Klassenkampf - was ist das?

Begonnen von Kuddel, 12:12:34 Fr. 09.Februar 2018

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kuddel

Zitat von: counselor am 20:23:37 So. 25.März 2018
...müssen die Arbeiter lernen, als Klasse zu denken, zu fühlen und zu handeln.

Wir müssen da wohl noch sehr viel lernen.
Die größten Hindernisse sind dabei in meinen Augen völlig verstaubte Begriffe von dem was ein "Arbeiter" ist und was ein "Arbeitskampf". Die Vorstellungen davon sind gut 100 Jahre alt. Die Wirtschaft und die Arbeitsorganisation haben sich radikal umstrukturiert. Unsere Diskussion hat sich nicht mit den Verhältnissen weiterentwickelt. Es gilt einiges nachzuholen.

Rappelkistenrebell

Zu welcher Klasse man selbst gehört hängt vom eigenem Verhältnis zu den Produktionsmitteln ab.Das war vor 200 Jahren genauso wie heute.
Die Modernieiserung der Produktivkräfte und Produktionsbedingungen verändern nur die äußere Erscheinungsform,nicht den Charakter selbst
des Systems.

"Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, in das ,Kapital' den landläufigen Jargon einzuführen, in welchem deutsche Ökonomen sich auszudrücken pflegen, jenes Kauderwelsch, worin z. B. derjenige, der sich für bare Zahlung von andern ihre Arbeit geben läßt, der Arbeitgeber heißt, und Arbeitnehmer derjenige, dessen Arbeit ihm für Lohn abgenommen wird. Auch im Französischen wird travail im gewöhnlichen Leben im Sinn von ,Beschäftigung' gebraucht. Mit Recht aber würden die Franzosen den Ökonomen für verrückt halten, der den Kapitalisten donneur de travail, und den Arbeiter receveur de travail nennen wollte" Friedrich Engels: Vorwort zur dritten Auflage von Das Kapital. In: Marx/Engels Werke, Bd. 23, Berlin (DDR) 1968, S. 34
Gegen System und Kapital!


www.jungewelt.de

tleary

Zitat

Schweigemarsch in Erfurt. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD), Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), Marion Walsmann (CDU) und Björn Höecke (AfD) laufen mit.
https://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/erfurt/siemens-schweigemarsch-erfurt-100.html

Zitat
"Wir sind Siemens" und in der ersten Reihe Bodo Ramelow (Linke) und Björn Höcke (AfD) und hintenran Fahnen von der SPD, MLPD und Schwarz-Rot-Gold.[/b]
Da tobt der völlige Irrsinn!

Es ist auch das Ergebnis der verbreiteten Entpolitisierung. Man marschiert nicht einem Ich-und-mein-Ausbeuter-sind-Eins Transparent hinterher. Und man marschiert nicht in die gleiche Richtung wie AfD-Höcke! Man stellt sich ihm entgegen!!
Das Bild ist wirklich "shocking"! - Abgesehen davon, daß die Linke (als Bewegung, nicht Partei) in der BRD keine politische Rolle mehr spielt. Zumindest hätte sie so etwas durch Gegendemonstrationen und Plakaten mit AUFKLÄRUNGSPAROLEN (!) entgegentreten müssen. Und politischen Positionen der Linken (als Partei) sind mit keinem Wort aufklärerisch! - Sie läßt die Arbeiter im unklaren darüber, daß dieses Wirtschaftssystem für sich grundsätzlich nur schädliche Konsequenzen haben kann! Es wird so getan, als ob alles in Ordnung wäre, würde Siemens nur die "Standorte sichern" und ein paar Arbeitsplätze weniger streichen, wie die Vertreter der Kapitalisten nun vorhaben.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

ManOfConstantSorrow

Die Diskussion über Klassenverhältnisse und Klassenkampf wird nicht nur bei uns geführt.

ZitatDie Frage nach ,,Klassen" und ,,Klassenpolitik" ist wieder zurück in der öffentlichen und linken Diskussion. Das mag man begrüssen, zeugt sie doch zumindest von der Einsicht, dass die Linke oftmals kaum noch Menschen jenseits linksliberaler Filterblasen und subkultureller Milieus erreicht. Bislang wird die Debatte jedoch relativ oberflächlich geführt. Dass ,,Klassenverhältnisse" und ,,Klassenfragen" irgendwie wichtig sind und die Linke Kontakt zur ,,Arbeiterklasse" braucht, darüber herrscht zwar neuerdings verdächtig grosse Einigkeit.

Allein, was damit genau gemeint ist, bleibt meist diffus: Wer oder was etwa ist die ,,Arbeiterklasse" und wie sieht sie heute aus, worum geht es in ,,Klassenkämpfen" – und wozu braucht man den Klassenbegriff überhaupt? Bleiben solche Fragen ungeklärt, ist seine Verwendung nicht nur phrasenhaft...
http://www.untergrund-blättle.ch/buchrezensionen/sachliteratur/klassen_und_sozialstruktur_der_brd_1950_1970_4740.html

Dieser Artikel ist jedoch fremdwortgespickt und nicht so leicht zu lesen...
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Fritz Linow

Zu der Klassenkampfdiskussion passt auch irgendwie:

