LSG NSB zum Anordnungsgrund zur Gewährung von Unterkunftskosten im Eilverfahren

Begonnen von dagobert, 01:48:45 Di. 06.Dezember 2016

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

dagobert

Zitat1. 5 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. November 2016 - L 9 AS 941/16 B ER

Zum Anordnungsgrund zur Gewährung von Unterkunftskosten im Eilverfahren

Leitsatz ( Redakteur )

1. Wird in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Gewährung höherer Leistungen für die Unterkunft begehrt, ist hinsichtlich des Anordnungsgrundes auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen. Der Senat ist mit Blick auf den im Lichte von Art. 19 Abs. 4, Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 GG zu bestimmenden Sinn und Zweck des sozialgerichtlichen Eilverfahrens (...) der Auffassung, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Fällen wie dem vorliegenden unabhängig vom Vorliegen eines konkret drohenden Verlusts der Wohnung zu prüfen ist.

"Der Bedarf für KdU eines zur Miete wohnenden Hilfebedürftigen entsteht mit dem Tag der Fälligkeit der Mietzinsforderung. Eine (auch teilweise) Ablehnung von Leistungen für KdU führt damit bei Vorliegen der allgemeinen (§§ 7 ff. SGB II) und besonderen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Leistungsvoraussetzungen unmittelbar zu einer Unterdeckung des grundrechtlich geschützten Existenzminimums. Nimmt ein Betroffener in diesem Zusammenhang Rechtsschutz in Anspruch, folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des angerufenen Gerichts, glaubhaft gemachte Rechtsbeeinträchtigungen (Anordnungsanspruch) abzustellen bzw soweit zu minimieren, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung im Einzelfall zuzumuten ist."

"Das Abwarten bspw einer Kündigung durch den Vermieter hat ein Leistungsempfänger aber ebenso wenig in der Hand wie den Erfolg des dann in Anspruch zu nehmenden Rechtsschutzes gegen die Kündigung. Zudem erscheint es wenig überzeugend, von einem Leistungsempfänger ein vertragswidriges Verhalten zu verlangen, weil das zuständige Jobcenter (rechtswidrig) Leistungen nicht gewährt. Es käme auch niemand auf den Gedanken, die Regelleistung im Eilverfahren nicht zuzusprechen, weil der Leistungsempfänger zunächst noch die Leistungen für die KdU zur Deckung des Regelbedarfs einsetzen könnte, bis der Verlust der Wohnung droht. Die weiteren Nachteile, die bei Auflaufen von Mietrückständen auftreten (Kosten des Mietrechtsstreits, Eintrag bei der Schufa, Zerrüttung des Verhältnisses zum Vermieter), bedürfen daher keiner gesonderten Würdigung."

"Der Senat ist deshalb mit Blick auf den im Lichte von Art. 19 Abs. 4, Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 GG zu bestimmenden Sinn und Zweck des sozialgerichtlichen Eilverfahrens (...) der Auffassung, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Fällen wie dem vorliegenden unabhängig vom Vorliegen eines konkret drohenden Verlusts der Wohnung zu prüfen ist."

Quelle: Herbert Masslau:
http://www.herbertmasslau.de/mediapool/5/50745/data/LSG_Celle_-_L_9_AS_941_16_B_ER.pdf
http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2107/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Zitat1. LSG NSB: Ein Anordnungsgrund ist nicht erst gegeben, wenn das Mietverhältnis durch Mahnung, Kündigung oder Räumungsklage bedroht ist

--------------------------------------------------------------------------------

Eine Reihe von Sozialgerichten sehen bei Mietrückständen erst dann einen Anordnungsgrund (Grund zur Eilentscheidung) gegeben, wenn vermieterseitig eine fristlose Kündigung oder sogar Räumungsklage eingelegt wurde. Das LSG Niedersachsen Bremen bekräftigt mit dem Beschluss klar, dass ein Anordnungsgrund nicht erst gegeben ist, wenn das Mietverhältnis durch Mahnungen oder Räumungsklage bedroht ist, sondern schon dann, wenn die finanzielle Lücke durch weiteres Einkommen/Vermögen nicht gedeckt ist.

Damit bezieht der 11. Senat vom LSG NB eine klare, richtige und notwendige Position, weshalb ich auf den Beschluss  gesondert und speziell hinweisen möchte: 
http://www.harald-thome.de/media/files/LSG-NSB-v.-19.12.2016.pdf
Quelle: Thome-Newsletter vom 18.02.17
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

  • Chefduzen Spendenbutton