Leihsklaven für Klage auf equal pay gesucht

Begonnen von Fritz Linow, 23:21:28 Di. 16.Mai 2017

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tleary

Ob dieser "equal-pay"-Grundsatz jemals über ein hiesiges Arbeitsgericht durchsetzbar ist, wage ich zu bezweifeln. Im "Ernstfall" - falls doch ein Urteil zugunsten der Leiharbeiter gefällt werden sollte - spielt die Leiharbeitsmafia einfach mit ihren Muskeln, und setzt ihren Lobbyapparat in Berlin in Gang. Dort wird dann ein neuer Gesetzesentwurf natürlich unter tatkräftiger Mitwirkung der Leiharbeitslobby geschrieben - und alles ist wieder gut. Aber okay, versuchen kann man's ja, obwohl der politische Kampf dagegen wichtiger (und auch aussichtsreicher) wäre. Aber die SPD, die ja diese Diskriminierung von Teilen der Arbeiterschaft hauptsächlich durchgesetzt hat, zögert ja selbst heute noch keinen Moment die Richtigkeit ihrer Entscheidungen zu Hartz-IV und der "Liberalisierung" des Arbeitsmarktes zu betonen. Die Quittung bekommt sie schon seit einiger Zeit in Form niederschmetternder Wahlergebnisse, aber das scheint die Parteiführung (und auch 2/3 der Basis) nicht mehr wirklich zu jucken. Dran glauben in Form eines Mandatsverlustes müssen im Bundestag sowieso nur die "Hinterbänkler", und nicht die Führung.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

dagobert

Zitat von: dagobert am 16:25:04 Do. 15.Februar 2018
ZitatLeiharbeitnehmer scheitert mit Klage auf Equal Pay
[...]
Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 14.02.2018, Az. 7 Ca 246/17
Berufung ist eingelegt.
http://www.labournet.de/newsletter-montag-19-maerz-2018/#Die_Berufung_im_Gieener_Fall_ist_eingelegt
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

ManOfConstantSorrow

ZitatSupermarkt-Kassiererin kämpft für gleichen Lohn

Leiharbeiterinnen müssen spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn bekommen wie ihre angestellten Kolleginnen. Doch statt gleicher Bezahlung bekam eine Supermarkt-Kassiererin die Kündigung. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach erklärte diese für rechtswidrig.


Die 51-jährige Heike Orzol begann im Oktober 2013 in Grevenbroich als Kassiererin für die Supermarktkette "Real" zu arbeiten. Und zwar als Leiharbeiterin, ihr eigentlicher Arbeitgeber war die Zeitarbeitsfirma Mumme.

Heike Orzol erzählt, dass sie mit zuletzt knapp zehn Euro pro Stunde rund ein Drittel weniger Geld bekam als die festangestellten Beschäftigten. Mit der Arbeit war sie zufrieden, die Supermarktkette Real wohl ebenso – bis zum 31. Dezember 2017 arbeitete die Kassiererin dort. Dann erfolgte die Kündigung über die Zeitarbeitsfirma.

"Das versteh ich gar nicht, wenn ich heute noch in den Laden reingehe, ist das Erste, was sie sagen: Na, mein Schatz, was machst du denn? Da frag ich mich jetzt mal, warum will man mich da nicht?"

Die Leiharbeitsfirma kündigte vor Beginn der Equal-Pay-Frist, plante für die Kassiererin eine dreimonatige Pause - und wollte sie dann wieder zum niedrigeren Lohn einstellen. Heike Orzol erzählt, dass andere Beschäftigte in ihrer Zeitarbeitsfirma auch gekündigt worden seien. Den Mitbetroffenen habe sie erzählt, dass sie gegen die Kündigung klagen wolle:

"Ich hab auch viele andere Leute gefragt, die auch bei der Zeitarbeitsfirma waren, hab gesagt, Leute, wollt ihr nicht mitgehen? Der eine, dem war das dann zu viel Geld. Der andere, ich hab eh keine Lust mehr gehabt. Und wo ich dann gesagt hab: Mein Gott Leute, ihr könnt euch doch das alles so nicht gefallen lassen. Kein Mensch hatte den Mumm, von 15 Mitarbeitern bin ich die Einzige gewesen, die den Mumm hatte."

