Gewerkschaften

Begonnen von GotthilfFischer, 18:50:13 Mi. 12.Februar 2003

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Kuddel

Danke für die Info.

ZitatZum 100jährigen Jubiläum von BMW hat sich in München die erste multikulturelle Gewerkschaft Deutschlands gegründet. Initiatoren sind der Münchner Betriebsrats-Rebell Murat Yilmaz (44) und der Manager Christian Lange (58), der sich für Menschenrechte in deutschen Konzernen einsetzt.

Yilmaz hatte im Jahr 2015 «schwarze Kassen in Millionenhöhe» in der Hand von BMW-Betriebsräten angeprangert. In der Folge wurde der Deutsch-Türke im Werk rassistisch beschimpft und bekam nach eigener Aussage sogar anonyme Morddrohungen.

Ex-Betriebsrat Lange, der bei BMW in der Vergangenheit unter anderem für das Nachhaltigkeitsmanagement mitverantwortlich war, sagt: «Wir dulden keine Diskriminierung muslimischer Kollegen und Andersdenkender. Wir wollen keine Angstkultur wie bei VW.»

Die Gründung der neuen Organisation ist eine Antwort auf rassistische Ausfälle von Verantwortlichen der IG Metall. Diese haben im Münchner BMW-Stammwerk zu Protesten und zu einer Austrittswelle aus der IGM geführt, die anhält.

ZitatFür den Arbeitsrechtprofessor Peter Schüren ist es "außerordentlich problematisch, wenn das Unternehmen dem Betriebsrat dabei gefällig ist, interne Opposition still zu machen. Das sind zwei Aspekte - einmal durchbricht das die Ordnung der Betriebsverfassung, weil das keine anständige Interessenvertretung mehr ist - zum anderen muss der Betriebsrat solche Gefälligkeiten an andere Stelle zurückbezahlen. Das heißt, das ist im Grunde Korruption, die aus so etwas erwächst."
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Betriebsraete-Perfide-Methoden-bei-der-Salzgitter-AG,igmetall372.html

Es ist völlig krass, was da abgeht.
Für mich ein Beweis dafür, wie falsch es ist, sich allein um den prekären Sektor zu kümmern, wie es in der linken Szene so populär ist.
In den Großbetrieben hat die IGM mafiaähnliche Züge angenommen. Das ist nur möglich, weil es keine ausreichende linke Beobachtung und Kritik gibt, geschweige eine brauchbare Alternative zur IGM.

Wir müssen uns ALLEN Bereichen der Ausbeutung widmen. Der produzierende Sektor und der 1. Arbeitsmarkt gehören dazu. Es darf nicht allein "die Logistik" Ziel unserer Aktivitäten sein.

Fritz Linow

Zitat von: Kuddel am 12:01:15 Mi. 22.August 2018
(...)
Für mich ein Beweis dafür, wie falsch es ist, sich allein um den prekären Sektor zu kümmern, wie es in der linken Szene so populär ist.
In den Großbetrieben hat die IGM mafiaähnliche Züge angenommen. Das ist nur möglich, weil es keine ausreichende linke Beobachtung und Kritik gibt, geschweige eine brauchbare Alternative zur IGM.
Ach, ich weiß nicht so recht, ob eine linke Szene jetzt der richtige Ansprechpartner für so etwas ist. Wenn sich einige ,- wenn überhaupt-, für betriebliche Dinge interessieren und sich dann vermehrt um prekäre Beschäftigungsverhältnisse kümmern, dann kann es auch daran liegen, dass sie selber prekär beschäftigt sind. Und dass es gerade in der linken Szene populär ist, sehe ich auch nicht so wirklich. Mir fällt jetzt nur dieses komische makeamazonpay ein.

Dass es keine brauchbare Alternative zum sozialpartnerschaftlichen DGB gibt, wird ja schon seit Jahrzehnten verbockt. Da wird ausreichend von links beobachtet und Kritik geübt, im Zweifel wird aber dann doch das Hohelied auf die Einheitsgewerkschaft gesungen. Ich finde das durchaus schade, weil da viel Energie verschwendet wurde und wird, die man für den Aufbau einer Alternative gut gebrauchen könnte.

Ich hab jetzt auch keine Idee, wie man in Großbetrieben eine Alternative aufbauen könnte. Da müsste man wohl bei Null anfangen, weil in all den Jahren keine bis kaum Aufbauarbeit geleistet wurde, immer im Glauben, den DGB eines Tages umkrempeln zu können.

Kuddel

Bei aller berechtigter Distanz zu einer linken "Szene", ging es mir auch nicht um selbige.
Zwischen der linksradikalen subkulturellen Szene und den alten Gewerkschaftslinken, die seit den 70ern davon träumen, den DGB umkrempeln zu können, gibt es einen Haufen Menschen mit einem eigenen Kopf und guten Gedanken, die zu grundlegend kapitalismuskritischen Schlüssen kommen. Die gibt es auch in den Betrieben.

Es geht mir auch nicht um diese ewigen Traktate, die über den DGB und seine sozialpartnerschaftliche Politik des Co-Managements erschienen sind. Davon gibt es eine Menge und einige sind sehr gut und hervorragend geeignet, sich von diesem Filz und dessen Rolle ein Bild zu machen.

Es geht darum, daß den Betriebsräten vor Ort auf die Finger geschaut und geklopft wird. Genau da besteht ein Mangel an Strukturen. Bei mehreren Callcentern haben die Agents dabei auf Chefduzen zurückgegriffen und recht gut beschrieben, wie Betriebsräte sich der Gegenseite verpflichtet fühlten und den eigenen Kollegen in den Rücken gefallen sind. Der Fall CCES24 wurde am detailreichsten geschildert.

Ich glaube nicht, daß man aus dem Stehgreif eine Alternative zu DGB und IGM aufbauen kann. Der erste Schritt wären informelle Strukturen.

Wo geht man hin, wenn einem der Kragen platzt, wenn man himmelschreiende Ungerechtigkeiten erlebt?

Die Linkspartei hat Betriebsarbeit überhauptnicht auf dem Zettel.
DKP und MLPD sind in meinen Augen interessierter daran, neue Leute unter ihre Fittiche zu bekommen, als betriebliche Auseinandersetzungen uneigennützig zu unterstützen.
Bei der FAU habe ich es mehrmals erlebt, daß der Versuch einer Kontaktaufnahme kläglich gescheitert ist.