ZitatSelfiesticks zu Knüppelfahnen

Wie weg von der Szene-Kiez-Folklore? Eine erste Auswertung der »Revolutionären 1. Mai Demonstration« in Berlin
(...)
Der Hedonismus, der hier zelebriert wird, ist kein Ausdruck des Aufbäumens gegen einen kapitalistischen Alltag, der einem jede Freude nimmt. Er ist die optimale Ergänzung zu diesem Alltag, die Flucht, das Sich-Auslassen. Und er ist das nicht nur am 1. Mai, sondern das ganze Jahr über. Was am 1. Mai in Kreuzberg zum Ausdruck kommt, ist nur die sichtbare Verdichtung der ansonsten auf hunderte Clubs und Soli-Parties aufgeteilten gelingenden liberal-kapitalistischen Befriedungsstrategie. Das ist nichts, worüber man sich empören muss. Es ist schlichtweg der Status Quo eines großen Teils der Hauptstadtlinken.
(...)
http://lowerclassmag.com/2018/05/selfiesticks-zu-knueppelfahnen/

(nicht ganz so viele Fremdwörter)


Kuddel

Ich denke, das paßt auch irgendwie:

ZitatKapitalismus abschaffen!
(...)
,,Man nennt das Ausbeutung", dieser Satz trifft also auf alle zu, die ihre Arbeitskraft im Kapitalismus verkaufen müssen, ob sie das nun für einen läppischen Mindestlohn von 8,84 Euro tun oder für das Dreifache. Dennoch verschärft sich der Grad der Ausbeutung natürlich mit abnehmendem Lohn, und hier setzen Arbeitskämpfe an: Gewerkschaften versuchen, den Lohn zu steigern oder die Länge der unbezahlten Mehrarbeitszeit dadurch zu verkürzen, dass die Arbeitszeit insgesamt verkürzt wird.

Nur Enteignung stoppt Ausbeutung

Sozialdemokratische Politik versucht eigentlich, kapitalistische Ausbeutung sozial abzufedern, die Arbeitsbedingungen also zu verbessern. Eigentlich. Denn die SPD unter Gerhard Schröder tat genau das Gegenteil: mit der Einführung von Hartz IV und der Förderung von Leiharbeit und prekären Jobs schuf sie einen Niedriglohnsektor, auf dem Millionen von Angestellten viel Mehrarbeit leisten – und wenig Lohn erhalten. Die aktuellen Zahlen zeigen, wie nachhaltig die Auswirkungen der Agenda 2010 sind.

Um die Ausbeutung sozialverträglich abzumildern – eine Kernaufgabe der Sozialdemokratie – bräuchte es nicht viel: zum Beispiel eine Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro, wie von der Linken gefordert. 12 Euro sind die Grenze des Stundenlohns, ab der die abhängig Beschäftigten eine Chance auf eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen. 12 Euro Stundenlohn würden auch einige andere Probleme lösen, die momentan in Bezug auf Arbeitslosengeld II diskutiert werden: denn bei einem höheren Mindestlohn könnten auch die Regelsätze von Hartz IV erhöht werden, ohne dass gleich alle Niedriglöhner leistungsberechtigt würden. Mehr Mindestlohn, mehr Grundsicherung ohne Sanktionen: So sieht eine sozialdemokratische Politik aus, die sich ernst nimmt.

Doch selbst die ambitionierteste Umverteilung wird die von Bartsch beklagte Ausbeutung nicht abschaffen. Zum Arbeiter*innenkampftag und 200. Geburtstag von Karl Marx sei deshalb daran erinnert: Die Forderung nach mehr Mindestlohn ist richtig, aber nicht revolutionär – selbst Olaf Scholz sprach sie bereits aus. Wer Ausbeutung wirklich abschaffen will, muss dem Kapital also die Produktionsmittel enteignen und unter demokratische Kontrolle bringen.
https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/das-ist-ausbeutung

Kuddel

Die linke und linksradikale Szene ist zu weiten Teilen ein subkultureller Zusammenhang. Man erkennt sich an Sprache und Outfit, man diskutiert über bestimmte Themen, doch man hat wenig Vorstellung von dem, was Arbeiterklasse (oder "Klasse") heutzutage sein könnte. Letztendlich wohl eher etwas, was man für zu schmuddelig hält und mit Bild-Zeitung und AfD in Zusammenhang bringt und lieber einen großen Bogen drum macht.

In Groß Britannien wird diese Problematik intensiver diskutiert. Ein Buch von Owen Jones hat bereits 2012 hohe Wogen geschlagen.
http://www.chefduzen.de/index.php?topic=26179.0
Jetzt hat sich auch die Historikerin Rhian E. Jones mit der Thematik beschäftigt:
ZitatDer Marxsche Klassenbegriff gehört zu ihrem Repertoire: Die britische Historikerin Rhian E. Jones kritisiert die Ausgrenzung der Arbeiterklasse im urbanen Bildungs- und Kulturraum. Exemplarisch hat sie sich mit der Pop-Metropole London beschäftigt.
http://www.deutschlandfunkkultur.de/historikerin-rhian-e-jones-ausgrenzung-und-popkultureller.2156.de.html?dram:article_id=417179

Kuddel

Ein paar weitere spitze Bemerkungen über Linksradikale, die zwar schöne Ideen haben mögen, doch entfernt von der Klasse und ihren Kämpfen sind...

