"Ablösesummen" bei Übernahme in festes Arbeitsverhältnis

Begonnen von xyu, 15:39:37 Mi. 28.Februar 2018

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xyu

scheint in gewissen Branchen (gemeint ist nicht die Fußballbranche) üblich zu sein: jemand wird an einen Betrieb "entliehen", ArbeiterInnen und vorgeblich auch Geschäftsleitung würden die Person gerne als feste KollegIn einstellen, die GL macht das dann aber nicht, im Vertrag mit der Leihfirma stünde dass eine vierstellige Summe an die Leihfirma gezahlt werden müsse wenn der LA fest eingestellt würde und zwar auch dann noch wenn die Festeinstellung mehrere Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeiters mit der Leihfirma liegt.
Hat da wer Infos zu ob etwa gerichtlich schonmal die Sittenwidrigkeit solcher Klauseln festgestellt wurde?

dagobert

Zitat von: xyu am 15:39:37 Mi. 28.Februar 2018
jemand wird an einen Betrieb "entliehen", ArbeiterInnen und vorgeblich auch Geschäftsleitung würden die Person gerne als feste KollegIn einstellen, die GL macht das dann aber nicht, im Vertrag mit der Leihfirma stünde dass eine vierstellige Summe an die Leihfirma gezahlt werden müsse wenn der LA fest eingestellt würde und zwar auch dann noch wenn die Festeinstellung mehrere Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Leiharbeiters mit der Leihfirma liegt.
Eine solche Vermittlungsprovision ist durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG dem Grunde nach (!) erlaubt und in den Arbeitnehmerüberlassungsverträgen zwischen Verleiher und Entleiher geregelt (manchmal auch in den ZAF-AGB, welche dann Teil dieser AÜ-Verträge sind).

Problem 1: Der LAN ist nicht Vertragspartner, kriegt den Vertrag also i.d.R. gar nicht erst zu sehen.
Problem 2: Der LAN ist, da nicht Vertragspartner, auch nicht klageberechtigt.

Bei einem Fall wie oben müsste demnach entweder der Verleiher gegen die ZAF klagen, oder die Zahlung verweigern und sich selbst verklagen lassen.
Den meisten Entleihern sind die Leihsklaven aber nicht wichtig genug, so dass beide Möglichkeiten die Ausnahme sind (und bleiben werden).

Nichtsdestotrotz gibt es (nach meinem Kenntnisstand - ich bin nicht allwissend) 2 BGH-Urteile zum Thema.

ZitatDie Höhe der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Leiharbeit-gebers festgesetzten Vergütung, die der einen Leiharbeitnehmer übernehmende Entleiher dem Leiharbeitgeber zu zahlen hat, ist grundsätzlich nicht mehr angemessen im Sinne des § 9 Nr. 3 2. Halbsatz AÜG, wenn sie nicht nach der Dauer des vorangegangenen Verleihs gestaffelt ist. Eine solche Vereinbarung verstößt gegen § 9 Nr. 3 1. Halbsatz AÜG und ist unwirksam.
BGH, 11.03.2010, III ZR 240/09

Zitat22
[...]
Die im Streitfall verwendete Klausel bewegt sich mit einer Maximalvergütung von 15 % des Jahresbruttoeinkommens (= 1,8 Bruttomo-natsgehälter) sonach etwa im Mittelfeld der Bandbreite der im Wirtschaftsver-kehr verwendeten und vom Schrifttum vertretenen Höchstsätze. Eine solche Maximalvergütung ist auch unter gebotener Berücksichtigung der Schutzzwe-cke des § 9 Nr. 3 AÜG, insbesondere der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und der Förderung des Wechsels in normale Arbeitsverhältnisse unbedenklich. Ein derartiger, die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreitender Provisionshöchstsatz hält sich dabei selbst dann noch im Rahmen des Ange-messenen im Sinne von § 9 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG, wenn die Vergütungsrege-lung - wie hier - undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätig-keitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasst.

