Fritz Teufel R.I.P.

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 11:00:22 Mi. 07.Juli 2010

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ManOfConstantSorrow

ZitatBERLIN taz | Am Dienstag starb Fritz Teufel: Der berühmte 68er wurde gerade mal 67. Solche Sätze hat er selbst produziert und man könnte ganze Seiten mit herrlichen Zitaten Teufels füllen. Er litt an der unheilbaren Nervenkrankheit Parkinson seit er 55 Jahre alt war. Deswegen musste er auch seinen Beruf als Fahrradkurier in Berlin aufgeben. Das Fahrradfahren liebte er schon in seiner Jugend, aber erst als er 1980 aus dem Gefängnis kam, verlegte er sich beruflich und privat darauf.

Der taz sagte Teufel einmal über sein Leben: "Ich wollte, dass es abenteuerlich wird, und das ist es geworden." Und wie: Mitten im Krieg am 17. Juni 1943 im schwäbischen Ludwigsburg geboren, als jüngstes von sechs Geschwistern. Mit 20 Jahren geht er nach Berlin und studiert Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaften. Er lernt Rudi Dutschke kennen, Anfang 1967 gründet er die berühmte "Kommune 1" mit.

Die propagierte zwanglosen Partnertausch, plante Politaktionen, beschäftigte sich mit Psychoanalyse und der mangelnden Aufbereitung des Nationalsozialismus – damals alles ein skandalöses, mindestens aber ein verdächtiges Verhalten. Mit Nickelbrille, langen Haaren und Vollbart wurde Fritz Teufel zum Modell des frechen Polit-Revoluzzers stilisiert, und damit zum Feindbild des deutschen Bürgers.

Seine Aktionen entblößten das Establishment. Teufel nutzte kongenial die Aufgeregtheit der Autoritäten, die er erschüttern wollte. So wurde er mit anderen beim Besuch des US-Vizepräsidenten Hubert Humphrey verhaftet, weil er angeblich gerade bombenwerfend ein Attentat starten wollte. Die Berliner Polizei war blamiert, als sich die Bomben als Mehl- und Puddingtüten herausstellten, das "Pudding-Attentat" war geboren.

Wegen eines angeblichen Steinwurfs während der Demonstration vom 2. Juni 1967 gegen den persischen Schah – der Tag, als Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde – wanderte er zum ersten Mal länger in Untersuchungshaft. Während der Verhandlung lieferte er sich vielbeachtete Rededuelle mit dem Richter, wurde von ihm aufgefordert, sich zu erheben und sprach dabei seinen vielzitierten Satz "Wenn's der Wahrheitsfindung dient". Als er Ende des Jahres aus der Haft entlassen wurde, war er unter den Linken eine Legende.

Nach eigener Aussage war der 2. Juni 1967 einer der wichtigsten Tage seines Lebens: Weil jeder Vorwurf an die Polizei und den Todesschützen abgebügelt wurde, kam es zur politischen Eskalation. Auch Teufel schwenkte in Richtung des militanten Kampfes. 1975 wurde er verhaftet, mit einer Pistole im Hosenbund und einer abgesägten Schrotflinte in einer Plastiktüte.

Er wurde erneut angeklagt und saß fünf Jahre in Untersuchungshaft – bevor er der Staatsanwaltschaft wieder einen der Teufel'schen Tiefschläge versetzte: Angeblich sollte er als führendes Mitglied der terroristischen "Bewegung 2. Juni" an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz mitgewirkt haben.

Fünf Jahre lang liefen die Ermittlungen, wurde Teufel von Presse und Gericht vorverurteilt. Schließlich forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer 15 Jahre Haft. Danach erst legte Teufel sein Alibi vor – er hatte zur fraglichen Zeit in einer Fabrik in Essen unter falschem Namen Klodeckel produziert.

Auf die Frage, warum er damals so lange mit dem Alibi gewartet habe, sagte er in einem Interview von diesem Januar im Tagesspiegel: "Meine Stimme wurde gehört. Ich konnte zeigen, wie das ganze System funktionierte." Und für die anderen Sachen wie Waffenbesitz und Unterstützung des 2. Juni hätte er sowieso fünf Jahre Haft bekommen, schätzte er.