Gericht erklärt Kündigung für rechtswidrig


Die Kassiererin gewann ihren Prozess. Die Erste Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach erklärte jetzt die Kündigung für rechtswidrig: Die Kündigung einer Leiharbeitnehmerin sei nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der dauerhafte Einsatz beim Kunden auf dessen Wunsch für drei Monate und einen Tag unterbrochen wird, obwohl ein Beschäftigungsbedarf durchgehend bestehe.

Zudem missbilligte das Gericht, dass die Lohngleichstellung durch die Kündigung ausgehebelt wird. Der Anwalt von Heike Orzol, Daniel Labrow, sieht in dem Urteil einen Präzedenzfall:

"Diese Sache ist grundsätzlich legal, weil der Gesetzgeber diese Regelung ja etabliert hat. Wenn ein Leiharbeitnehmer oder eine Leiharbeitnehmerin länger als drei Monate in einem anderen Betrieb eingesetzt worden ist, ja, dann kann diese Person wieder bei dem bisherigen Betrieb eingesetzt werden zu dem bisherigen Gehalt, dadurch würde man halt Equal Pay vermeiden. Und das ist letztendlich gewissermaßen eine Fehlgeburt der Großen Koalition. Man hat diese Regelung sicherlich als Kompromiss etabliert. Besser wäre es natürlich gewesen Equal Pay ab dem ersten Tag einzuführen."

Nutzen Unternehmen nun verstärkt die Umgehung des Equal Pay durch Kündigung? Der Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Däubler kennt konkret vier Fälle. Alle betreffen die Supermarktkette Real. Däubler glaubt aber, es gäbe viel mehr. Auf Nachfrage von Deutschlandfunk Kultur schreibt er:

"Da Leiharbeiter nur selten Klage erheben und sich vor Gericht wehren, gehe ich davon aus, dass das nur die Spitze des Eisberges ist. Bei einfachen Tätigkeiten ohne viel Aufwand fürs Anlernen neuer Arbeitskräfte ist es für den Arbeitgeber verführerisch, nach neun Monaten die Personen auszutauschen, um so Lohnkosten zu sparen."

Der Südwest-Rundfunk berichtete über Kündigungen für langjährig Beschäftigte bei Real in Tübingen. Vor Gericht argumentiert die Zeitarbeitsfirma:

"Für den Entleiher fallen bei der Gleichstellung für die Überlassung von Arbeitnehmern deutlich höhere Kosten an. Diese Kosten sind für Real aufgrund der Wettbewerbssituation und der niedrigen Margen in der Lebensmittelbranche nicht tragbar."

Prekär Beschäftigte nicht gut organisiert


Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes noch keine Kenntnis von massenhaften Kündigungen, um Equal Pay zu umgehen. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht. Aber möglich seien solche Entlassungen, sagt Professor Jens Schubert, Leiter der Abteilung Recht und Rechtspolitik bei Verdi:

"Das Problem ist, dass wir in diesem Felde Kolleginnen und Kollegen haben, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die prekär beschäftigt sind. Und deshalb regelmäßig nicht organisiert sind. Wir versuchen da sehr viel, um an die Kolleginnen und Kollegen heranzutreten, aber dadurch, dass wenige organisiert sind, sind es auch wenige Fälle, die bei uns im Rahmen des Rechtschutzes ankommen."

Laut Bundesagentur für Arbeit enden knapp die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse vor der Neun-Monatsfrist – aus den unterschiedlichsten Gründen. Dazu kommt die spezielle Situation, dass der Gesetzgeber eigentlich die gleiche Bezahlung vom ersten Tag an will, aber gleichzeitig eine Umgehung dieser Regelung durch Tarifverträge erlaubt.

"Das Equal-Pay-Thema wird mit den Verleihern geregelt, und da gibt es mit den Arbeitgeberverbänden im Bereich der Leiharbeit/Zeitarbeit Vereinbarungen, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen werden. Also, Verdi ist da nicht Alleingänger."

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert gleiche Bezahlung vom ersten Tag an. Diese Position teilen aber nicht alle Gewerkschaften. Und der DGB hat als Tarifgemeinschaft für seine Einzelgewerkschaften mit dem Bundesarbeitsverband der Personaldienstleister Tarifverträge abgeschlossen. Die ermöglichen, dass Leiharbeiterinnen die ersten neun Monate kein gleiches Gehalt bekommen.