Osteuropäische Leih- und Werksvertragsarbeiter aus dem Kreuzfahrtschiffbau und der Fleischindustrie erfuhren gute Unterstützung von Pastoren.

Der Hamburger Jour Fixe macht regelmäßig Veranstaltungen zu bestimmten Themen, Branchen und Betrieben. Zu solchen Anlässen finden  Leute zusammen, die Kontakte suchen, mit welchen, die über viel Wissen und Erfahrungen zu solchen Problemen verfügen.

Theoretisch könnten die Stadtteilgruppen/-Läden, die überall wie Pilze aus dem Boden sprießen, ein solcher Anlaufpunkt sein. Ich halte sie aber zu großem Teil für einen linken Hype und wahrscheinlich wird diese Mode schon bald von einer anderen abgelöst. Es werden nicht viele dieser Initiativen diesen Trendwechsel überstehen. Gerade eine Langfristigkeit socher Projekte wäre wichtig.

Und nochmal zurück zur selbsternannten linksradikalen Szene: Ich habe verschiedene Treffen/Veranstaltungen erlebt, da wehrte man sich fast schon hysterisch mit Händen und Füßen gegen Facharbeiter des 1. Arbeitsmarkts, die "eh alle reaktionär" seien, voll "unter Kontrolle der IGM" und überhaupt, der 1. Arbeitsmarkt sei "ein Konzept der Vergangenheit und hat keine Bedeutung mehr".

Totaler Bullshit!!!


Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 17.10.2018, Seite 1   / Titel

Konsens statt Klassenkampf
DGB und BDA gratulieren sich zu 100 Jahren »Sozialpartnerschaft«. Bundespräsident feiert antisozialistischen Pakt als »historisches Ereignis«
Von Nico Popp


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Drei gegen »wilde Arbeitskämpfe« und »politische Streiks«: DGB-Chef Reiner Hoffmann, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und BDA-Präsident Ingo Kramer
Foto: Ralf Hirschberger/dpa
Geschichte, soll Napoleon mal gesagt haben, sei einfach die Lüge, auf die sich die Historiker geeinigt haben. In der Bundesrepublik wird beim Basteln einer nützlichen historischen Erzählung ziemlich viel gelogen; und wenn die Sache wirklich wichtig ist, sogar vom Staatsoberhaupt höchstpersönlich.

Am Dienstag feierten der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Hof des Deutschen Historischen Museums »100 Jahre Sozialpartnerschaft«. Die soll, so wurde hier erzählt, am 15. November 1918 mit dem Arbeitsgemeinschaftsabkommen zwischen freien und christlichen Gewerkschaften auf der einen und den großen Unternehmerverbänden auf der anderen Seite »begonnen« haben – für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein »wahrhaft historisches Ereignis«, von dem, wie er bedauernd hinzufügte, »nicht mehr viele« in Deutschland wüssten. Leider, denn damals sei eigentlich die Weiche in Richtung »Wohlstand«, »Demokratie« und »soziale Marktwirtschaft« gestellt worden. Man solle sich doch nur einmal Länder anschauen, in denen diese »Sozialpartnerschaft« nicht so »ausgeprägt« sei – »wilde Arbeitskämpfe« und »politische Streiks«.

Steinmeier erwähnte selbstverständlich nicht, was dieses Abkommen eigentlich ausmachte: In den ersten Tagen der deutschen Revolution von 1918/19, als der alte Staatsapparat gelähmt war, suchten die Industriellen nach handlungsfähigen Verbündeten gegen die radikale Arbeiterbewegung. Sie fanden sie in den Gewerkschaftsführern, die in vier Jahren Krieg viel Erfahrung bei der Bekämpfung der Antikriegsopposition gesammelt hatten. Diese Funktionäre wurden nun schnell und nicht ohne Geschick als »Vertreter« der Belegschaften »anerkannt«; den Achtstundentag gab es dazu, denn der war immer noch besser als der Sozialismus. Das war nach dem August 1914 die nächste strategische Parteinahme der Gewerkschaftsbürokratie für Kapital und Klassenstaat.

Steinmeier nannte diesen Vorgang »unglaublich mutig«. Jemand muss ihm erzählt haben, dass sich die Revolution insbesondere gegen die Gewerkschaften gerichtet hat: In der »von einem sozialistischen Rätestaat gesteuerten Industrie« brauche man nämlich »keine freien Gewerkschaften«. Den versammelten Spitzenfunktionären der Einzelgewerkschaften und der Unternehmerverbände rief er zu: »Was Sie leisten, ist wichtig für unser Land.«

Danach diskutierten DGB-Chef Reiner Hoffmann und BDA-Präsident Ingo Kramer ganz arbeitsgemeinschaftlich miteinander. Man weiß nun, dass Kramer und Hoffmann ab und an telefonieren: »Wir beide haben unsere Handynummern.« Kramer beschwerte sich über den Mindestlohn; den habe der Staat gemacht, und das sei ein Schlag gegen die Autonomie der Tarifparteien. Nach dem Geplauder meldete sich Verdi-Chef Frank Bsirske zu Wort und sorgte mit der Forderung, angesichts der »dramatischen Tarifflucht vieler Unternehmen« die Tarifbindung »deutlich zu stärken« – etwa bei der öffentlichen Auftragsvergabe –, für Unruhe bei Kramer, der sich sicherheitshalber wiederholte: »Wer nach dem Staat ruft, stärkt nicht die Tarifautonomie.«

Die deutsche Kapitalistenklasse muss nicht nach dem Staat rufen, um mit den Gewerkschaften fertig zu werden. Es hat sich – das dürfte vielen Gewerkschaftsfunktionären schon lange klar sein – nicht wirklich gelohnt, der Eigentumsordnung 1918/19 das Leben zu retten. Sie würden es beim nächsten Mal aber sicher wieder tun.

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/341748.100-jahre-arbeitsgemeinschaft-konsens-statt-klassenkampf.html

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Kuddel

Das nenn ich ehrlich!
Das Bündnis zwischen Ausbeuterschweinen und Gewerkschaft, besiegelt von der Regierung.



Im Hintergrund "100 Jahre Sozialpartnerschaft" mit den Logos von BDA und DGB.
Da könnte ebenso stehen "100 Jahre Arbeiterverrat".
Arbeitsminister Hubertus Heil hat sich derweil vor Begeisterung eingekackt.