Zitat...Die soziale Frage könne laut NIKA »nur noch grenzübergreifend und gemeinsam beantwortet werden«. Grundsätzlich befindet sich die radikale Linke damit auf dem richtigen Weg, der Kern der Aussage ist schließlich: Rechtsruck und Jahrzehnte der kapitalistischen Krise – das hängt zusammen. Nur ergibt sich hier ein Problem. So richtig die Analyse ist, so unzureichend ist derzeit die Herangehensweise, den Kapitalismus als solchen zu bekämpfen. Wenn sich radikale Linke über mangelnde Kapazitäten beschweren, muss die Frage lauten, wie neue entstehen können...
https://www.neues-deutschland.de/m/artikel/1088335.radikale-linke-und-klassenkampf-einen-versuch-ist-es-wert.amp.html


ManOfConstantSorrow

ZitatWas heißt Klassenpolitik konkret?
Erfahrungen aus der Unterstützung des Arbeitskampfs bei Amazon
https://www.akweb.de/ak_s/ak637/14.htm

Auch eher linkes Geschwaller von Leuten, die "Klassenkampf" nur aus Büchern kennen.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

Anmerkung zum Artikel im AK:
Linke sehen die Spaltungen innerhalb der Klasse und vertiefen sie.
Die linke Szene möchte stets ein Sammelbecken Gleichgesinnter sein.
Das ist auf eine Klassenauseinandersetzung nicht zu übertragen. Da muß man in Kauf nehmen, wenn ein Mitstreiter ein Frei.wild T-Shirt trägt oder jemand politische Scheiße im Kopf hat. Hier gilt es, in jedem Falle für das gemeinsame Ziel zusammenzustehen. Man kann sich am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder auf einer Versammlung aufs heftigste über rassistische oder sexistische Haltungen fetzen, in einem Kampf gegen einen gemeinsamen Feind muß man die Reihen fest geschlossen halten.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

counselor

Genau! Im Klassenkampf stellt man das Verbindende in Vordergrund. Über das Trennende diskutiert man. Nur Faschisten wird man ausschließen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

admin

chefduzen wurde konzipiert als soziale Plattform, offen für alle Konflikte im modernen Kapitalismus.
Es stellte sich heraus, daß ein Großteil der Opfer kapitalistischer Entwicklungen, allein an der eigenen Gruppe interessiert ist, nicht an "den Ausgebeuteten" oder "der Klasse", sondern nur an einem winzigen Bruchteil der Klasse.

Gerade diejeingen, die sich für politisch bewußt halten, tragen besonders krasse Scheuklappen. Die traditionelle Gewerkschaftsszene interessiert sich für "Arbeiter", doch kaum für die Erwerbslosen.  Dagegen hat sich eine Szene von Erwerbslosenaktiivisten gebildet, die selten über den eigenen Tellerrand blickt. Die MLPD hat ein Bild der Klasse, das vor rund hundert Jahren geprägt worden ist, mit einem Schwerpunkt auf Arbeitern aus der Metallindustrie und dem Bergbau. Die radikale Linke bis hin zur FAU hat für sich die prekären Beschäftigten und "die Logistik" entdeckt. So hat jeder seine Spielwiese.

Es gibt viele Schmuddelbereiche, da gucken die Gewerkschaften, die traditionelle Linke und die "Radikale Linke" lieber weg: Kleindealerei, Kleinkriminalität, Schwarzarbeit, Mafiastrukturen und Prostitution. All das sind Dinge, die Teil des heutigen kapitalistischen Systems sind. Da man da mit einem "vorwärts mit", "hoch die" oder "die Arbeit nieder!" nicht weiterkommt, verdrängt man diese Themen lieber.

Meine Beobachtungen über die Jahre: Die Hartz Gesetze wurden einige Zeit nach der Chefduzengründung umgesetzt. Eine Vielzahl der Fragen kam dann aus diesem Bereich. Viele suchten Antworten auf den gerade eingeführten Behördenterror gegen Erwerbslose. Man suchte individuelle Antworten, wie man beispielsweise mit einem Widerspruch oder mit einer Klage gegen einen Bescheid angehen kann. Es gab kaum Versuche, gemeinsam gegen dieses fürchterliche System Hartz IV als solches vorzugehen. Die Fragen aus diesem Bereich wurden so dominierend, daß einige glaubten, chefduzen sei ein Erwerbslosenforum. Das hielt ich für ein Scheitern der Grundidee hinter chefduzen.

Nach einiger Zeit wurde das Thema prekärer Arbeit immer wichtiger, Leiharbeit war wohl das wichtigste davon. Es war eine nervenaufreibende Diskussion, aber irgendwann wurde akzeptiert, daß Erwerbslose und prekär Beschäftigte doch irgendwie zusammenhalten sollten. Man sah aber jeden, dem es nur ein wenig besser geht, als Feind. Es gab Leute im Forum, die argumentierten, Lokführer, Fluglotsen oder Piloten würden ihre Arbeitskämpfe "auf Kosten" von niederen Beschäftigten, wie Reinigungs- und Servicekräfte, führen. Was für ein Quark!