Eine Zeit lang schrieb Fritz Teufel danach Kolumnen für die taz, im Wechsel mit dem Kabarettisten Wolfgang Neuss. In den letzten Jahren lebte er zurückgezogen mit seiner Lebensgefährtin und Freunden im Berliner Stadtteil Wedding.

Er hatte Anteil daran, dass "dieses Land", so Teufel, "wieder in die Gemeinschaft der Nichtverbrecher-Staaten aufgenommen werden konnte". Und gefragt, was er erreichen wollte und erreicht hat: "Ich bin geworden, was ich mir unter einem humoristischen Dichter vorstelle."

Respekt, Herr Teufel.
http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/der-humorist-der-68er-ist-tot/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Aloysius

Ob man ihn nun als Provokateur, Lebemann, oder Pionier des Weg aus der Bürgerlichkeit der verstaubten und zu großen Teilen noch reaktionären Spätsechziger betrachtet - Fritz Teufel hat vielen als Person gezeigt, wie Leben auch sein kann, wenn man bereit ist, Konventionen hinter sich zu lassen.

Ich trauere um einen großen Menschen, mit dessen Aktionen ich nicht immer einverstanden war, aber der mir immer Denkanstöße gab.
Reden wir drüber

Alan Smithee

Ich schließe mich Aloysius an. R.I.P.
...still dreaming of electric sheep...

Kuddel

Das Grab ist aufgewühlt: Unbekannte haben in Berlin die Urne von Fritz Teufel, einem der prominentesten Vertreter der 68er-Bewegung, gestohlen. Die Polizei ermittelt.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-urne-von-fritz-teufel-gestohlen-1.985481

Kuddel

ZitatDer angeklagte Student Fritz Teufel eignete sich schon dank seines Familiennamens zum Bürgerschreck. Dazu noch dunkle Locken, Vollbart und Nickelbrille.
Der Vorsitzende Richter Walter Schwerdtner, 53, befragt Teufel, 24, zu seinem Werdegang:
Zitat"Sie sind vor vier Jahren nach Berlin gekommen, haben Publizistik studiert, was wollen Sie damit anfangen?"
Angeklagter Teufel: "Früher wollte ich mal so eine Art humoristischer Schriftsteller werden."
Richter Schwerdtner: "Und jetzt?"
Teufel: "Dann habe ich mich politisch engagiert - und da verliert man manchmal den Humor."
Schwerdtner: "Sie sind vorbestraft. Was war da?"
Teufel: "Selbstbedienungsladen im Januar, da habe ich was mitgenommen, ohne Bezahlung."
Schwerdtner: "Also Ladendiebstahl. Wie kam das?"
Teufel: "Hängt wohl mit meiner Einstellung zum Eigentum zusammen, dass es nämlich abgeschafft werden müsste."
Als Schwerdtner fragt, warum der Angeklagte das Flugblatt "Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?" hergestellt habe, erklärt Teufel:
Zitat"Es hat uns gereizt, die moralische Empörung der Leute hervorzurufen, die sich niemals entrüsten, wenn sie in ihrer Frühstückszeitung über Vietnam oder andere schlimme Dinge lesen."
Schwerdtner: "Sie demonstrieren also gegen Vietnam?"
Teufel: "Nicht nur Vietnam, wir demonstrieren auch gegen die Saturiertheit und Selbstgefälligkeit..."
Schwerdtner: "Wer ist denn saturiert?"
Teufel: "Die überwiegende Mehrheit unserer Mitbürger ist doch ganz schön selbstzufrieden."
Schwerdtner: "Noch mal: Wie meinen Sie das mit der Saturiertheit?"
Teufel: "Die Deutschen glauben doch, jetzt haben sie die Demokratie erreicht, sie sind ein richtig gutes Völkchen. Zwar sind mal von ihnen eine Menge Juden vergast worden, dafür werden jetzt mit deutschen Waffen Araber umgebracht, das ist auch eine Art Wiedergutmachung. - Es ist doch so: Je mehr von den Schwarzen oder Gelben da unten verrecken, desto besser für uns."
Schwerdtner: "Das meinen Sie aber doch nicht ernst." (Gelächter im Saal)
Teufel: "Doch - doch!"
http://www.spiegel.de/einestages/berlin-1967-fritz-teufel-und-karl-heinz-kurras-vor-gericht-in-moabit-a-1198959.html

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