Rappelkistenrebell

Die Sozialpartnerschaft wurde 1918 mit Blut besiegelt! Wenn es die "soziale marktwirtschaft" schon 100 Jahre gibt, war Deutschland zwischen 1933-1945 auch eine-laut Deutschem Gewerkschaftsbund...erbärmlich diese Verräter an den werktätigen Menschen! Niemals vergessen-niemals vergeben! >:(
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Fritz Linow

Passt irgendwie rein:
Malte Meyer
Lieber tot als rot? Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914
Verlag Edition Assemblage (336 Seiten, 19.80 EUR)

http://www.labournet.de/politik/gw/geschichte/buch-lieber-tot-als-rot-gewerkschaften-und-militaer-deutschland-seit-1914/

Sehr gutes Buch, gerade die Fußnoten haben es teilweise in sich. Danach bleibt eigentlich nur noch Aus- und Drauftreten.

Rappelkistenrebell

In der aktuellen UZ ein kurzer Abriß über die Kumpanei von MSPD,Gewerkschaften und Kapital

Revolution statt ,,Demokratisierung"
7. Oktober 1918: Reichskonferenz der Spartakusgruppe
Von UZ  |    Ausgabe vom 12. Oktober 2018


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Prinz Max von Baden, der deutsche Reichskanzler (3.10.-9.11.1918) und preußische Ministerpräsident, begibt sich in Begleitung von Deutelmoser, Pressechef der Reichskanzlei (links), und Wilhelm Freiherr von Radowitz, Chef der Reichskanzlei, (rechts).

( Bundesarchiv, Bild 183-R04159)

Ende September, Anfang Oktober geriet auch das deutsche Kaiserreich in eine revolutionäre Krise. Zu den Maßnahmen, den Ausbruch der Revolution noch zu verhindern, gehörte die Einsetzung einer neuen Regierung unter Prinz Max von Baden, die sich nicht nur um Friedensverhandlungen mit den Entente-Mächten bemühte, sondern auch zu Zugeständnissen im Inneren bereit war. Zum Kabinett der Regierung von Max von Baden, die am 4. Oktober 1918 eingesetzt wurde, gehörten mit den Staatssekretären Gustav Bauer (verantwortlich für den Bereich Arbeit) und Philipp Scheidemann (ohne Geschäftsbereich) auch zwei Vertreter der Mehrheitssozialdemokraten. Zuvor hatten am 23. September Reichstagsfraktion und Parteiausschuss der SPD beschlossen, den Eintritt in eine neu zu bildende Regierung zu billigen. Mit Hilfe der sogenannten Parlamentarisierung, mit Zugeständnissen im Zusammenhang mit dem Wahlrecht, erweiterten Parlamentsrechten usw. sollte bei den Menschen im Land der Eindruck entstehen, Deutschland befände sich nunmehr auf dem Wege der Demokratisierung. Diese Illusion wurde sowohl durch den kaiserlichen Erlass vom 30. September 1918 über die Einsetzung einer ,,parlamentarischen Regierung" als auch durch die Hereinnahme von Vertretern der Mehrheits-SPD in die neue Regierung des Prinzen Max von Baden erzeugt. (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, S. 72 f.)
Eduard David, einer der führenden rechten Sozialdemokraten in jener Zeit (David gilt übrigens als Erfinder der ,,Burgfriedenspolitik"), notierte zwei Tage später, am 6. Oktober, in seinem Tagebuch: ,,Eine ereignisschwere Woche. Das neue Deutschland wurde geboren (...) Die Kandidatur Prinz Max auch von mir betrieben. Seit Unterredung vor Jahresfrist schätze ich ihn. Aber Prinz! Öffentlich konnte ich nicht für ihn eintreten." An anderer Stelle verkündete er das eigentliche Ziel der rechten Sozialdemokraten in der entstandenen Krise: Den Bestand der Monarchie gegen die Revolution zu schützen. David schrieb weiter: ,,Mein Hauptziel: die Losung der Partei sei bewusste Reformpolitik auf dem Boden des gegebenen Staates, scheint erreicht. Der Weg vom 4.8.14 bis 5.10.18 war schwer. Die Belastungsprobe war stark.
Manchmal war ich selbst irre, ob es der richtige Weg sei. Aber was wäre mit der revolutionären Taktik erreicht worden? (...) Der Prinz ist ein großer Mensch. Bewährt er sich auch als großer Mann, so wird seine Kanzlerschaft zur sozialistischen Demokratie, zum inneren und äußeren Frieden führen." (zitiert nach Heinz Wohlgemuth: Die Entstehung der Kommunistischen Partei Deutschlands. 1914–1918. Überblick, Berlin 1968, S. 247) In Wirklichkeit wurde keines der gesellschaftlichen Probleme durch die Einsetzung der neuen Regierung gelöst. Es ging allein darum, die sich anbahnende Revolution zu verhindern.
Die Spartakusgruppe machte deshalb von Anfang an klar, worum es bei dieser Regierungsbildung in Wirklichkeit ging. ,,Nicht in eurem Interesse ist diese Regierung geschaffen worden, sondern im Interesse eurer Bourgeoisie und um euch zum Schweigen zu bringen (...) Schweigt von euren Nöten! Hungert und friert in euren ungeheizten Stuben, aber wagt nicht zu protestieren, denn das würde die neue Regierung diskreditieren (...)", hieß es in einem Aufruf. (Ebenda) Im Spartakusbrief Nummer 12 vom Oktober 1918 hieß es in diesem Zusammenhang: ,,Der Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die Regierung als Retter des Kapitalismus der kommenden proletarischen Revolution in den Weg."
Am 7. Oktober einigten sich die Gruppe Internationale (Spartakusgruppe) und die Linksradikalen Deutschlands auf einer illegalen Reichskonferenz der Spartakusgruppe in Berlin auf ein revolutionäres Programm und die nächsten Schritte. In einem Aufruf stellten sie nicht nur fest, ,,Wir sind in die letzte Periode des Krieges eingetreten. Nach 50 Monaten zeigt sich sein Werk (...)
Dieses Resultat des Krieges hat in allen Ländern der Welt nicht nur die objektiven Grundlagen der Revolution verstärkt, sondern den Zeitpunkt des unmittelbaren Beginnens der Revolution herangeführt." Es wurde auch ein Programm der Revolution für die sofortige Beendigung des Krieges, für die revolutionäre Erkämpfung demokratischer Rechte und Freiheiten und für den Sturz des deutschen Imperialismus und Militarismus beraten. Ziel des Kampfes sei die sozialistische Republik, ,,die mit der russischen Sowjetrepublik solidarisch ist, zur Entfesselung des Kampfes des Proletariats der Welt gegen die Bourgeoisie der Welt".Hervorgehoben wurde die große moralische Unterstützung, die die revolutionäre Bewegung in Deutschland durch die Oktoberrevolution gefunden hatte. Es wurde beschlossen, ,,den Genossen in Russland den Ausdruck des Dankes, der Solidarität und brüderlichen Sympathie zu übermitteln mit dem Versprechen, diese Solidarität nicht durch Worte, sondern durch Aktionen, entsprechend dem russischen Vorbild, zu betätigen".
Die Konferenz verurteilte die Politik der Führer der Mehrheitssozialdemokraten. Sie wandte sich aber auch entschieden gegen die schwankende, opportunistische Politik der Führung der USPD, die die Bildung der Regierung des Prinzen Max von Baden gleichfalls als eine sich anbahnende Demokratisierung der deutschen Verfassungszustände einschätzte und eben nicht darauf verwies, dass entsprechende Schritte der neuen Regierung nur der Absicherung der Herrschaft der Hohenzollern und des Kapitals dienen sollten. 
Zu den unmittelbaren Forderungen der Revolutionäre gehörten:
1. Unverzügliche Freilassung aller politischen Gefangenen, Befreiung aller Soldaten, die wegen militärischer und politischer Verbrechen verurteilt sind.
2. Sofortige Aufhebung des Belagerungszustandes.
3. Sofortige Aufhebung des Hilfsdienstgesetzes.
4. Annullierung sämtlicher Kriegsanleihen ohne jede Entschädigung.
5. Enteignung des gesamten Bankkapitals, der Bergwerke und Hütten, wesentliche Verkürzung der Arbeitszeit, Festsetzung von Mindestlöhnen.
6. Enteignung des Groß- und Mittelgrundbesitzes, Übergabe der Leitung der Produktion an Delegierte der Landarbeiter und Kleinbauern.
7. Durchgreifende Umgestaltung des Heereswesens.
8. Abschaffung der Todes- und Zuchthausstrafe für politische und militärische Vergehen.
9. Übergabe der Lebensmittelverteilung an Vertrauensleute der Arbeiter.
10. Abschaffung der Einzelstaaten und Dynastien.
Über die Bedeutung und den Charakter dieser Forderungen heißt es im Aufruf: ,,Proletarier, die Erreichung dieser Ziele bedeutet noch nicht die Erreichung eures Zieles, sie sind der Prüfstein dafür, ob die Demokratisierung, die die herrschenden Klassen und deren Agenten euch vorflunkern, echt ist. Der Kampf um die wirkliche Demokratisierung geht nicht um Parlament, Wahlrecht oder Abgeordnetenminister und anderen Schwindel; er gilt den realen Grundlagen aller Feinde des Volkes: Besitz an Grund und Boden und Kapital, Herrschaft über die bewaffnete Macht und über die Justiz." (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 76–78)
Damit wurde klar auf die Grundfrage jeder Revolution orientiert, auf die nötige Veränderung der Macht- und Eigentumsverhältnisse.