Es muß offensichtlich noch einges an "Bildungsarbeit" geleistet und manche Diskussion geführt werden, bis man erkennt, daß die Klasse sich nur dann wirkungsvoll wehren kann, wenn sie zusammenhält. Zur Klasse gehören sowohl die "ganz unten", die "illegal", obdachlos, erwerbslos oder sonstwie das Leben fristet, bis hin zur "Arbeiteraristokratie" von Facharbeitern im 1. Arbeitsmarkt. Auch die Kämpfe derjenigen, denen es besser geht als uns, sind Klassenkampf und verdienen unsere Solidarität. Umgekehrt ist es wichtig, daß diejenigen, denen es besser geht, ihre Position nutzen, um auch etwas für die Schwächeren zu tun. Das hat bei den Bremer Daimlerbeschäftigten geklappt, die für die Übernahme der Leiharbeiter in einen Wilden Streik getreten sind. Um so etwas zu erreichen, müssen noch verdammt viele Diskussionen geführt werden.

Es gibt nichts zu glorifizieren. Als Angehöriger der Klasse ist man nicht automatisch gut drauf. Man kann den Kopf voller Stroh haben, sexistisch, rassistisch oder Nazi sein, als Facharbeiter, als prekär beschäftigter oder als Erwerbsloser.

Es gab im Forenbetrieb viele Rückschläge. Vor ein paar Jahren wurde die Diskussion hier weitgehend gelähmt durch die Forderung, man solle die Erwerbslosen als Nabel der Welt betrachten. Erst wenn man die verarztet hat, könne man sich um die anderen Probleme kümmern. Ich war wirklich verzweifelt. Es war das Gegenteil vom ursprünglichen Konzept von chefduzen. Es wurde nicht Brückenbildung und Solidarität zwischen Erwerbslosen, Prekären und Stammbeschäftigten gefordert, sondern es wurden die Gräben innerhalb der Klasse weiter vertieft.

Ein weiteres Problem ist, daß Beschäftigte aus dem ersten Arbeitsmarkt hier zwar mitlesen, aber so gut wie nie eigene Beiträge verfassen. Das passiert bestenfalls dann, wenn Massenentlassungen anstehen, weil der Laden dichtgemacht wird. Auf der anderen Seite ist es so, daß einige mit diesen Leuten auch nichts zu tun haben wollen.  Derjenige, der in diesem Forum am meisten online war und in kurzer Zeit mehr Postings hinterließ, als alle anderen User, formulierte es deutlich:
ZitatMich interessiert Siemens nicht und seine Mitarbeiter auch nicht!
Darauf nochmal angesprochen, fuhr er aus der Haut und verließ das Forum. Es war ein Mensch, der politisch total engagiert ist, in antifaschistischen Aktionen an vorderster Front steht und so mache miltante Demo mitgemacht hat. Aber Klassenkampf? Ein Fremdwort für ihn. So geht es im Grunde vielen "radikalen" Linken.

Dieser Thread hat eine besondere Wichtigkeit. Ich bin dagegen, daß man hier nur irgendwelche alten Vorstellungen wieder aufwärmt. Die Linke ist so schwach, weil sie sich nicht ausreichend mit den heutigen Strategien des Kapitalistischen Systems auseinandersetzt und lieber von den verklärten Auseinandersetzungen der 20er, 60er, 70er und 80er Jahre träumt.

counselor

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Fritz Linow

Zitat von: counselor am 20:42:09 Do. 21.Juni 2018
Die MLPD will schon die breiten Massen für den Kampf um den Sozialismus gewinnen:

ZitatDie Schmiedung des revolutionären Kampfbündnisses der Arbeiterklasse mit den kleinbürgerlichen Zwischenschichten ist eine strategische Aufgabenstellung...kleinbürgerlichen Zwischenschichten...allgegenwärtige Krisenhaftigkeit des Imperialismus...Die kleinbürgerliche Intelligenz...unteren Schicht der abhängigen Intelligenz...Die Arbeiterklasse muss es verstehen, mit der Höherentwicklung des Klassenkampfs den führenden Einfluss der proletarischen Denkweise unter den Zwischenschichten durchzusetzen...systematische Umerziehung zu einer proletarischen Denkweise...unter Führung der Arbeiterklasse...

Wirkt sehr ansprechend und einladend. Gleich morgen früh trete ich ein.

counselor

Zitat von: Fritz Linow am 22:10:49 Do. 21.Juni 2018Wirkt sehr ansprechend und einladend. Gleich morgen früh trete ich ein.
Stimmt schon. Vor allem die Sache mit der Umerziehung wirkt abschreckend.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

admin

Es war mir klar, daß bei meiner vereinfachenden Beschreibung klassenkämpferischer Strömungen, Widerspruch von allen Genannten kommen könnte. Alle haben sich "Revolution" (da nehmen wir den DGB und die meisten ELO-Inis mal aus) und das Erreichen der "Massen" auf ihre Fahnen geschrieben. Doch jede Organisation oder Bewegung hat ihre Schwerpunkte und Felder, in denen sie praktische Erfolge zu verzeichnen hat, doch unter dem Strich haben auch alle zusammen wenig Einfluß auf das Bewußtsein und Verhalten der Klasse, bzw. der "Massen". Die Klasse bleibt zersplittert und findet keine gemeinsamen Antworten auf die koordinierten Angriffe des Kapitals.

