DGB-Hotline

Begonnen von Jürgen, 14:18:29 So. 25.April 2004

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Jürgen

Am 29.04.2004 ( Donnerstag ) hat der DGB eine Hotline zum Thema Lohndumping eingerichtet, die in der Zeit von 10-20 Uhr stattfindet.

Telefon-Nummer :  0180 - 234 0000

Frau Engelken-Kefer ist von 10-12 Uhr am Telefon und Herr Sommer von 15-16 Uhr.

http://www.dgb.de/homepage_kurztexte/hotline_zumutbarkeit01

Dies ist eine gute Gelegenheit, dem DGB einmal mitzuteilen, welche Auswirkungen tariflich vereinbarte Niedrig- und Armutslöhne haben.

Frau Engelken-Kefer und Herr Sommer sollten aus erster Hand erfahren, wie sich ein Arbeitnehmer fühlt, der eine Vollzeittätigkeit ausführt und mit dem tariflichen Nettolohn nicht allein sich und seine Familie ernähren kann.

Sie sollten erfahren, wie es in Vollzeit arbeitenden Sozialhilfeempfängern geht, die deshalb so leben müssen, weil selbst Gewerkschaften unterste Tariflöhne vereinbaren, mit denen eine Existenzsicherung der Familie nicht möglich ist.

Zitat aus der oberen Pressemitteilung :

" Wer bezahlt schon gerne tarifliche oder ortsübliche Löhne, wenn die gleiche Arbeit -gesetzlich legitimiert - für ein Drittel weniger erledigt werden kann? "

Warum sollten Arbeitgeber nicht gerne Tariflöhne zahlen, wenn deren resultierenden Nettolöhne nur kurz über dem gesetzlichen Existenzminimum liegen bzw. mit Berücksichtigung der Aufwendungen des Arbeitnehmers noch unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums ( Sozialhilfebedarf ) liegen können ?

Warum sollte ein Unternehmer nicht einen kleineren oder größeren Teil seiner Stammbeschäftigten entlassen und dafür Leiharbeiter beschäftigen, deren tarifliche ( !! ) Löhne bis zu 50 % geringer sein können ?

Hier der Beweis dafür :

" Die Infineon Technologies AG, München, will nach Angaben der IG Metall im Werk Dresden bis 2007 rund 700 auslaufende befristete Arbeitsverträge in Leiharbeitsplätze umwandeln."

" Die Beschäftigten würden dann für die gleiche Arbeit lediglich rund die Hälfte des vorherigen Gehalts bekommen, teilte die IG Metall am Montag mit."

http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=investor/tool_infoboxticker_meldung.asp&id=1082362444

Laut den o.g. Angaben der IG Metall ( DGB - Gewerkschaft ! ), kann es also durch die Tarifverträge in der Zeitarbeit ein Tarif- und Lohndumping von bis zu 50 % ( für die exakt gleiche Arbeitsleistung ) geben !

Es soll 358 Tarifverträge mit untersten Tariflöhnen unter 5,50 Euro/Std. geben
( 5,50 Euro/Std. * 160 Std./Monat = 880 Euro/Monat Bruttolohn ).
Wer soll davon in D. leben können, ohne noch ergänzende staatliche Leistungen zu beziehen ?

Da ganz offensichtlich auch unterste Tariflöhne nicht die Existenz von Arbeitnehmern und ihren Familien sichern können, ist ein gesetzlicher Mindestlohn dringend notwendig, den es bereits in 9 von 15 EU-Staaten gibt.


http://www.eu-datashop.de/download/DE/sta_kurz/thema3/nk_02_05.pdf

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum der DGB sich für eine einfachere Allgemeinverbindlichkeitserklärung ( AVE ) von Tarifverträgen einsetzt ( anstatt eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes ), da die untersten Tariflöhne einiger Tarifverträge nicht existenzsichernd sind !

Was für einen Sinn hätte es, wenn z.B. 1 DGB-Tarifvertrag in der Zeitarbeit für allgemeinverbindlich erklärt wird, mit deren Hilfe Stammarbeiter entlassen werden können und dann Leiharbeiter die gleiche Arbeitsleistung für bis zu 50 % weniger Lohn ausführen ?
Wird dadurch das Tarif- und Lohndumping durch Zeitarbeit ( das Herzstück der Hartz-Reform ) geändert ?

Hinzu kommt, das einige Tarifverträge noch eine Laufzeit von einigen Jahren haben
( www.personalorder.de/magazin/main/docs/Entgelttarifvertrag_BZA_220703.pdf ,
§ 8.1 = 31.12.2007 ) und in dieser Zeit nicht geändert werden können
( Friedenspflicht ) !!!

Nein, die Vereinfachung der AVE ist viel zu langwierig und zu kompliziert ( Aushandlung eines Mindestlohnes in jeder Branche ) und berücksichtigt nicht, das es noch einen Dachverband ( CGB ) für Gewerkschaften gibt, mit denen der DGB sich nicht sonderlich versteht.

Jeder Arbeitnehmer in D. hat einen internalen Rechtsanspruch auf einen angemessenen Lohn für seine Vollzeittätigkeit, egal ob es sich nun um eine gelernte oder ungelernte Tätigkeit handelt und egal wo der Arbeitnehmer wohnt ( ABL oder NBL ) oder der Arbeitgeber den Firmensitz hat !!