Quelle

https://www.unsere-zeit.de/de/5041/theorie_geschichte/9579/Revolution-statt-,,Demokratisierung".htm

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Kuddel

Die Kritik am herrschenden Gewerkschaftsapparat ist wichtig und notwendig.

Wir haben aber ein gewaltiges Problem.
Wir haben keine echte Alternative.

So richtig und sympathisch die Idee hinter FAU und Wobblies sein mag, so wenig werden sie diesem Anspruch in der Realität gerecht. Die Organisationen sind nicht nur zahlenmäßig winzig, sie kriegen kaum eine kontinuierliche Arbeit hin. Sie kommen aus den organisatischen Kinderschuhen linker Strukturen nicht heraus. Die Mitglieder und Aktivisten kommen und gehen. Hat man bei einem Syndikat mal zwei Jahre nicht vorbeigeschaut, wird man kaum mehr ein bekanntes Gesicht treffen. Alles neue Leute. Die werden wahrscheinlich auch nur begrenzte Zeit bleiben. Teilweise lösen sich Syndikate einfach auf und werden dann von neuen Leuten neu gegründet. Einige Syndikate/Städte/Gruppen mögen positve Ausnahmen bilden, doch ein Problem ist die weitgehende Beschränktheit auf eine linke Subkultur und es mangelt an einer Bekanntheit und Verwurzelung unter Arbeitern, die mit einer solchen Subkultur nichts zu tun haben. Man ist relativ stark, wo diese Szene selbst jobt, in der Gastronomie, im universitären Bereich und bei den Essensausfahrern von Foodora, Deliveroo und Co.. Ein tolles Beispiel jenseits des Szeneumfelds liegt in der "Mall of Shame" Kampagne in Berlin,  in der man osteuropäische Bauarbeiter bei ihrer Selbstorganisierung und ihren Protesten unterstützte, oder kürzlich in Hannover, als man Beschäftigte von Blumengeschäften organisierte. Möge das Schule machen!

Die Menschen fühlen sich hilflos ohne eine brauchbare Organisation oder Bewegung im Rücken.
Sie sind es auch.


Den DGB Gewerkschaften laufen die Mitglieder davon. Es ist eine Katastrophe, daß es uns bisher noch nicht gelungen ist, das Vakuum, das sich neben dem DGB gebildet hat, nur annähernd zu füllen. Die Faschisten springen gerade in diese Bresche. Ihre Kritik an den DGB Gewerkschaften ist oftmals gut und berechtigt. Sie unterscheidet sich kaum von der der FAU. Die Arbeiter sehen aber nur die berechtigte Kritik, der man kaum widersprechen kann. Sie sehen nicht, wofür die Faschisten stehen. Sie sind die brutalen Handlanger des Kapitals. Sie sprechen aber die Sprache der Arbeiter und sie verkörpern deren Wut. Das ist attraktiv. Sie können damit Arbeiter um den Finger wickeln. Auf lange Sicht werden sie die Arbeiter im Stich lassen, verraten und in die Pfanne hauen. Dann sind aber linke Alternativen bereits zerschlagen.