Ich halte es für notwendig, ALLE Organisationen und Strömungen und deren politische Praxis kritisch zu hinterfragen. Es ist erstrebenswert, die unterschiedlichen Positionen zu einem kritischen Austausch zu bewegen. Ich bin ein wenig stolz darauf, daß sich in der Community dieses Forums Leute mit politisch unterschiedlichstem Hintergrund befinden, die sich im politischen Alltag nicht riechen können und auch Leute ohne irgendwelche politischen Erfahrungen.

tleary

Die Linke allgemein ist in der BRD vollkommen marginalisiert. Sie hat auch keinen Einfluß mehr auf politische Diskussionen außerhalb ihres "Ghettos". Und in den Mainstream-Medien ist ihr politischer Standpunkt überhaupt nicht mehr vertreten. Da wird nur noch bis zum Erbrechen zwischen dem Scheinkonflikt Merkel/Seehofer in Sachen Flüchtlingspolitik berichtet. Eine genaue Analyse, welche Unterschiede es zwischen beiden Standpunkten überhaupt noch gibt, kann man dort auch nicht finden. - Wahrscheinlich weil diese bei genauer Betrachtung gar nicht allzu groß sind.
In den Worten des Admins steckt viel Wahrheit. Man sollte wirklich versuchen, Menschen durch gleiche Ziele versuchen zu organisieren, und nicht gleich zu Anfang nach deren politischer Gesinnung, und diese dann aufgrund dessen ausschließen.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Kuddel

Zitat von: tleary am 01:10:43 Sa. 23.Juni 2018
Die Linke allgemein ist in der BRD vollkommen marginalisiert. Sie hat auch keinen Einfluß mehr auf politische Diskussionen außerhalb ihres "Ghettos".

Bewegungen, die nicht in die Betriebe hineinreichen, werden nie ein echtes Druckmittel haben, um gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen.

Es geht nicht darum, Arbeitern zu sagen, was sie tun sollen. Überall brennt die Hütte. Überall ist die Situation kaum auszuhalten. Es gilt den Menschen zu helfen sich zu wehren bei den Dingen, die sie betreffen und sie am meisten belasten.

counselor

Zitat von: Kuddel am 16:37:04 So. 11.November 2018
Bewegungen, die nicht in die Betriebe hineinreichen, werden nie ein echtes Druckmittel haben, um gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen.
Daran krankt zur Zeit die Bewegung gegen die Polizeigesetze und die Rechtsentwicklung der Bundesregierung.
Zitat von: Kuddel am 16:37:04 So. 11.November 2018
Es geht nicht darum, Arbeitern zu sagen, was sie tun sollen. Überall brennt die Hütte. Überall ist die Situation kaum auszuhalten. Es gilt den Menschen zu helfen sich zu wehren bei den Dingen, die sie betreffen und sie am meisten belasten.
Nicht nur sich zu wehren, sondern den Menschen auch die gesellschaftlichen Ursachen für die Mißstände zu erläutern.

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

admin

«Wenn wir den Klassenkampf nicht verstehen, verstehen wir gar nichts»

Über die Bedeutung von Klassenbewusstsein


Gespräch mit Ken Loach

Der britische Filmregisseur Ken Loach ist einer der angesehensten Filmemacher unserer Zeit. Er ist ein sehr engagierter Künstler und einer der wenigen Regisseure, die zweimal die prestigeträchtige Goldene Palme von Cannes erhalten haben. In seinem Werk greift er oft soziale oder politische Themen auf. Sein Werk umspannt den spanischen Bürgerkrieg (Land and Freedom), den Streik der Hausmeister von Los Angeles (Bread and Roses), die Besetzung des Irak (Route Irish), den irischen Unabhängigkeitskrieg (The Wind that Shakes the Barley) und den Zwangsaspekt des Wohlfahrtsstaats (I, Daniel Blake). Ken Loach ist einer der wichtigsten Erzähler des Bewusstseins der Arbeiterklasse und dessen Veränderung in der Zeit des Neoliberalismus.

Im Gespräch mit dem italienischen Autor und Aktivisten ­Lorenzo Marsili spricht Loach über die Rolle der Kunst in Zeiten politischer Umwälzung, die Entwicklung der Arbeiterklasse, die Bedeutung des Klassenkampfs heute und das Versagen der Linken, eine radikale Veränderung anzustoßen.

http://www.sozonline.de/2018/10/wenn-wir-den-klassenkampf-nicht-verstehen-verstehen-wir-gar-nichts/

Kuddel

"Klassenkampf" ist ein schwer angesagter Modebegriff, doch an der wenig wirkungvollen Herangehensweise der linken Szene hat sich nichts geändert. Man sieht sich weiter als Avantgarde, als Spitze des Kampfes für eine bessere Welt. Man will eine "bessere Welt" für die einfachen Menschen erkämpfen und entmündigt sie damit. Letztendlich blickt man nur herab auf diese Leute und kann sich nicht vorstellen, daß sie selbst kämpfen können oder den richtigen Weg finden. Mit dieser Arroganz ist man nur abschreckend.

Während die linke Szene mit dieser Haltung weiter im eigenen Saft schmort, haben Pegida, Trump, AfD und die Faschogewerkschaften es gelernt, die Sprache der einfachen Menschen zu sprechen und damit großen Erfolg.