Dazu kommt, dass der Gesetzgeber mit der Option einer dreimonatigen Pause am Leiharbeitsplatz die gleiche Bezahlung ebenfalls verhindert – wie bei Heike Orzol. So kann gleicher Lohn dauerhaft vermieden werden. Der Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler spricht von "hinterhältigen Tricks" und sagt: Der Fehler liege im Gesetz.

Im Fall von Heike Orzol hat das Gericht diese Tricks nicht gelten lassen. Jetzt hofft die Kassiererin, bald wieder arbeiten zu können.

"Ich würde gerne wieder bei Real arbeiten gehen, wenn's sein muss auch über eine Zeitarbeitsfirma. Das ist mir auch egal. Wie hab ich das gesagt immer? Das ist für mich wie eine Familie gewesen, das war so ein Ausgleich, ne."
http://www.deutschlandfunkkultur.de/leiharbeit-supermarkt-kassiererin-kaempft-fuer-gleichen-lohn.976.de.html?dram:article_id=415164
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

dagobert

Zitat von: dagobert am 16:25:04 Do. 15.Februar 2018
ZitatLeiharbeitnehmer scheitert mit Klage auf Equal Pay

[...]
Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 14.02.2018, Az. 7 Ca 246/17
Jetzt auch im Volltext:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8035619
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Hätte doch besser jemand geklagt, der mindestens 9 Monate
betriebsangehörig ist.. :P

Lass Dich nicht verhartzen !

tleary

Und kann der Kläger jetzt vor den EU-Gerichtshof ziehen, und auf "Equal pay" dort klagen? - Oder geht das nicht, weil die Revision vorm deutschen Gericht für nicht zulässig erklärt wurde.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Onkel Tom

Der EU-Gerichtshof braucht locker 10 Jahe bis zum Entscheid und
bei diesem Kläger ist das Risiko einfach zu hoch..
Lass Dich nicht verhartzen !

tleary

Jaja, dutzende Leiharbeiter meldeten sich nach der Sendung empört als Freiwillige. Dann ließen sie etwas Dampf via eMails über ihre beschissene Existenz ab. Danach war dann für viele schon wieder alles gut. Und dann ging's weiter, wie die Geschichte von den "10 kleinen Negerlein".... am Schluß blieben dann nur noch 2 oder 3 übrig, die entschlossen waren zu klagen. Und schließlich blieb nur noch 1  übrig, bei dem sich im nachhinein rausstellte, daß seine Beschäftigungsdauer nicht ausreichend war.
Naja, vielleicht wird nächstes Jahr diese Ausgabe der "Anstalt" noch einmal bei ZDF-Neo wiederholt, und alles kann von vorne beginnen mit der Klage. *Ironie* - Insgesamt ein deprimierendes Ergebnis, zumal die Zahl der Leiharbeiter schon längst die Millionengrenze überschritten hat.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Fritz Linow

@treary:
ZitatJaja, dutzende Leiharbeiter meldeten sich nach der Sendung empört als Freiwillige. Dann ließen sie etwas Dampf via eMails über ihre beschissene Existenz ab. Danach war dann für viele schon wieder alles gut. Und dann ging's weiter, wie die Geschichte von den "10 kleinen Negerlein".... am Schluß blieben dann nur noch 2 oder 3 übrig, die entschlossen waren zu klagen. Und schließlich blieb nur noch 1  übrig, bei dem sich im nachhinein rausstellte, daß seine Beschäftigungsdauer nicht ausreichend war.

Die Klage in Gießen läuft weiter und nächste Woche gibt es eine neue in Augsburg oder so. Dass sich so wenige gegen Leiharbeit wehren, ist das gewollte Produkt der Leiharbeit selber. Wenn sich so wenige bereit erklären ernsthaft zu klagen, ist es das Ergebnis einer erfolgreichen Agenda 2010. Den Betroffenen sollte man da keinen Vorwurf machen. Eigentlich besteht für jeden und für jede die prima Gelegenheit, ein Leiharbeitsverhältnis einzugehen und dann entsprechend zu klagen und das auch konsequent durchzuziehen. Es wird ein Klageweg und auch Unterstützung angeboten. Warauf also warten? Nur auf das Urteil?