Es gab von den Rechten sogar schon Forderungen, wie "Generalstreik gegen Leiharbeit!". Solche Forderungen sind mit Sicherheit populär. Die Rechten haben gar nicht vor, sie jemals umzusetzen. Die rechten gewerkschaftlichen Organisationen mögen zwar noch winzig sein, doch sie haben das Zeug, eine rapide wachsende Rolle zu spielen. Die beste Strategen der Faschisten werden zu den betrieblichen Organisationen geschickt, sie kriegen auch die wortgewaltigsten Redner und jede organisatorische Hilfe, die man sich vorstellen kann. Damit wirken sie stärker, als sie (bisher) sind.

Wir kriegen gerade die Quittung dafür, daß die Linke das betriebliche Thema konsequent vernachlässigt, bzw. ignoriert hat.

Fritz Linow

Einige nicht vollständige Ergänzungen:

Viele, die eine Umwälzung der Verhältnisse anstreben, haben sich selber viel zu lange im DGB aufgehalten. Die Gewerkschaftsfrage erschöpfte sich immer darin, dass es irgendwann innerhalb des DGB funktionieren werde. Die Frage nach einer Alternative wurde gar nicht oder kaum gestellt. Es mag bisweilen gute Gründe dafür gegeben haben.

Diejenigen, die nach einer Alternative gesucht haben, haben dann zum Beispiel die FAU gegründet. Dabei gab und gibt es anscheinend immer noch viele Missverständnisse, zum Beispiel dass es sich um eine Arbeiterbewegung und nicht um eine linksradikale Hüpfburg handelt. Das ist teilweise auch der Zeit geschuldet gewesen, und dieses Missverständnis zu beseitigen ist eine Herkulesaufgabe. Das erklärt vielleicht auch die hohe Fluktuation bis hin zur (richtigen) Auflösung von Syndikaten. Auf der anderen Seite sollte man anerkennen, dass es immerhin diejenigen unter den Linken sind, die die Gewerkschaftsfrage in den Vordergrund stellen. Dasselbe gilt für die Wobblies.

Nun sprießen überall Stadtteilgewerkschaften und Stadtteilinitiativen aus dem Boden, und auch da besteht die Gefahr, dass es ein bunter Gemischtwarenladen für alle wird. Einige sind theorielastig, szenelastig, andere versuchen richtig gute Basisorganisation. Man wird sehen. Was ist eigentlich mit kleinen Städten, in denen es keine Stadtteile gibt? Da sollte man es genauso versuchen.

Kuddel

Zitat von: Fritz Linow am 21:11:40 Sa. 20.Oktober 2018
...Missverständnisse, zum Beispiel dass es sich um eine Arbeiterbewegung und nicht um eine linksradikale Hüpfburg handelt...
...dieses Missverständnis zu beseitigen ist eine Herkulesaufgabe...

Viele treten in die FAU ein, weil sie das kapitalistische System abschaffen wollen und den Bereich der Ausbeutung für ein wichtiges Feld des Kampfes halten. Dann stellen sie fest, daß man Arbeiter mit politischen Forderungen nicht erreicht und daß sie sich auf eine Diskussion über den Kapitalismus nicht einlassen wollen. Dann bleibt man weiter unter sich und diskutiert die politischen Fernziele im kleinen Kreis. Wenn man zur Erkenntnis kommt, daß man keinerlei Einfluß auf den Lauf der Welt hat, ist der Weg zum Austritt nicht weit.

Arbeiter*innen sind erst einmal nicht "politisch" und nicht "links". Ihre Interessen stehen jedoch im direkten Gegensatz zu den Interessen des Kapitals. Das Kapital hat seine Gegner im Inneren des Ausbeutungssystems. Wenn die Arbeiter*innen aufhören tagtäglich in dem Räderwerk so mitzuspielen, wie sie es sollen, wird es politisch. Wenn sie ihre Macht erkennen und sich zusammenschließen, entsteht eine echte Gegnerschaft zu den kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen. Dagegen sind alle linken Demos, egal wie militant sie sein mögen, nur ein Kindergeburtstag, bzw. "eine linksradikale Hüpfburg".

In Polen hat diese Erkenntnis zu praktischen Konsequenzen geführt. Unglücklich mit der dogmatisch anarchistischen Gewerkschaft ZSP, die eine ihre Hauptaufgaben darin sah, politische Abweichler zu bekämpfen, gründete sich die "Inicjatywa Pracownicza" (= Arbeiterinitiative) IP. Sie entstand, um eine Alternative zu den Sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften, wie der Solidarnosc, zu entwickeln. Hier sollte es möglich sein, sich direkt für die Arbeiterinteressen einzusetzen, ohne jeden Kampf bereits im Vorfeld mit faulen Kompromissen zu ersticken.



Die Frustration über das Einknicken der einst kämpferischen Solidarnosc zu einer traurigen neoliberalen Organisation, ist enorm. Man sieht in der IP eine reale gewerkschaftliche Alternative, wenn es darum geht, für die eigenen Interessen zu kämpfen. So ist es möglich, daß Arbeiter*innen aus alten Industriebetrieben oder auch von Volkswagen sich dort organsierten, Supermarktbeschäftigte, Krankenpfleger*innen, Kindergärtnerinnen, sowie Klempner in der tiefsten Provinz, der IP beigetreten sind. Es ist kein Inzuchthaufen der linken Szene, hier treffen sich knorrige Indstriearbeiter, alte Muttchen und junge Radikale (manchmal sind die alten Muttchen radikaler als die Jungen), diskutieren ihre Möglichkeiten sich zu wehren, führen Arbeitskämpfe und machen erste Gehversuche im grenzüberschreitenden Kampf.

Deutsche Linke können damit erstmal wenig anfangen. Als polnische und deutsche Amazonarbeiter*innen gemeinsam in Berlin gegen die Verleihung des Springer Awards an Jeff Bezos demonstrierten, kommentierte man es bei der Interventionistischen Linken entsetzt mit, "die sind ja gar nicht links". Das Leben außerhalb der linksradikalen Hüpfburg bleibt ein Buch mit sieben Siegeln.

Eine IP Aktivistin und Amazonarbeiterin aus Poznan beschreibt ihre Erfahrungen:

! No longer available


counselor

Genau! Arbeiter sind nicht automatisch links. Viele sind nicht einmal sonderlich politisch. Die meisten wollen ihre Arbeit gut verrichten, anständig behandelt und bezahlt werden. Und es gibt immer wieder Konflikte im Betrieb rund um die Arbeitsbedingungen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Rappelkistenrebell

Die Beilage »Gewerkschaft« gibt eine Rückschau auf den gescheiterten Versuch, die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland einzuführen. Sie erscheint am Mittwoch, 24. Oktober, zusammen mit der Tagesausgabe von junge Welt.

