluss der Ansprüche aufgrund der Anwendung einer entweder tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist. In einigen Fällen widersprechen sich aber diese beiden Fristen.

So sah in einem vom LAG Hamm entschiedenen Fall der Arbeitsvertrag folgende Regelung vor:" ... Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen, andernfalls verfallen sie. Bei Ablehnung durch den Arbeitgeber sind sie binnen zwei weiterer Monate gerichtlich geltend zu machen, sonst verfallen sie. ...".

Die Ausschlussfrist des Tarifvertrages sah eine abweichende Frist vor. Hier ist folgende Regelung zu finden: ,,Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.." (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen die iGE e.V.).

Nachdem die Parteien durch Teilvergleich weitergehender Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Zeugnis erledigt hatten, stritten sie weiter über die Vergütung und die den Verfall aufgrund der Ausschlussfristen. Das LAG Hamm kommt zu dem Ergebnis, dass die arbeitsvertraglich geregelte Ausschlussfrist anzuwenden ist (Leitsatz): "Eine im Arbeitsvertrag eigenständig geregelte Ausschlussfrist muss auch dann die Drei-Monats-Frist wahren, wenn der gleichzeitig pauschal in Bezug genommene Tarifvertrag eine kürzere Ausschlussfrist als die arbeitsvertraglich geregelte Ausschlussfrist vorsieht (LAG Hamm, Az.: 10 SA 670/13)."

Das LAG Hamm stützt seine Auffassung im Wesentlichen auf die Unklarheitenregelung des § 315c Abs. 2 BGB. Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht ist in dem Fall, in dem zwei Bestimmungen zu zwei vertretbaren Ergebnissen führen können, ohne dass einer von ihnen der klare Vorzug einzuräumen ist, im Zweifel zu Lasten des Verwenders zu entscheiden (BAG 17.4.2013, AZ zehn AZR 281/12).
http://www.dasd-aktuell.de/zankapfel-ausschlussfristen-welche-ist-wirksam-bei-einem-widerspruch-zwischen-arbeitsvertraglicher-regelung-und-abweichender-tariflicher-regelung/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Da deutsches Arbeitsrecht in einem Spanien-Tread nicht wirklich zum Thema passt, setze ich das mal hier mit rein.  ;)

Aus dem CCES24-Thread:
Zitat von: Rudolf Rocker am 15:06:23 Sa. 13.Februar 2016Ich habe absolut keinen blassen Schimmer von spanischen Tarifverträgen aber ich weiß, das es in deutschen Tarifverträgen bzw. Rahmentarifverträgen sogenannte Geltendmachungsfristen gibt.
 Das bedeutet, das innerhalb einer bestimmten Frist, austehende Lohnzahlungen geltend gemacht werden müssen. Also schriftlich beim Arbeitgeber einreichen welche Lohnzahlungen aus welchem Zeitraum und in welcher Höhe austehen.
Diese Fristen sind zum Teil sehr kurz und in meinem Beruf gibt es eine Geltendmachungsfrist von zwei Wochen! Desshalb bin ich da sehr hellhörig geworden!
In diesem Fall sollte der Arbeitsvertrag mal rechtlich geprüft werden, diese zwei Wochen sind definitiv zu wenig.
Zitat5. § 8 des Arbeitsvertrags ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Nach dieser Rechtsnorm sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Regelung benachteiligt den Kläger unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Eine einzelvertragliche Verfallfrist von zwei Monaten ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Erfasst sie alle Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, schränkt sie wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach Auffassung des Senats ist eine Frist für die erstmalige Geltendmachung von weniger als drei Monaten unangemessen kurz.

a) Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist weicht von dem gesetzlichen Verjährungsrecht auch dann ab, wenn sie keine gerichtliche Geltendmachung verlangt (vgl. BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - BAGE 109, 369, 383, zu VI 2 b der Gründe) . Maßgebend ist nicht die Art und Weise der geforderten Geltendmachung, sondern die geregelte Rechtsfolge. Insofern begrenzen sowohl Ausschluss- als auch Verjährungsfristen die Möglichkeit, das Recht durchzusetzen, indem sie ein Tätigwerden des Anspruchsinhabers verlangen. Während der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner eine Einrede und hindert damit die Durchsetzung der rechtlich fortbestehenden Forderung (§ 214 BGB). Damit besitzt die Ausschlussfrist sogar eine stärkere, für den Betroffenen nachteiligere Wirkung. Das Verjährungsrecht ist Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Rechtsfrieden herzustellen. Es bezweckt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Schuldners vor einer drohenden Beweisnot und möglichem Verlust von Regressansprüchen gegen Dritte einerseits und der Notwendigkeit, den Gläubiger vor einem ungerechtfertigten Anspruchsverlust zu bewahren, andererseits. Diese Überlegungen treffen ebenso auf den Regelungsgegenstand der Ausschlussfristen zu. Auch hier soll das im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit anzuerkennende Klarstellungsinteresse des Schuldners in Einklang gebracht werden mit dem berechtigten Anliegen des Vertragspartners, vor einem Tätigwerden die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen zu können und nicht zu voreiliger (förmlicher) Geltendmachung gezwungen zu sein.