Am 26.02.1965 ist die europäische Sozialcharta im Wortlaut vom 18.10.1961 in Deutschland in Kraft getreten.

Im Teil 2, Artikel 4 der ESC vom 18.10.1961 heißt es :

" Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien,
1. das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen, welches ausreicht, um ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern; ... ".

Im Urteil des Arbeitsgericht Bremen vom 30.08.2000 ( Az.: 5 Ca 5152 ,
5198/00 ) heißt es :

".. 2.2.5. Bei der Auslegung der zivilrechtlichen
Generalklauseln ist überdies zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Gerichte als Teil der Staatsgewalt gehalten sind, auch dem internationalem Recht innerstaatliche Geltung zu verschaffen (BVerfG NJW 82,817) und die Bundesrepublik Deutschland sich international zum Schutz vor Niedriglöhnen verpflichtet hat. So beinhaltet Art. 4 Abs. 1 der Europäischen Sozialcharta das Recht auf ein Entgelt, das ausreicht, um Arbeitnehmer und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. In der Spruchpraxis des Sachverständigenausschusses beim Europarat wird das
angemessene (Mindest) Entgelt mit 68% des nationalen Durchschnittslohns
taxiert (Peter, ArbuR 99, 289, 294). Die Bundesrepublik hat sich bereits
1964 zu den Inhalten der ESC bekannt (BGBl. 1964 II,1261)... "

Obwohl sich die Bundesrepublik Deutschland bereits 1964 zum Schutz vor Niedriglöhnen ( Löhne unter 75 % des Durchschnittslohnes ) international verpflichtet hat und laut Angaben der HBS 6,3 Mio. Arbeitnehmer in D. einen Niedriglohn bekommen und davon 2,1 Mio. Arbeitnehmer einen Armutslohn ( unter 50 % des nationalen Durchschnittslohnes ) erhalten, wurde bis dato ( also fast 40 Jahre danach ! ) der für Deutschland international gültige Art.4, Abs.1 der ESC nicht in nationales Recht umgesetzt !

In 9 von 15 EU-Staaten gibt es bereits gesetzliche Mindestlöhne ( zwischen 40 - 60 % des nationalen Durchschnittslohnes ), die nicht die Tarifautonomie beeinträchtigen und auch der Wirtschaft nicht geschadet haben, da z.B. dadurch in GB 1 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen wurden !

Der nationale Durchschnittslohn in D. betrug im Jahr 2003 33.228 Euro/a bzw. 2769 Euro/Monat ( statistisches Taschenbuch 2003 ).

Das würde für D. bedeuten :

Grenze zum Armutslohn :
50 % von 2769 Euro/Monat = 1384,50 Euro/Monat : 160 Std./Monat = 8,65 Euro/Std.

60 % von 2769 Euro/Monat = 1661,40 Euro/Monat : 160 Std./Monat = 10,38 Euro/Std.

68 % von 2769 Euro/Monat = 1882,92 Euro/Monat : 160 Std./Monat = 11,77 Euro/Std. ( 68 % = Spruchpraxis des Sachverständigenausschuss des Europarates , s.o. )

Da ein Armutslohn nicht akzeptabel für eine Vollzeittätigkeit ist, müßte also ein gesetzlicher Mindestlohn in D. zwischen 8,65 - 11,77 Euro/Std. betragen !

Auch würde eine Vereinfachung der AVE absolut nichts daran ändern, das Gewerkschaften in einigen Branchen nur sehr wenig Durchsetzungskraft haben, weil es dort zu wenig organisierte Arbeitnehmer gibt, die z.B. durch Streiks einen bestimmten Branchen-Mindestlohn durchsetzen können.

Gerade weil die Gewerkschaften in einigen Branchen keine Durchsetzungskraft haben und damit nicht-existenzsichernde unterste Tariflöhne entstanden sind, muss es in Zukunft einen gesetzlichen Mindestlohn geben, der sich nur an dem Durchschnittslohn und an das Preisniveau in D. orientiert !!

Damit gibt es auch dann, in Bezug auf den Mindestlohn, keinen Unterschied mehr zwischen der Arbeitsleitung eines Arbeitnehmers in den ABL oder NBL !!

Will der DGB also wirklich etwas gegen das Lohndumping in D. tun, dann muss sich Herr Sommer und Frau Engelken-Kefer einen gesetzlichen Mindestlohn fordern, der bereits in 9 von 15 EU-Staaten seit Jahren alltägliche Praxis ist !!

ManOfConstantSorrow

Leiharbeit und die Gewerkschaften, ein Thema für sich.

Vom DGB gab´s sogar mal das legendäre Zitat man müsse die Zeitarbeitbranche "aus der Schuddelecke herausholen". Der Dreck gehört abgeschafft! Aber als nun noch ein Bericht veroffentlicht wurde, daß der DGB sich selbst als PSA - Betreiber versucht, kommt nun doch eine Diskussion ins Rollen.

Hier wird ein Teil der überfälligen Diskussion dokumentiert: http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/psa/gewerkaus.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

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