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Gegen System und Kapital!


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Fritz Linow

Zitat von: Rappelkistenrebell am 11:36:42 Di. 23.Oktober 2018
Die Beilage »Gewerkschaft« gibt eine Rückschau auf den gescheiterten Versuch, die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland einzuführen. Sie erscheint am Mittwoch, 24. Oktober, zusammen mit der Tagesausgabe von junge Welt.
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Pflichtgemäß gekauft und gelesen. Seichte DGB-Erbauungsliteratur. Nichts, was nicht hier oder auf labournet ausführlicher behandelt wird. Der Blick in die USA ist recht spannend, ein guter Artikel.

Fritz Linow

Zitat10.11.18
Vor 100 Jahren wurde mit dem Stinnes-Legien-Abkommen die »Sozialpartnerschaft« beschlossen. Sie hat bis heute Bestand (...)
https://www.jungewelt.de/artikel/343322.novemberrevolution-eine-vernunftehe.html

Da wird nochmal die Rolle der "freien" Gewerkschaften und von Carl Legien erwähnt. Zu Legien gibt es sowieso recht wenig. Es befinden sich halt nicht nur Ebert, Noske, Scheidemann, Schmidt, Schröder, Clement in einer direkten Traditionslinie, sondern auch Legien und Konsorten bis hin zu Osterloh, Hoffmann und anderen DGB-Kriegstreibern. Das ist zwar schon viel zu lange bekannt, wird aber gleichzeitig auch viel zu lange hingenommen. Solange die Betriebe dem DGB überlassen oder Gewerkschaften nur als Schule für den Klassenkampf angesehen werden, während progressive Parteien mit proletarischer Denkweise dann der wesentliche Faktor sein sollen, wird das alles nichts.

Rappelkistenrebell

Aus: Ausgabe vom 20.11.2018, Seite 5   / Inland

Unheilige Allianz
Gesamtmetall-Präsident beschwört »Sozialpartnerschaft«. Ausnahmen für Tarifverträge gefordert


Nicht in Fragen einer Meinung: IG-Metall-Chef Jörg Hofmann (l.) und Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger
Foto: (c) Copyright 2018, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Der Präsident des Unternehmerverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, denkt mit Schrecken an die Novemberrevolution: »In der Bevölkerung herrschten Hunger und Not, zugleich hatten die Unternehmer in den revolutionären Wirren eine Verstaatlichung zu fürchten«, sagte er der FAZ (Montagausgabe). Glücklicherweise hätten vorausschauende Gewerkschafter sich mit dem Kapital auf einen Pakt eingelassen: »Hier wurzelt das Grundverständnis der Tarifautonomie, die über so lange Zeit unsere Wirtschaft zum allseitigen Vorteil befriedet hat«, sagte Dulger.

Allerdings fühlt sich der Unternehmerpräsident von den »Sozialpartnern« eingeengt; das Tarifsystem ist ihm eine Last – eine »Reform« müsse her. Denn die Tarifpolitik stecke wegen der Digitalisierung und der daraus folgenden individuelleren Arbeitsverhältnisse in einer Phase des Umbruchs.

Vielleicht könne man den Umbruch auch partnerschaftlich gestalten? »Wie gut unsere Sozialpartnerschaft in Ernstfällen funktionieren kann, hat sich ja etwa im Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 gezeigt.« Vor zehn Jahren hatte die IG Metall zugestimmt, in vielen Industrieunternehmen auf Kurzarbeit umzustellen.

Der Staat dürfe sich nicht fortwährend auf die Seite der Arbeiter stellen: »Ein aktuelles Beispiel ist das Gesetz zur sogenannten Brückenteilzeit. Davor war es die Regulierung der Zeitarbeit, die Tarifverträge aushebelte, davor der gesetzliche Mindestlohn – da darf man sich nicht wundern, wenn Unternehmen fragen: Wozu noch ein Tarifvertrag, wenn doch am Ende alles per Gesetz geregelt wird«, meinte Dulger. »Übrigens sollten sich auch die Gewerkschaften fragen, ob es ihrer Mitgliederwerbung hilft, wenn sich um alles der Gesetzgeber kümmert.«

Deshalb beschwört Dulger die gute, alte Sozialpartnerschaft. Der IG Metall bot er an, den Tarifvertrag der Zukunft gemeinsam zu gestalten. Ein diskussionswürdiger Ansatz sei der Vorschlag der »Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände« (BDA): eine »modulare Tarifbindung«, bei der Betriebe anstelle des ganzen Flächentarifs nur einzelne »Bausteine« wählen könnten.

In den »komplexen Regelungen« des Flächentarifs für die Metall- und Elektroindustrie fänden sich kleine und mittlere Unternehmen kaum noch wieder, erklärte Dulger den Umstand, dass nur noch gut die Hälfte der Beschäftigten der Branche in tarifgebundenen Unternehmen arbeitet. Ursprünglich hätten Tarifverträge die Funktion gehabt, Mindestbedingungen zu definieren. »Heute ist zumindest der Metall-Tarif eine Zementierung von Maximalbedingungen.«

Auch in den rund 3.700 Unternehmen ohne Tarifbindung gebe es »alle denkbaren Formen geregelter Arbeitsbeziehungen«, meinte Dulger. Bei fast allen diesen Vereinbarungen sei auch die IG Metall dabei, so dass in der Gesamtsicht auf die Branche die sozialpartnerschaftlichen Bindungen »beeindruckend stark« seien. (dpa/jW)

Quelle

https://www.jungewelt.de/artikel/343947.gewerkschaften-unheilige-allianz.html
Gegen System und Kapital!


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Kuddel

Ich habe mich gestern mit einer Gruppe von Gewerkschaftslinken getroffen, alte Recken, zumeist bereits im Rentenalter, doch weiterhin sehr aktiv. Ihr Blick auf den Zustand der Gewerkschaften ist schlichtweg niederschmetternd. Ihrer Meinung nach gibt es keine aktive Gewerkschaftsbasis mehr. Die Gewerkschaftsvorstände können machen was sie wollen.

Es gibt Auseinandersetzungen und Kämpfe in den Betrieben, doch dem begegen die Unternehmen durch Unionbuster, bzw. "Fertigmacher". Aufmüpfige Kollegen werden unter Druck gesetzt und aus dem Betrieb gedrängt oder gefeuert. Denen kommt die Gewerkschaft nicht zur Hilfe. Sie sollte sich nicht wundern, daß sie immer weniger Einfluß/Autorität unter den Kollegen hat.