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 22:39:12 Mi. 11.April 2018Hätte doch besser jemand geklagt, der mindestens 9 Monate betriebsangehörig ist.. :P
Warum?
Die Klage hat nichts mit den AÜG-Neuregelungen zu tun, sondern richtet sich gegen die miesen ZAF-Tarifverträge allgemein.
Ich wünsche dem Kläger
1. die Nerven das durchzuziehen.
2. dass er damit letztendlich auch Erfolg hat.
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Thomas Mann, 1936

tleary

Ein zweiter Punkt wo man ansetzen könnte, wäre ja den DGB davon zu "überzeugen", daß er die ZAF-Rahmentarifverträge nicht verlängert. Dann müssten die Leihklitschen erst wieder eine Gewerkschaft finden, die "tariffähig" ist.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

dagobert

Versuch es.
Ich wünsch dir viel Glück dabei.
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Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Ah ok.. Ich habe die betreffene Gerichtsentscheidung so verstanden, das
der Erfolg anhand von "nur 9 Monate" Betriebszugehörigkeit scheitert..

Han ich da was im falschen Hals bekommen ?  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

tleary

Zitat von: tleary am 16:35:51 Do. 03.Mai 2018
Ein zweiter Punkt wo man ansetzen könnte, wäre ja den DGB davon zu "überzeugen", daß er die ZAF-Rahmentarifverträge nicht verlängert. Dann müssten die Leihklitschen erst wieder eine Gewerkschaft finden, die "tariffähig" ist.
Zitat von: dagobert am 18:19:14 Do. 03.Mai 2018
Versuch es.
Ich wünsch dir viel Glück dabei.
So viel Glück kann ein Mensch gar nicht haben, wie es dafür bräuchte. :)
Edit:
Da fällt mir gerade ein, daß ich das bereits gemacht habe. Und zwar vor 3 Jahren, als ich nach fast 30 Jahren meine Mitgliedschaft bei ver.di kündigte. Im Kündigungsbrief schrieb ich als Begründung, daß sich der DGB bei der Aushebelung des "equal pay"-Grundsatzes besonders schändlich hervorgetan hat und die Arbeitnehmer verriet. Die Antwort darauf war sinngemäß: "Wir bestätigen die Kündigung Ihrer Mitgliedschaft. Wir weisen sie jedoch darauf hin, daß die Kündigungsfrist 3 Monate beträgt. Die Beitragszahlung endet also erst zum xx.xx.20xx."
Scheißverein! - Ich wollte dann damals die Lastschriften zurückgehen lassen, hab's aber trotzdem nicht getan. Waren eh nur 6 €uro Monatsbeitrag.

Zitat von: Fritz Linow am 00:10:31 Do. 03.Mai 2018
Die Klage in Gießen läuft weiter und nächste Woche gibt es eine neue in Augsburg oder so.
Ich habe das Urteil so gelesen, daß keine Revision zugelassen ist. - Bin allerdings beim Gesetzestext interpretieren nicht gerade der Beste.

Zitat von: Fritz Linow am 00:10:31 Do. 03.Mai 2018
Wenn sich so wenige bereit erklären ernsthaft zu klagen, ist es das Ergebnis einer erfolgreichen Agenda 2010. Den Betroffenen sollte man da keinen Vorwurf machen. Eigentlich besteht für jeden und für jede die prima Gelegenheit, ein Leiharbeitsverhältnis einzugehen und dann entsprechend zu klagen und das auch konsequent durchzuziehen.
Ob jemand so masochistisch veranlagt ist, und bei einer Leiharbeitsfirma freiwillig anheuert, nur um denen dann über ein langwieriges und im Ausgang ungewisses Gerichtsverfahren eins auszuwischen? - Das Problem ist ja auch, daß man aus der Leiharbeit (weil man so "billig" und profitabel für die LAF ist) auch nur schwer wieder rauskommt. Die Arbeitsagentur winkt ja immer gerne mit Sperren/Sanktionen, wenn man von sich aus kündigt.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

tleary

Zitat von: Fritz Linow am 00:10:31 Do. 03.Mai 2018
Die Klage in Gießen läuft weiter und nächste Woche gibt es eine neue in Augsburg oder so.

Jetzt stellt sich mir aber doch die Frage, ob eine Berufung überhaupt möglich ist. Denn laut dem Auszug unten aus dem Urteil ist es doch nicht möglich, oder?