Wir sollten nicht anbiedernd sein. Wir müssen uns auf Augenhöhe treffen. Wir sollten versuchen von den Menschen zu lernen, statt sie zu belehren. Die Klasse kann nicht befreit werden, sie kann sich nur selbst befreien. Wir sind keine Führer, wir können im besten Fall die Geburtshelfer von Kämpfen sein. Kämpfen müssen die Menschen schon selbst und niemand kann sie dabei vertreten.

counselor

Zitat von: Kuddel am 10:22:57 So. 17.März 2019Man sieht sich weiter als Avantgarde, als Spitze des Kampfes für eine bessere Welt. Man will eine "bessere Welt" für die einfachen Menschen erkämpfen und entmündigt sie damit. Letztendlich blickt man nur herab auf diese Leute und kann sich nicht vorstellen, daß sie selbst kämpfen können oder den richtigen Weg finden. Mit dieser Arroganz ist man nur abschreckend.
Ich will Veränderungen zusammen mit den einfachen Menschen erkämpfen. Ich will, dass sich linke Ideen gegen die rechten Ideen durchsetzen. Die Menschen müssen von linken Ideen überzeugt werden.
Zitat von: Kuddel am 10:22:57 So. 17.März 2019
Während die linke Szene mit dieser Haltung weiter im eigenen Saft schmort, haben Pegida, Trump, AfD und die Faschogewerkschaften es gelernt, die Sprache der einfachen Menschen zu sprechen und damit großen Erfolg.
Faschistische Ideen sind meiner Meinung nach da erfolgreich, wo sie auf ein niedriges Klassenbewußtsein und auf autoritäre Charaktere treffen.
Zitat von: Kuddel am 10:22:57 So. 17.März 2019
Wir sollten nicht anbiedernd sein. Wir müssen uns auf Augenhöhe treffen. Wir sollten versuchen von den Menschen zu lernen, statt sie zu belehren. Die Klasse kann nicht befreit werden, sie kann sich nur selbst befreien. Wir sind keine Führer, wir können im besten Fall die Geburtshelfer von Kämpfen sein. Kämpfen müssen die Menschen schon selbst und niemand kann sie dabei vertreten.
Eine Stellvertreterpolitik lehne ich auch ab. Die Initiative muß von den Menschen an der Basis kommen. Das Bild vom Geburtshelfer trifft es gut.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Zitat von: counselor am 13:06:36 So. 17.März 2019
Ich will Veränderungen zusammen mit den einfachen Menschen erkämpfen. Ich will, dass sich linke Ideen gegen die rechten Ideen durchsetzen. Die Menschen müssen von linken Ideen überzeugt werden.

Das ist auch nicht verkehrt.

Es geht bloß nicht mit einem reinen Dozieren. Das muß einen Bezug zum Leben und den eigenen, beziehungsweise gemeinsamen Problemen haben.

Man kann mit eigenen Worten erklären, daß es die kapitalistischen Verhältnisse sind, die dazu führen, daß einerseits Löhne, Sozialleistungen und Renten sinken, andererseits die Mieten steigen. Man muß klarstellen, daß die Parolen der Rechten keine funktionierenden Lösungen bieten, sondern die Probleme nur noch weiter verschärfen.

Man braucht linke Lösungen nicht mit besonders schönen Worten anzupreisen, man muß nur klarmachen, daß diese hilfreich sind bei der Bewältigung der eigenen Probleme. Wenn man sieht, daß diese linke Herangehensweise eine spürbare Verbesserung mit sich bringt, ist das 100x überzeugender, als die beste politische Rede.

Wenn wir in einem Betrieb helfen, Solidarität aufzubauen, um damit gegen eine anstehende Entlassung, nicht eingehaltene Arbeitssicherheit, oder den herablassenden Ton von Vorgesetzten vozugehen und man aus seiner linken Gesinnung keinen Hehl macht, ist das die beste Werbung für diese Ideen. Das gilt insbesondere dann, wenn die gemeinsamen Aktionen zum Erfolg geführt haben.

Das ist in Mieterfragen nichts anderes. Wenn es gelingt, gegen eine Kündigung, gegen eine falsche Nebenkostenabrechung oder Mieterhöhung gemeinsam vorzugehen, dann überzeugt man auch die Menschen. Es ist oftmals besser, seine politische Einstellung nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Man kann seine Gesinnung in seinem Verhalten klarstellen, eben indem man Migranten und Einheimische nicht unterschiedlich behandelt, indem man Solidarität zeigt, indem man sich einfach menschlich verhält und sein Verhalten nicht von Geldinteressen abhängig macht. Das spricht für sich und bedarf keiner zusätzlichen politischen Statements.

Kuddel

Ein Beitrag aus den USA:
ZitatSeit dem Wahlsieg von Donald Trump wird in den USA wieder viel über ethnische Identitäten und Geschlechter diskutiert. Während Trumps Wähler überdurchschnittlich oft weiß und männlich sind, wählen Frauen und Minderheiten eher demokratisch. Der Literaturwissenschaftler Walter Benn Michaels gilt als profilierter Kritiker der sogenannten Identitätspolitik, bei der die Interessen von bestimmten ethnischen Gruppen oder Geschlechtern im Mittelpunkt stehen. Statt nur für mehr Repräsentanz von Schwarzen, Schwulen oder Frauen quer durch alle Schichten wirbt Michaels dafür, den Kapitalismus stärker zu bekämpfen.
(...)
Jeder Kampf gegen Diskriminierung muss klar eingebettet sein in einen Klassenkampf mit universellen Forderungen. Nehmen wir das Beispiel Krankenversicherung. Es wird derzeit viel über die Benachteiligung von Schwarzen im Gesundheitssektor diskutiert. Aber kann es wirklich unser Ziel sein, dass Afroamerikaner einfach genauso von dem renditegetriebenen System betrogen werden wie weiße Amerikaner?
(...)
Wir müssen universelle Forderungen erheben. Natürlich würden Schwarze von Medicare for all viel stärker profitieren als Weiße, aber eben auch alle anderen Armen. Das ist Klassenpolitik.
https://www.zeit.de/politik/2019-07/us-wahlkampf-demokraten-vielfalt-identitaetspolitik-klassenkampf-oktopus/komplettansicht

Kuddel

Hier mal ein ganz persönlicher Blick auf den Klassenkampf...