Die einzigen ernstzunehmenden Versuche, betriebliche Auseinandersetzungen zu thematisieren und zu vernetzen, kommen von außerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen. Zu nennen wären da das LabourNet, Arbeitsunrecht und Chefduzen.

Es müßte eine breite Bewegung aufgebaut werden, die auch bleibende Strukturen hervorbringen. Es gibt bisher keine brauchbare Alternative zu dem DGB mit rund 6 Millionen Mitgliedern.

Rudolf Rocker

ZitatIhrer Meinung nach gibt es keine aktive Gewerkschaftsbasis mehr.
Und vor allem auch keine kritische Gewerkschaftsbasis, bzw. die kann man an einer Hand abzählen.


counselor

Und die Gewerkschaftsbosse sind mit dem Kapital quasi verschmolzen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Fritz Linow

Zitat von: Rudolf Rocker am 18:11:43 Do. 22.November 2018
ZitatIhrer Meinung nach gibt es keine aktive Gewerkschaftsbasis mehr.
Und vor allem auch keine kritische Gewerkschaftsbasis, bzw. die kann man an einer Hand abzählen.
Wer glaubt, dass ein strukturell bedingtes Scheißgewerkschaftsprinzip eine aktive und kritische Gewerkschaftsbasis benötigt, hat den Schuss seit 1918, spätestens seit 1948 nicht mehr gehört. Oder etwas besseres aufbauen: das wäre es gewesen und isses immer noch. Anstatt sich am Apparat abzuplagen oder alternativ Kampagnenschrott durch die Gegend zu fahren, muss da was geschehen...mit Ernsthaftigkeit und Ausdauer.
Es mag hier und da berechtigte Hoffnung gegeben haben, dass das DGB-Prinzip in eine korrekte Richtung geleitet werden könnte, aber insgesamt ist es ein absurder Wunschgedanke. Linke beschäftigen sich halt nicht so gerne mit Betrieben, überlassen es gerne dem DGB und gehen lieber auf die Idiotenwiese. Mal so als Feststellung?  

dejavu

ZitatAllerdings fühlt sich der Unternehmerpräsident von den »Sozialpartnern« eingeengt; das Tarifsystem ist ihm eine Last – eine »Reform« müsse her. Denn die Tarifpolitik stecke wegen der Digitalisierung und der daraus folgenden individuelleren Arbeitsverhältnisse in einer Phase des Umbruchs.
Ach was...das hatten wir doch schon:

ZitatDer neue Strukturwandel: Herausforderung und Chance für die Gewerkschaften

Der internationale Vergleich zeigt, dass sich die Erosion des gewerkschaftlichen Organisationsgrads aufhalten lässt. Ein innovativer Mix aus mehr Dienstleistungsorientierung für die Mitglieder und weniger Konfrontationskurs in der Politik könnte eine Umkehrung bewirken.

und:

ZitatWandel der Arbeitswelt durch Megatrends

Angesichts einer rapiden Abnahme der Transport- und Kommunikationskosten, die zusammen mit einer zunehmenden Öffnung von Auslandsmärkten den weltweiten Austausch beflügelt hat, und aufgrund von Veränderungen der Produktions- und Informationstechnologie, der Humankapitalausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie wegen veränderter Präferenzen der Menschen haben sich die Organisationsbedingungen der Gewerkschaften deutlich verändert und ihre Aufgabenbereiche gewandelt. Kennzeichnend für den neuen Strukturwandel ist eine Ablösung des Großbetriebs und der standardisierten Massenproduktion durch flexiblere und dezentral organisierte Produktionsformen. Heutige Firmen sind zunehmend durch neue Organisationsstrukturen gekennzeichnet, die eine erhöhte Flexibilität des Arbeitsprozesses und die Vernetzung innerhalb und außerhalb des Unternehmens ermöglichen.

Die beiden letzten Zitate(2003) sind von hier:http://www.bpb.de/apuz/27266/der-neue-strukturwandel-herausforderung-und-chance-fuer-die-gewerkschaften?p=all
Leiharbeit und Werkvertragsmißbrauch verbieten! Weg mit dem Dreck!

Rudolf Rocker

Zitat von: Fritz Linow am 23:16:34 Do. 22.November 2018
Zitat von: Rudolf Rocker am 18:11:43 Do. 22.November 2018
ZitatIhrer Meinung nach gibt es keine aktive Gewerkschaftsbasis mehr.
Und vor allem auch keine kritische Gewerkschaftsbasis, bzw. die kann man an einer Hand abzählen.
Wer glaubt, dass ein strukturell bedingtes Scheißgewerkschaftsprinzip eine aktive und kritische Gewerkschaftsbasis benötigt, hat den Schuss seit 1918, spätestens seit 1948 nicht mehr gehört. Oder etwas besseres aufbauen: das wäre es gewesen und isses immer noch. Anstatt sich am Apparat abzuplagen oder alternativ Kampagnenschrott durch die Gegend zu fahren, muss da was geschehen...mit Ernsthaftigkeit und Ausdauer.
Es mag hier und da berechtigte Hoffnung gegeben haben, dass das DGB-Prinzip in eine korrekte Richtung geleitet werden könnte, aber insgesamt ist es ein absurder Wunschgedanke. Linke beschäftigen sich halt nicht so gerne mit Betrieben, überlassen es gerne dem DGB und gehen lieber auf die Idiotenwiese. Mal so als Feststellung?  
Du merkst schon, das sich deine Aussage komplett wiederspricht, oder? Linke die (auch innerhalb ihrer Gewerkschaftsarbeit) in die Betriebe gehen sind Scheiß- DGB- Büttel und Linke die ihre Gewerkschaftsarbeit irgendwann entnervt aufgegeben haben und neue Organisationsformen suchen, gehören auf die Idiotenwiese?
Um das nochmal klarzustellen: Ich halte auch nichts vom DGB und denke auch nicht, das es da noch was zu reformieren gibt. Das ist aber kein Problem das erst seid heute Morgen 8:15 Uhr bekannt ist, sondern durchaus schon ein paar Jahre (also 100 nach Fritzens Zeitrechnung).
Umso erschreckender ist es ja, das es bis heute keine ernstzunehmende Alternative zum DGB gibt.