Zitat
Die Berufung ist nicht gesondert zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonstige Zulassungsgründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG nicht gegeben sind.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Regensburg

Ich meine, wenn keine Berufung zulässig ist, ist das Rechtsweg in Deutschland ausgeschöpft und damit das Weg zum EU Gericht offen ist

Onkel Tom

Meine damalige Klage bezüglich "Sozialdatenschutz" wurde die Revision
auch nicht zugelassen, was für mich das deprimierenste war.

Es stand nur noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen, wo ich
jedoch zwichen 30 und 50 Tausend Euro hätte vorfinanzieren müssen.
Paralel noch der Weg, zum EU-Gerichtshof..
Den finanziellen Atem hatte ich erst Recht nicht. Problematisch ist ja, wie
können Anwaltskosten "vorgestreckt" werden..

Stellt Euch vor, jeder Präkarisierte würde "nur" 1 Euro in die "Kampfkasse"
der IGL "(be)fördern".. Dann käme genug zusammen, "effizient" was zu
wuppen..
"Spenden" darf mann ja leider nicht, da es mit dem Spendengesetz kollidieren
würde.
Das Problem hatten wir bei der traditionellen Montagsdemo in HH und konnten
dann nur noch "Fördergeld" statt "Spenden" sammeln  ;)

Der Verwendungszwek "Spende" besser mit "Förderbeitrag" ersetzen  ;D
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 21:04:45 Do. 03.Mai 2018Ah ok.. Ich habe die betreffene Gerichtsentscheidung so verstanden, das
der Erfolg anhand von "nur 9 Monate" Betriebszugehörigkeit scheitert..

Han ich da was im falschen Hals bekommen ?  ;)
Entweder du - oder ich.  ;)
Sehr viel Auswahl bzgl. des Klägers haben wir aber leider nicht.

Zitat von: tleary am 04:20:03 Mo. 07.Mai 2018
Jetzt stellt sich mir aber doch die Frage, ob eine Berufung überhaupt möglich ist. Denn laut dem Auszug unten aus dem Urteil ist es doch nicht möglich, oder?
ZitatDie Berufung ist nicht gesondert zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonstige Zulassungsgründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG nicht gegeben sind.
Jetzt verständlicher?

Ergänzend:
Zitat- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.035,31 Euro festgesetzt.
- Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt davon unberührt.
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8035619
Dazu § 64 ArbGG:
Zitat(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
a) wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,

Laut #61 hier im Thread ist das aber sowieso ein alter Hut  ;D:
Zitat von: dagobert am 13:57:14 Mi. 21.März 2018Berufung ist eingelegt.
http://www.labournet.de/newsletter-montag-19-maerz-2018/#Die_Berufung_im_Gieener_Fall_ist_eingelegt
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Ah, ok.. Bliebe nur noch das Bundesverfassungsgericht und der EU-Gerichtshof
über, so wie es bei meinem "Sozialdatenschutzprozess" der Fall war.
Mein Bestreben wurde ähnlich abgewürgt.

Mein Anwalt schlug das Bundesverfassungsgericht vor, da eine EU-Klage locker
10 Jahre dauern kann.

Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

ZitatBerufungsverfahren gg. Randstad zum Urteil in Gießen: Termin am LAG Frankfurt am 16.1.2019 seitens des Gerichts abgesagt / Berufungsverfahren gg. Time Partner Personalmanagement zum Urteil in Würzburg: Termin am LAG Nürnberg am 7.3.2019
http://www.labournet.de/politik/alltag/leiharbeit/arbed_leiharbeit/die-anstalt-prof-wolfgang-daeubler-und-labournet-germany-gesucht-leiharbeiterinnen-fuer-eine-klage-vor-dem-eugh-fuer-gleichen-lohn-und-gleiche-bedingungen-auch-in-deutschland/
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Thomas Mann, 1936