Zitat,,Man muss die Angst akzeptieren, um wachsam zu bleiben, aber sie darf nicht die letzte Instanz sein."

Karsten vom Bruch war 20 Jahre bei Bosch, zuletzt Vollzeit als Betriebsrat. Im Februar 2018 wurde ihm fristlos gekündigt. Ein Gespräch darüber, wie es ist, wenn man abhängig beschäftigt ist und zu unabhängige Gedanken hat.




Karsten vom Bruch, 50, arbeitete bis zu seiner Kündigung als Ingenieur beim Automobilzulieferer Bosch, darunter viele Jahre im Bereich Abgasnachbehandlung von Dieselmotoren in Stuttgart-Feuerbach. Seit mehr als zehn Jahren gehört er als IG Metall-Mitglied dem Betriebsrat des Unternehmens an – seit 2014 als freigestelltes Mitglied, also in Vollzeit.

Nach einer fristlosen Kündigung seitens des Arbeitgebers beträgt die von der Agentur für Arbeit verhängte Sperrfrist bis zu zwölf Wochen. Bei Karsten vom Bruch betrug sie die vollen drei Monate. Danach bezog er Arbeitslosengeld, anschließend bekam er für zwei Monate Arbeitslosengeld II.

Inzwischen arbeitet er als Rettungssanitäter, wie vor 30 Jahren im Zivildienst. Kurioserweise wurde er während seines Kündigungsverfahrens wieder in den Betriebsrat gewählt, weil er für dieses Ehrenamt passiv wählbar blieb. Falls er seine Kündigung in zweiter Instanz – die noch nicht terminiert ist – rückgängig machen kann, will er sein Amt in der darauffolgenden Betriebsratssitzung wieder wahrnehmen.

brand eins: Herr vom Bruch, nach Ihrer Sicht der Dinge wurde Ihnen gekündigt, weil Sie immer gesagt und getan haben, was Ihnen richtig vorkam. Hatten Sie nie Angst, dass das mal Ärger gibt?

Karsten vom Bruch: Ich bin nun mal einer, der den Mund aufmacht, wenn es sein muss. Klar habe ich finanzielle Ängste, schon wegen meiner vier Kinder. Als gekündigter Betriebsrat und Gewerkschafter im Alter von 50 Jahren noch einen neuen Job als Ingenieur zu finden ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Aber meine Aufgabe ist nicht nur, ein Einkommen für meine Kinder zu sichern, sondern auch die Gesellschaft voranzubringen, in der sie leben.

Dass Abhängigkeit Angst macht, ist menschlich. Arbeiter am Band, Ingenieure wie ich, aber auch Manager ganz oben – wir alle spüren Abhängigkeiten und Angst. Man muss die Angst als Berater akzeptieren, um wachsam zu bleiben, aber sie darf nicht die letzte Instanz sein.
(...)
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2019/unabhaengigkeit/man-muss-die-angst-akzeptieren-um-wachsam-zu-bleiben?utm_source=pocket-newtab


Kuddel

Neue Klassenpolitik muss praktisch werden! 
Vortrag Torsten Bewernitz



https://youtu.be/Z0g5X8DiZ_E

(eine Stunde)

Seit einigen Jahren diskutiert die radikale Linke eine ,,neue Klassenpolitik". Oft bleibt diese allerdings in der Theorie und in akademischen Diskussionen stecken.

Das Thema ,,neue Klassenpolitik" ist gleichzeitig Theorie-, Strategie- und Organisationsdebatte. Torsten Bewernitz hat in seiner Streitschrift ,,Syndikalismus und neue Klassenpolitik" (Verlag Die Buchmacherei, Berlin 2019) einen konkreten Organisationsvorschlag gemacht, der bestehende Organisationsansätze zusammendenken und verbinden will.

Der Autor und Aktivist wird die Debatte um eine neue Klassenpolitik in Grundsätzen schildern und seinen eigenen Vorschlag zur Diskussion stellen.

Kuddel

Butterwegge zum Thema:

ZitatChristoph Butterweege besteht in neuem Buch auf Klassengesellschaft

Christoph Butterwegges beschreibt in seinen neuen Buch ,,Die zerrissene Republik" eine radikale Analyse der Ungleichheit in Deutschland.