Fritz Linow

ZitatLinke die (auch innerhalb ihrer Gewerkschaftsarbeit) in die Betriebe gehen sind Scheiß- DGB- Büttel und Linke die ihre Gewerkschaftsarbeit irgendwann entnervt aufgegeben haben und neue Organisationsformen suchen, gehören auf die Idiotenwiese?
Wo steht das?

Rudolf Rocker

Gut, dann habe ich dich falsch verstanden! Wieder hinlegen! ;D

Onkel Tom

Zitat von: Rudolf Rocker am 09:27:15 Fr. 23.November 2018
...
Umso erschreckender ist es ja, das es bis heute keine ernstzunehmende Alternative zum DGB gibt.

Sehe ich nicht so.. Betriebsangehörige, die gegenüber des DGB ungefragt ihr eigenes Ding bezüglich
Arbeitskampf machen, werden spätestens dann vom DGB "angewanzt", wenn sich der AG zur
Gesprächsbereitschaft herangezogen fühlt..

Da kann sich ein "Interessens-Kolektiv" bezüglich Forderungen durchsetzen, auch ohne DGB..

Anbei sollten sich Betriebsangehörige nicht von Streikgeldern etc. verlocken lassen. Ihre Eigeninitiative
zeigt anbei bereits Wirkung und da kann man keinen gebrauchen, der sich bei Aussicht auf Erfolg
"anwanzt" und das Zepter bezüglich Leitung gegenwärtiger Streikkultur aneigen will..

Ohne funktionierender Arbeitskraft keine Profite..  ;D

In der Eigeninitiative ohne Segen vom DGB sehe ich Alternative und solche Streikarten werden ja
auch immer populärer. (Truckerstreiks und andere Bereiche, wo sich Arbeitnehmer bereits von
Hoffnungen auf Gewerkschaftlicher Hilfe verabschiedet haben)

Neupack in HH-Eidelstedt war ja auch so ein Ding, wo a la "Jetzt streiken wir auf unserer Art" der
Bonze nachgeben musste. Anbei hat sich die Gewerkschaft zunächst a la "Ihr streikt illegal" mukkiert
und später um 180 grad gedreht, angewanzt und sich Lorblätter bezüglich Streikerfolg zu eigen
nahmen.. (Selbstbeschückung auf Kosten anderer)

Wenn die Gewerkschaft sich schon mimosenhaft anstellt, was Streikkultur angeht, können sie
gleich ganz weg bleiben..
Jedenfalls die bereits etablierten bekannten  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

Rudolf Rocker

Wo ist da jetzt die ernstzunehmende Alternative zum DGB?
Wo sind die Strukturen, die z.B. aus dem Neupack- Streik entstanden sind?
Wo gibt es in Deutschland eine flächendeckende, kontinuierliche Struktur die eine Alternative zum DGB bietet?
Und jetzt bitte nicht mit der FAU kommen. Die hätte es sein können, ist dann aber an vielen Orten aus verschiedensten Gründen gescheitert.
Und Eigeninitiative alleine bringt herzlich wenig, wenn die Vernetzung ausbleibt und Erfahrungen nicht weitergegeben werden.
Außerdem ist es noch mal eine andere Hausnummer, ob es (wie bei Neupack) um einen Haustarifvertrag geht oder um einen flächendeckenden TV, wie es z.B. im öffentlichen Dienst der Fall ist.
Und was ist mit den Branchen- Mindestlöhnen z.B. in der Baubranche oder im Gebäudereinigerhandwerk. Wer hätte sowas auf bundesweiter Ebene verhandeln können?

Onkel Tom

Zitat von: Rudolf Rocker am 14:49:53 Fr. 23.November 2018
Wo ist da jetzt die ernstzunehmende Alternative zum DGB?
Wo sind die Strukturen, die z.B. aus dem Neupack- Streik entstanden sind?
...

In der Eigeninitiative der Betriebsangehörigen, die sich zudem selbst vernetzten und Infos
nach draußen verbreiteten.. Dieser Streik bei Neupack fing mit Gewerkschaftlicher
Unterstützung an. Nachdem die Belegschaft sich nicht auf "faule Kompromisse" einlassen
wollten, hat die Gewerkschaft sie fallen lassen. Der Streik wurde dann "wild" fortgesetzt.
2 Monate Wubadu um Streikbruchverhinderung und so..
Das lief 2 Monate, bis der Bonze endlich wieder zu Verhandlungen bereit war.. Erst dann
ging das sich wieder anwanzen der Gewerkschaft los..

Diese 2 Monate machen doch deutlich, das der Arbeitnehmer doch der stärkere sein kann.
Wer jetzt genau dabei der "Sprecher" war, weiß ich nicht und mit der FAU-HH zu kommen
verkneife ich mir, da ich nicht nachvollziehen kann, in wie weit sie beteiligt waren.

Jedenfalls erfuhren die Streikenden viel Solidarität von Rentnern und Erwerbslosen, die
anbei morgens um 6 dort die Arbeiterbusse (Streikbrecher) blockierten.
Rangelein mit den Cops vor dem Werkstor standen auch auf der Tagesordnung..

Mir erscheint also Streik ohne DGB etc. doch möglich..
Lass Dich nicht verhartzen !

Rudolf Rocker

ZitatMir erscheint also Streik ohne DGB etc. doch möglich
Ja, aber darum ging es in der Diskussion hier auch nie. (Die GdL ist ja auch keine DGB- Gewerkschaft und streikt trotzdem.)
In dieser Diskussion ging es um die Frage, warum es bis heute keine verlässlichen, alternativen Strukturen zum DGB gibt.
Und bisher sehe ich auch keine betriebliche Eigeninitiative, die mal einen Vorschlag in diese Richtung gemacht hätte (zumindest soweit ich das weiß).


Onkel Tom

Zitat von: Rudolf Rocker am 16:46:19 Fr. 23.November 2018
...
In dieser Diskussion ging es um die Frage, warum es bis heute keine verlässlichen, alternativen Strukturen zum DGB gibt.
...

Ja, da laufe ich gedanklich auch immer wieder gegen die Wand..
Ich hoffe, das sone Streiks, die auf Eigeninitiative basieren als Vorbild mehr Zugang
zu den etablierten Medien finden.

Schön, das es dieses Forum gibt, mit dem die Schwelle zu den Medien überwunden
werden konnte wie z.B. bei den VW-Leihkräften in China.

Ich glaube, das sich chefduzen anbei schon als sogenannter "Geburtshelfer" bewiesen
hat  ;D
Lass Dich nicht verhartzen !

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