dejavu

Zu
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8035619
So wie ich das sehe, findet das Gericht das nationale Recht nicht verletzt.
ZitatDurch § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 AÜG hat der deutsche Gesetzgeber nach Maßgabe der in Deutschland geltenden Bedingungen den Sozialpartnern, nämlich den Tarifvertragsparteien, die Möglichkeit eingeräumt, Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die vom Gleichstellungsgrundsatz abweichende Regelungen in Bezug auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, konkret bezogen auf das Arbeitsentgelt, enthalten können. Dabei hat er ihnen auch in ausreichender Weise die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern aufgegeben.
Wie gesagt, das Gericht meint: geht so, und zwar das "Gesamtkunstwerk" mit Neunmonatsreglung und der relativ freien Hand für die Tarifpartner sauschlechte Löhne(mindestens in diesem Falle) für die AN auszuhandeln (Richtigkeitsvorbehalt).
Hätte man einen Kläger mit Beschäftigungsdauer > 9 Monate gehabt, hätte das Gericht auch nicht viel anders geurteilt. Eventuell etwas günstigere Bedingungen bei Beschäftigungsdauer > 9 M hätte das Gericht kaum kritischer gesehen als die bei Beschäftigung < 9 neun M geltenden.

Im übrigen gelte:

ZitatÜber den eindeutigen Wortlaut und unzweifelhaften Willen des nationalen Gesetzgebers darf sich ein Gericht im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung nicht hinwegsetzen. Diese findet ihre Grenze im Verbot der Auslegung des nationalen Rechts contra legem (Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2015, § 1 Rn 151 m.w.N.). Unmittelbar findet die Richtlinie 2004/108/EG auf die vorliegend gegebenen Rechtsbeziehungen zwischen Privaten keine Anwendung.

Soweit nach flüchtiger Durchsicht, ich mag mich irren.
Leiharbeit und Werkvertragsmißbrauch verbieten! Weg mit dem Dreck!

dejavu

Hätte heißen müssen: Richtigkeitsvermutung, oder auch Richtigkeitsgewähr.
Leiharbeit und Werkvertragsmißbrauch verbieten! Weg mit dem Dreck!

tleary

Und was bedeutet das jetzt alles für den weiteren Klageweg? - Ist die Sache hiermit schon beendet?
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

dejavu

ZitatUnd was bedeutet das jetzt alles für den weiteren Klageweg? - Ist die Sache hiermit schon beendet?
Nö, meiner Ansicht nach nicht.
Hier noch ein in meinen Augen bemerkenswerter Auszug aus dem Urteil:
ZitatMehr als ein Appell an die Tarifvertragsparteien, besonders im Blick zu haben, dass sie nicht mehr als unbedingt notwendig vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen sollen, um dem Schutzgedanken des Gesetzes gerecht zu werden, kann in diesen allgemein gehaltenen erläuternden Ausführungen des Gesetzgebers nicht erblickt werden.
Ob das reicht?
Leiharbeit und Werkvertragsmißbrauch verbieten! Weg mit dem Dreck!

tleary

Zitat
Berufungsverfahren gg. Randstad zum Urteil in Gießen: Termin am LAG Frankfurt am 16.1.2019 seitens des Gerichts abgesagt /
Aus welchem Grund wurde der Termin vom Gericht denn abgesagt?
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

dagobert

ZitatIn einem ersten Fall wurde das Geschriebene aufgegriffen und in einen Schriftsatz integriert. Die Gegenseite – ein großer Verleiher – hielt es nicht für nötig, darauf auch nur mit einem einzigen Wort einzugehen. Das Arbeitsgericht Gießen sah das dann anders, meinte allerdings, mit Rücksicht darauf, dass es eine Lohnuntergrenze für Leiharbeitnehmer gebe und dass nach neun Monaten Equal Pay verbindlich werde, sei der »Gesamtschutz« gewahrt.1 Wir empfinden das als willkürliche Minimalisierung einer wichtigen Grenze; dass die neun Monate bis zu Equal Pay durch den Austausch von Leiharbeitern unterlaufen werden können, kam dem Gericht nicht in den Sinn.

[...]

Ganz ähnlich ist die Situation bei zwei weiteren Verfahren, die beide von einer anderen Anwaltskanzlei betrieben werden. Im einen Fall war das ArbG Karlsruhe, im andern das ArbG Nürnberg zuständig. Beide haben negativ entschieden und im Wesentlichen das übernommen, was das ArbG Gießen geschrieben hatte. Ein derartiger »Vorgang« (wie die Juristen sagen) ist für den Richter hilfreich und spart viel eigenes Nachdenken, das manche als »gefahrgeneigtes Tun« betrachten. Die Berufung beim LAG Nürnberg ist anhängig. Das LAG Baden-Württemberg in Mannheim hat am 6.12.2018 die Berufung zwar zurückgewiesen, doch eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zugelassen!