b) § 202 BGB lässt eine Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB) im Grundsatz zu. Die Abkürzung ist auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig, muss dann freilich den §§ 305 ff. BGB standhalten. Das gilt gleichfalls für die Vereinbarung von Ausschlussfristen, die kürzer als die gesetzlichen Verjährungsfristen sind. Zu kurz bemessene Fristen enthalten die Gefahr einer nicht zu rechtfertigenden Beschneidung wohl erworbener Ansprüche und stellen deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar. Daran ändert die Geltung der Ausschlussfrist für beide Teile nichts. Die vereinbarte Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305, auch zVv., zu IV 7 b der Gründe) . Zu berücksichtigen ist, dass zunächst eine formlose Geltendmachung sinnvoll sein kann und dem Vertragspartner Zeit für die Erfüllung oder für eine Erklärung einzuräumen ist. Auch kann der Gläubiger Veranlassung haben, sich mit den vom Schuldner mitgeteilten Gründen für das Ausbleiben der Leistung eingehend auseinander zu setzen. Zumindest in schwierigen Fällen wird er in Erwägung ziehen, fachkundigen Rat einzuholen. Schon für den durchschnittlich vorgebildeten Arbeitnehmer ist das richtige Vorgehen vielfach mit Schwierigkeiten verbunden. Es besteht der verständliche Wunsch, rechtskundige Personen mit der förmlichen Geltendmachung zu beauftragen. Zudem kann eine leichtfertige schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen das Arbeitsverhältnis belasten. Aus diesen Gründen muss ausreichend Zeit bleiben, die Chancen und weiteren Konsequenzen der schriftlichen Geltendmachung abzuwägen.

c) Der Vergütungsanspruch stellt ein wesentliches Recht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis dar. Er ergibt sich aus der Natur des Arbeitsvertrags (§ 611 Abs. 1 BGB). Zu den von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützten Rechten gehört auch ihre Verwirklichung. Ohne die ausreichende Möglichkeit einer Durchsetzung des Anspruchs wäre das Recht selbst eingeschränkt und die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB begrenzt deshalb auch Ausschlussklauseln, die zwar nicht die Entstehung von Rechten, aber ihre Verwirklichung einschränken. Zu kurz bemessene Ausschlussfristen für den Vergütungsanspruch beinhalten die Gefahr, dass der für das Vertragsverhältnis wesentliche Leistungsaustausch verfehlt wird. Sie bergen das ab einer bestimmten Grenze von dem Zweck der Ausschlussfrist nicht mehr gedeckte und deshalb nicht hinzunehmende Risiko, die fristgerechte Geltendmachung zu verpassen und den Vergütungsanspruch zu verlieren. Bleibt die Leistung des Arbeitnehmers ohne Gegenleistung, ist der Vertragszweck gefährdet.

d) Bei der Bestimmung der angemessenen Länge der Frist ist zu berücksichtigen, dass in arbeitsrechtlichen Gesetzen bevorzugt verhältnismäßig kurze Fristen zur Geltendmachung von Rechtspositionen vorgesehen werden. So muss der Arbeitnehmer nach § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. Die gleiche Frist ist nach § 17 TzBfG für Befristungskontrollklagen vorgesehen. Der Anspruch auf Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung muss unter Umständen innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden (§ 611a Abs. 4 BGB); nach § 61b Abs. 1 ArbGG bedarf es der Klage innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen der Benachteiligung von schwerbehinderten Bewerbern um ein Beschäftigungsverhältnis muss innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden (§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX). Tarifverträge enthalten vielfach gegenüber den gesetzlichen Verjährungsfristen deutlich kürzere Ausschlussfristen von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten. Solche Fristen wirken sich auf die in der Praxis des Arbeitslebens erwartete Dauer einer Ausschlussfrist aus. Sie sind in ihrer Gesamtheit als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen. Gelten in weiten Bereichen relativ kurze Ausschlussfristen auf normativer Grundlage, kommt dem prägende Bedeutung zu. Nicht entgegensteht, dass baldige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch auf anderen Rechtsgebieten gefordert werden (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305, auch zVv., zu IV 7 c der Gründe) . Unzulässig ist deshalb ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine einmonatige Ausschlussfrist für alle Ansprüche, auch solche aus unerlaubter Handlung, in einem Reisevertrag (3. Juni 2004 - X ZR 28/03 - NJW 2004, 2965) sowie im Übrigen die Verkürzung von Verjährungsfristen auf drei Monate als unangemessene Benachteiligung verworfen (vgl. nur 24. September 1979 - II ZR 38/78 - VersR 1980, 40, 41; 19. Mai 1988 - I ZR 147/86 - BGHZ 104, 292, 294 ff.) , sechsmonatige Verjährungsfristen dagegen für zulässig erachtet hat (vgl. nur 17. November 1980 - II ZR 248/79 - VersR 1981, 229, 230 f.; 4. Mai 1995 - I ZR 90/93 - BGHZ 129, 323, 326) .

