Applaus für den Richter und Solidarität von Kollegen: AfD & Betriebsrat

Begonnen von vinci, 18:44:30 Mi. 29.Juni 2016

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vinci

Aus Junge <Welt vom 29.6. http://www.jungewelt.de/2016/06-29/021.php
Zitat
So einfach, wie es sich die Geschäftsführerin des Metallbetriebs Dematic, Barbara Wladarz, vorgestellt hatte, ist es nicht: Sie dachte, es sei kein Problem, eine Betriebsrätin abzumahnen, weil sie während einer Betriebsversammlung Arbeiterfeindlichkeit und Rassismus der Alternative für Deutschland (AfD) angeprangert hatte. Die Betroffene, Jennifer Weißenbrunner, hatte daraufhin beschlossen, im Rahmen eines Beschlussverfahrens zu klagen. Die Gewerkschaft solidarisierte sich: »Eine solche Maßregelung von Gewerkschaftern, die sich zum Rechtspopulismus äußern, können wir auf keinen Fall widerspruchslos hinnehmen!« So heißt es im Schreiben der 1. Bevollmächtigten der IG Metall Offenbach, Marita Weber. Dies widerspreche dem Satzungsauftrag sowie Gewerkschaftsbeschlüssen. Sie forderte ihre Kollegen auf, die junge Betriebsrätin durch ihre Anwesenheit bei der Verhandlung zu unterstützen.
n der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Offenbach machte am Montag auch Richter André Jansen Zweifel geltend, ob das von der Geschäftsführung abgemahnte Verhalten genügt, die Beschäftigtenvertreterin zu bezichtigen, den Betriebsfrieden beeinträchtigt zu haben. Zwar sei jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen, um den Arbeitsablauf nicht zu stören. Doch habe Weißenbrunner ihre Rede, »in der sie die Partei in den nationalsozialistischen Kontext stellte«, in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat gehalten, konstatierte der Richter.

Wie groß die Solidarität mit der Betriebsrätin ist zeigte die große Zuschauerresonanz. Rund 70 Prozessbeobachter, darunter IG-Metall-Mitglieder sowie Teilnehmer des Bündnisses gegen den Pegida-Ableger »Fragida«, drängelten sich im überfüllten Gerichtssaal. Der Richter bedauerte, keinen größeren bieten zu können, tolerierte aber, dass die Tür offen blieb und viele vom Gerichtsflur zur Tür hineinlugten. Applaus für seine richterliche Wertung befand er hingegen als »nicht gerichtsüblich«.

Letztlich drehe sich der Streit um die Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes, erklärte er. Fraglich sei, ob es hier einzig darum gegangen sei, »zu sagen, ob eine Partei gut oder nicht gut ist«, also um »Wahlwerbung« – »wenn auch im negativen Sinn«. Denn so hatte Markus Pfeiffenberger, Anwalt der Betriebsrätin, eingewendet: Nach Paragraph 80 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) stehe dem Betriebsrat auch folgende Aufgabe zu: sich der Integration migrantischer Arbeiter im Betrieb zu widmen und Rassismus zu bekämpfen. Im Verfahren zu klären war also: Wieviel Meinungsfreiheit ist in einer Betriebsversammlung möglich – auch um sich gegen zunehmende Rechtsentwicklung positionieren zu können?

Die Güteverhandlung mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu finden, ist am Montag gescheitert. Die anwaltliche Vertreterin des Unternehmerverbands Hessenmetall und der Dematic-Geschäftsführerin Wladarz bestand darauf, die Abmahnung nur aus der Akte zu entfernen, falls die Betriebsrätin einsehe, einen Verstoß gegen das BetrVG begangen zu haben. Deren Anwalt Pfeiffenberger hingegen erklärte, genau den Anschein vermeiden zu wollen, dass seine Mandantin mit ihrer Rede Verbotenes getan habe.

Im Anschluss an das Verfahren gab es auf dem Gerichtsflur Sympathiebekundungen: »Wer so mutig und entschlossen seinen Standpunkt vertritt wie die Kollegin Weißenbrunner, hat unsere Solidarität verdient!« so die Sprecherin von »No Fragida«, Annette Ludwig. »So eine Abmahnung geht gar nicht«, meinte der Dematic-Betriebsratsvorsitzende Martin Fahrendorf. Sie sei ein Schuss vor den Bug des Betriebsrates. Schließlich könne die Geschäftsleitung nicht eine Vertreterin »hinhängen« für eine Sache, die das ganze Gremium vertrete. Nach dem gescheiterten Gütetermin beginnt die Verhandlung am 15. September vor dem Arbeitsgericht Offenbach.


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