In einem vierten Fall klagte eine Leiharbeitnehmerin in Aschaffenburg gleichfalls auf Equal Pay und erhielt dafür – anders als die übrigen – gewerkschaftlichen Rechtsschutz. Allerdings urteilte das ArbG in Aschaffenburg in gleicher Weise wie das ArbG Gießen – in der Argumentation bestand so viel Ähnlichkeit, dass das Gießener Urteil vermutlich in Kopie auf dem Richterschreibtisch lag. Dagegen wurde Berufung zum LAG Nürnberg eingelegt und ist nun für den 7.3.2019 terminiert – getragen und finanziert durch ver.di. Die gewerkschaftlichen Rechtsschützer ließen es sich nicht nehmen, die Berufung selbst zu begründen. Normalerweise klagen Gewerkschaften nicht gegen Tarifverträge, die sie selbst mit unterzeichnet haben. Wenn das hier anders ist, lässt dies den Rückschluss zu, dass die gewerkschaftliche Front für die Leiharbeitstarife nicht mehr ganz so undurchlässig ist wie früher.

http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2019/02/leiharbeitsklage_anstalt-buch.pdf
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Thomas Mann, 1936

dagobert

ZitatHallo,

beim heutigen Gerichtstermin vor dem LAG Nürnberg wurde der "Antrag auf Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ...., um den genauen Inhalt der EU-Leiharbeitsrichtlinie klären zu lassen.... vorgebracht durch die Gewerkschaft Verdi (vertritt in dem Verfahren die Klägerin) vom LAG abgelehnt.

Es ist aber die Revision zum BAG zugelassen. Es wird also in die nächste Runde gehen. Das kann natürlich dauern. Möglicherweise werden noch die anderen anstehenden LAG-Verfahren abgewartet.

Ein Vergleichsangebot durch die beklagte ZAF gab es keines. Könnte aber noch kommen wenn es vor das BAG geht. Die Klägerin hat nichts zu verlieren. Die ZAF-Branche bei einem entsprechenden Urteil aber schon.

Die beklagte ZAF (Time Partner Personalmanagement GmbH) wurde vertreten durch die Anwaltskanzlei "Taylor Wessing". Deren Anwälte sind gern gesehene Gäste bei ZAF-Verbandstagungen.

Karl
http://www.igmetall-zoom.de/Forum/viewtopic.php?f=18&t=5514&start=30
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Fritz Linow

Zitat9.12.20
,,Da würde die Ausbeutung gar keinen Spaß mehr machen"

Drei Leiharbeits-Klagen im Dezember vor dem Bundesarbeitsgericht.
(...)
https://direkteaktion.org/da-wuerde-die-ausbeutung-gar-keinen-spass-mehr-machen/

Onkel Tom

Danke für den Link.  :)

Zitat aus dem Artikel :

Zitat
...
Der Leiharbeiter hat sein Geld bekommen, es gibt keinen Grund mehr zu verhandeln. Dass die Leihfirma den vollen Lohn zahlte, zeigt, dass die Leiharbeitsbranche diese Klagen durchaus ernst nimmt. Eine Verhandlung vor dem EuGH versuchen die Leiharbeitsverbände und ihre Mitgliedsunternehmen zu verhindern.
...

Ich könnte kotzen (3x Kotzemoi)
Lass Dich nicht verhartzen !

Fritz Linow

Zitat11.12.20
Erfurt: Klagen für gleichen Lohn und gleiche Bedingungen bei gleicher Arbeit

Durch sie werden Belegschaften gespalten und Arbeiter und Arbeiterinnen schlechter bezahlt: Leiharbeit. Am kommenden Mittwoch werden drei Klagen vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt verhandelt, die hier für eine Verbesserung sorgen könnten: Über die Hintergründe sprach No Job FM  mit dem Bremer Arbeitsrechtler Prof. Wolfgang Däubler. Däubler unterstützt eine Kampagne von Labournet für gleichen Lohn bei gleichen Bedingungen. (Radio)
https://radiocorax.de/erfurt-klagen-fuer-gleichen-lohn-und-gleiche-bedingungen-bei-gleicher-arbeit/

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