[...]
25
(b) Die Vergütungsklausel stellt sich auch im Hinblick darauf, dass die Vergütungspflicht erst bei einer Dauer der Arbeitnehmerüberlassung von mehr als zwölf Monaten entfallen soll, nicht als unangemessen dar.
[...]
27
Zwar besteht die Pflicht zur Zahlung des Vermittlungshonorars im Streit-fall auch dann, wenn die Dauer der Überlassung über sechs Monate hinausgeht und bis zu zwölf Monate erreicht. Dies kann unter Mitberücksichtigung der hier vorgenommenen mehrfachen degressiven Staffelung der Vergütungshöhe nach der Verleihdauer jedoch als gerade noch angemessen hingenommen werden.
28
Angesichts der ab 2004 weggefallenen gesetzlichen Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung und der damit eröffneten Möglichkeit zur Besetzung von Dauerstellen durch Leiharbeitnehmer (s. dazu etwa Schüren aaO Einl. Rn. 62 ff, 88 und § 3 Rn. 3) ist es nicht von vornherein unangemessen, wenn eine Vergütungspflicht auch für den Fall vorgesehen wird, dass die Dauer der der Übernahme vorangehenden Überlassung sechs Monate übersteigt. Die mit einer "Verlängerung" der Provisionspflicht auf die - nach Ansicht des Senats: höchstzulässige - Dauer eines Jahres der vorangehenden Arbeitnehmerüber-lassung für den Entleiher verbundenen Nachteile werden durch eine entspre-chende "Fortschreibung" der ohnehin gebotenen (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2011 aaO S. 2049 Rn. 16) degressiven Staffelung der Provision aus-reichend kompensiert. Eine solche Staffelung muss zumindest quartalsweise (also: im Drei-Monats-Rhythmus) und in ihrer Abstufung in etwa proportional zum Zeitablauf erfolgen. Ausgehend von einer abstrakt-generellen Vergütungs-regelung und einer anfänglichen Maximalhöhe von zwei Bruttomonatsgehältern müssten sich die nachfolgenden, (zumindest) im Drei-Monats-Rhythmus abge-stuften Sätze demnach etwa in einer Größenordnung von eineinhalb Bruttomo-natsgehältern (nach Ablauf von drei Monaten), einem Bruttomonatsgehalt (nach Ablauf von sechs Monaten) und einem halben Bruttomonatsgehalt (nach Ablauf von neun Monaten) bewegen. Diesen Maßgaben wird die von der Klägerin ver-wendete Klausel mit ihren dort vorgesehenen Provisionssätzen (anfänglich 1,8 Bruttomonatsgehälter; nach drei Monaten 1,44 Bruttomonatsgehälter; nach sechs Monaten 1,08 Bruttomonatsgehälter; nach neun Monaten 0,6 Bruttomo-natsgehälter) insgesamt noch hinreichend gerecht.
[...]
32
cc) Soweit Absatz 1 der Klausel eine Vergütungspflicht für die Übernahme "aus der Überlassung" unabhängig von der Kausalität der Überlassung für die nachfolgende Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher begrün-det, liegt hierin keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners (hier: des Entleihers) im Sinne von §§ 307, 310 Abs. 1 Satz 2 BGB.
BGH, 10.11.2011, III ZR 77/11
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Tiefrot

Wenn ich solch einen Text lese und interpretiere,
sehe ich mich darin bestätigt, daß Mensch nur noch eine Handelsware ist. kotz
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dejavu

Das Aüg ist bezüglich dieser Frage auch mal geändert worden. Ich hab dazu auch schon mal was geschrieben. Hab aber grad keine Zeit das rauszuklamüsern. Vielleicht später.
Leiharbeit und Werkvertragsmißbrauch verbieten! Weg mit dem Dreck!

Tiefrot

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dagobert

Zitat von: Tiefrot am 13:46:01 Do. 01.März 2018Wenn ich solch einen Text lese und interpretiere,
sehe ich mich darin bestätigt, daß Mensch nur noch eine Handelsware ist. kotz
Eigentlich müsste ich dich dafür als Pessimisten bezeichnen.

Allerdings hab ich jetzt den ganzen Tag drüber nachgedacht, und mir fällt ums Verrecken kein Gegenargument ein.

Sind wir jetzt beide Pessimisten, oder hast du einfach nur Recht?  ::)
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Tiefrot

Befürchte, ich hab einfach nur Recht.  ::)

Und grade, was meine düsteren Prognosen im Bezug auf Menschen betrifft,
habe ich öfter Recht, als mir lieb ist.  :(
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