Wo es langgeht, macht Christoph Butterwegge gleich im ersten Satz klar: ,,Seit geraumer Zeit ist die wachsende sozioökonomische Ungleichheit das Kardinalproblem unserer Gesellschaft." Eine solche Festlegung auf ,,das Kardinalproblem" erscheint irritierend in Zeiten, da allenthalben der Klimawandel auf Platz eins der Problemskala gesetzt wird.
...
Wer mit dem Autor die Geschichte der Gesellschaftstheorie von Karl Marx bis heute verfolgt, kann das Beharren auf dem Begriff der Klassengesellschaft durchaus verstehen.
...
Aber vielleicht muss eben etwas dicker auftragen, wer mit guten Gründen darauf beharrt, die gesellschaftliche Ungleichheit mit den Produktionsverhältnissen, also der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, in Verbindung zu bringen. Das hat sich ja leider nicht erledigt, nur weil sich das ,,Proletariat" heute aus unterschiedlichsten Gruppen zusammensetzt, vom Niedriglöhner im Dienstleistungsbereich bis zur ,,selbstständigen", aber in Wahrheit höchst abhängigen Designerin in der Kreativwirtschaft.
...
...dass nämlich die Ungleichheitsverhältnisse kein Betriebsunfall des Kapitalismus sind, sondern dessen integraler Bestandteil; dass in diesem System der Reichtum der einen ohne die Armut der anderen nicht denkbar ist; dass also der Ungleichheit nicht wirklich abzuhelfen sei unter kapitalistischen Bedingungen.

Butterwegge findet die Politik armutsfördernd

Man muss wahrlich kein Dogmatiker sein, um diese Thesen wenigstens interessiert zur Kenntnis zu nehmen. Mit dem ganzen Wissensfundus des Armuts- und Reichtumsforschers führt Butterwegge vor, wie die Vermehrung der großen Vermögen durch eine durchaus armutsfördernde Politik abgesichert wurde und wird. Das reicht von den Steuersenkungen der vergangenen Jahrzehnte am oberen Ende (in den ganz frühen Jahren der Bundesrepublik lag der Grenzsteuersatz für die höchsten Einkommensbestandteile bei 95 Prozent, und zwar auf Anweisung der West-Alliierten!) über die Deregulierung des Arbeitsmarkts und die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Ende der Förderung für genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau.
...
Aber es macht dieses Buch wertvoll, dass es die Entwicklung der Ungleichheit ohne Rücksicht auf gängige Erzählungen über den Segen der Niedriglohn-Arbeit, die notwendige Senkung von Standards wegen internationaler Konkurrenz oder den Nutzen der Schwarzen Null nachzeichnet. Wahrscheinlich geht das wirklich nur, wenn man auch die grundlegende Funktionsweise des modernen Kapitalismus kritisch im Auge hat. Und genau das mag der Grund dafür sein, dass Butterwegge so unbeirrbar auf dem Begriff der ,,Klasse" beharrt.
...
So gehört zu den wenigen optimistischen Passagen in Butterwegges Buch das Lob für den Jungsozialisten Kevin Kühnert, der in einem Interview die Frage der Kollektivierung privaten Kapitals angesprochen hatte: ,,Dass ein bekannter Nachwuchspolitiker wie Kühnert solche Grundsatzfragen überhaupt anschnitt, war enorm wichtig für weitere Diskussionen über Möglichkeiten zur Beseitigung der sozioökonomischen Ungleichheit."...
https://www.fr.de/kultur/literatur/literatur-klassenlagen-heutigen-kapitalismus-13256154.html

Kuddel

Ein Buch zum Thema.

Ich habe das Buch nicht gelesen, aber das Interview mit dem Autor war ansprechend. Es ist kein Sachbuch, sondern sein erster Roman.

ZitatAutor Christian Baron über seine Kindheit in Armut
,,Ein Klassenverräter wie Gerhard Schröder möchte ich nicht sein"

Das Geld war weg, der Monat aber noch nicht zu Ende: Diese Erfahrung hat die Kindheit von Christian Baron geprägt. In seinem ersten Roman ,,Ein Mann seiner Klasse" erzählt er von Armut und abgestelltem Strom, von Alkoholismus und Gewalt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/autor-christian-baron-ueber-seine-kindheit-in-armut-ein.1008.de.html?dram:article_id=469076

Klassenkampf ist nicht unbedingt heroisch und spektakulär. Es ist auch der Kampf, den Alltag zu bestehen, ohne seine Würde zu verlieren.

Troll

Zitat,,Alles, was von Menschen geschaffen wurde, kann auch von Menschen verändert werden"

,,Mein Vater war ungelernter Hilfsarbeiter, er hat als Möbelpacker geschuftet, um seine Familie mit Frau und vier Kindern durchzubringen", sagt der Journalist Christian Baron im NachDenkSeiten-Interview. Baron, dem aus einfachen Verhältnissen der Bildungsaufstieg gelungen ist, weiß wie schwierig dieser Aufstieg in unserer Gesellschaft ist. In einem zweiteiligen Interview verdeutlicht Baron, dass es ein Mythos sei zu glauben, jeder könne aus eigener Kraft alles erreichen – sofern er sich nur hart genug anstrenge. Im Interview, wie in seinem neuen Buch ,,Ein Mann seiner Klasse", gewährt Baron einen Einblick in sein Leben, erklärt, warum ,,Chancengleichheit" hierzulande eine Illusion ist und zeigt, was die ,,Sozialpolitik" der Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten angerichtet hat. Von Marcus Klöckner.

...

HTML5:
https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/200406_Alles_was_von_Menschen_geschaffen_wurde_kann_auch_von_Menschen_veraendert_werden_NDS.mp3
Quelle: NDS
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel


  • Chefduzen Spendenbutton