Der Fristbeginn zur Geltendmachung wird nach § 8 des Arbeitsvertrags durch die Fälligkeit des Anspruchs ausgelöst. Demgegenüber beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Unterschiede begründen bei angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 1. Halbs. BGB) keine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Üblicherweise verlangen tarifliche Ausschlussfristen iSd. § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG die Geltendmachung nach Fälligkeit. Das entspricht ihrem oben herausgestellten Zweck, rasch Rechtsklarheit zu schaffen. Der Begriff der Fälligkeit wird dabei von den Gerichten für Arbeitssachen unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht ausgelegt (vgl. zuletzt BAG 9. Februar 2005 - 5 AZR 175/04 - EzA BGB 2002 § 818 Nr. 1, zu III 5 c der Gründe mwN) . Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. die Übersicht bei Däubler/Zwanziger TVG § 4 Rn. 1139 f., 1141 ff.) . Das entspricht im Grundsatz der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

e) Eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von weniger als drei Monaten im Rahmen einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist ist unangemessen kurz.

Die Dauer der angemessenen Ausschlussfrist darf sich nicht an der unteren Grenze der genannten Fristen orientieren. Die Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB erfordert eine generelle Betrachtung. Die streitige Ausschlussfrist bezieht ganz unterschiedliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ein und muss ihnen umfassend Rechnung tragen. Etwaige Besonderheiten einer bestimmten Branche oder bestimmter Arbeitsverhältnisse stehen nicht in Rede.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor Geltung der §§ 305 ff. BGB zur Inhaltskontrolle auf Grund der §§ 138, 242 BGB hatte einmonatige, sechswöchige und zweimonatige Fristen zur schriftlichen Geltendmachung noch gebilligt (13. Dezember 2000 - 10 AZR 168/00 - BAGE 96, 371, 377; 15. Oktober 1981 - 2 AZR 548/79 -, zu I 2 der Gründe; 27. Februar 2002 - 9 AZR 543/00 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 = EzA BGB § 138 Nr. 30, zu I 2 b der Gründe) . Sie ist nicht mehr maßgebend. Das Leitbild des gesetzlichen Verjährungsrechts und die Berücksichtigung der üblichen tariflichen Ausschlussfristen führen zu einer deutlich längeren Frist. Die kurze Frist des § 4 KSchG trägt gerade dem Sonderfall der Kündigung Rechnung. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX und § 611a Abs. 4 BGB betreffen bestimmte Entschädigungsansprüche mit beträchtlichem Klarstellungsinteresse des Arbeitgebers. Gleichwohl bestimmt § 611a Abs. 4 Satz 3 BGB mangels anderweitiger Regelung eine sechsmonatige Frist. Nach Auffassung des Senats ist die für die gerichtliche Geltendmachung als angemessen anzusehende Drei-Monats-Frist (vgl. 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305, auch zVv., zu IV 7 d der Gründe) auch für die schriftliche Geltendmachung heranzuziehen. Sie liegt im Bereich des Durchschnitts von üblichen tariflichen Ausschlussfristen und ist bei einer Gesamtbetrachtung als Maßstab geeignet.

f) Auf Grund der unangemessenen Frist ist die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam; denn es gibt keine Ausschlussklausel ohne eine bestimmte Frist.

6. Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und 2 BGB).


a) Eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion in dem Sinne, dass die wegen unangemessener Kürze der vereinbarten Frist unangemessene Ausschlussklausel auf eine gerade noch oder in jedem Falle zulässige Dauer auszudehnen wäre, kommt nicht in Betracht. § 306 BGB sieht eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine teilweise Unwirksamkeit der Regelung liegt nicht vor. Der Zweck der Inhaltskontrolle, den Rechtsverkehr von unwirksamen Klauseln freizuhalten, würde nicht erreicht, blieben unwirksame Klauseln mit verändertem Inhalt aufrechterhalten. Überzogene Klauseln könnten weitgehend ohne Risiko verwendet werden. Erst in einem Prozess würde der Vertragspartner die zutreffende Dauer der Ausschlussfrist zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko einer Unwirksamkeit der Klausel tragen (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305, auch zVv., zu IV 8 a der Gründe mwN) . Anderenfalls liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer.

b) Arbeitsrechtliche Besonderheiten stehen dem nicht entgegen. Langfristig angelegte Formularverträge kommen regelmäßig im gesamten Vertragsrecht vor. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Sie setzt voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und das Unterbleiben der Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet (BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe mwN) . Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel lässt den Regelungsplan der Parteien nicht als vervollständigungsbedürftig erscheinen. Bei Wegfall der Ausschlussfrist greifen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen allein die Verjährungsregeln der §§ 195 ff. BGB ein, die einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich bieten. Besonderheiten bei Altverträgen kommen nicht zum Tragen; denn es handelt sich um einen nach dem 31. Dezember 2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag.

Bundesarbeitsgericht, 28.09.2005, 5 AZR 52/05
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Rudolf Rocker

Das stand nicht im Arbeitsvertrag, sondern im Rahmentarifvertrag! :o
Also noch schlimmer! Hier hatte die Gewerkschaft zusammen mit dem Arbeitgeber tatsächlich eine Regelung geschaffen die unterhalb der gesetzlichen Anforderungen lag.
Steht auch tatsächlich noch so im RTV drinn: 14 tägige Frist bei Beanstandungen  des  ausgezahlten Geldbetrages und Beanstandungen der Lohnabrechnung.
Nur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt die Geltendmachung innerhalb einer dreimonatigen Frist.
Ich hatte das auch schon mal in der Fachgruppe angesprochen und unsere Gewerkschaftssekretärin wollte das an den Bundesvorstand weitergeben.
Scheint entweder nie etwas passiert zu sein oder es ist rechtlich in Ordnung.

dagobert

Zitat von: Rudolf Rocker am 11:42:25 Mo. 15.Februar 2016
Scheint entweder nie etwas passiert zu sein oder es ist rechtlich in Ordnung.
Letzteres halte ich für sehr zweifelhaft.
Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Rudolf Rocker

Ja, leider!
Vermutlich wird da erst was passieren wenn jemand wegen sowas keine Kohle mehr sieht.
Ich schreib da noch mal eine Email direkt an den BuVo. Mal sehen was die dazu sagen.

dagobert

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016, 5 AZR 703/15:
ZitatEine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG*.
[...]
Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat für den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB** entgegensteht.
Pressemitteilung:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2016&nr=18829&pos=1&anz=45&titel=Ausschlussfristen_und_Mindestentgelt

Volltext liegt noch nicht vor, dürfte aber nicht viel anders aussehen als die Vorinstanz:

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 17.09.2015, 6 Sa 1328/14
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=KARE600048245&st=null&showdoccase=1



Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass auch Ansprüche auf den allgemeinen Mindestlohn nach § 3 MiLoG keinen Ausschlussfristen unterliegen. Egal was im Arbeitsvertrag steht.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Wampel

Ich wage die Behauptung, dass in den seit Anfang letzten Jahres neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen zum Thema Ausschlussfristen mehrheitlich unwirksame Klauseln drin stehen.

dagobert

ZitatUnwirksamkeit einer Ausschlussfristenklausel bei Umfassung von Mindestentgelten

Viele Arbeitsverträge sehen den Verfall von Ansprüchen vor, wenn diese nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Der Ausschluss von Entgeltansprüchen, die Gesetzes wegen nicht ausgeschlossen werden dürfen, führt zu einer Unwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung, so das BAG in seiner jüngsten Entscheidung (Urteil v. 24.08.2016, 5 AZR 703/15; bisher nur als Pressemitteilung). Diese Entscheidung dürfte Arbeitgeber dazu veranlassen, ihre Ausschlussfristenregelungen zu überprüfen.
weiterlesen:
https://blog.esche.de/artikel/unwirksamkeit-einer-ausschlussfristenklausel-bei-umfassung-von-mindestentgelten/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Zitat von: dagobert am 19:41:07 So. 28.August 2016
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016, 5 AZR 703/15:
Gibt es jetzt auch im Volltext:
https://dejure.org/2016,25303
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Zitat von: dagobert am 19:41:07 So. 28.August 2016Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass auch Ansprüche auf den allgemeinen Mindestlohn nach § 3 MiLoG keinen Ausschlussfristen unterliegen. Egal was im Arbeitsvertrag steht.
Manchmal mag ich es, wenn ich Recht habe  :):
http://www.chefduzen.de/index.php?topic=329518.0

Neuer Link:
http://forum.chefduzen.de/index.php?topic=329518.0
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936


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